Bundesfinanzhof-Entscheidung

Europäischer Gerichtshof soll kommunales Steuerprivileg prüfen

Carl-Friedrich Höck25. Oktober 2019
Geht kommunalen Schwimmbädern bald finanziell die Luft aus? Ihr Steuerprivileg steht jedenfalls auf dem Prüfstand. (Symbolbild)
Eine Steuerbegünstigung für defizitäre kommunale Betriebe verstößt möglicherweise gegen EU-Recht. Der Bundesfinanzhof bittet den Europäischen Gerichtshof, die Ausnahmeregel für „verdeckte Gewinnausschüttungen“ zu überprüfen.

Der Bundesfinanzhof (BFH) bittet den Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu klären, ob eine Steuerbegünstigung für dauerdefizitäre kommunale Eigengesellschaften gegen die Beihilferegelung des EU-Rechts verstößt. Das geht aus einem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss hervor, der bereits am 13. März 2019 gefasst wurde.

Diese Entscheidung könnte viele Städte und Gemeinden vor Probleme stellen. Denn sie sind häufig an Eigengesellschaften beteiligt, die dauerhaft defizitäre Tätigkeiten durchführen, um die Daseinsvorsorge zu sichern.

Schwimmbad schreibt rote Zahlen

Im konkreten Fall ging es um ein Energieversorgungsunternehmen aus Mecklenburg-Vorpommern, das zu 100 Prozent in kommunaler Hand ist. Das Unternehmen betreibt eine Schwimmhalle, die in den Streitjahren 2002 und 2003 dauerhaft Verluste erwirtschaftete. Im Interesse der Stadt wurden die Verluste hingenommen.

Vor Gericht ging es nun um die Frage, ob das städtische Unternehmen die Verluste aus dem Schwimmbadbetrieb mit Einkommen aus anderen Sparten verrechnen darf, sodass es weniger Steuern zahlen muss. Der Bundesfinanzhof spricht in solchen Fällen von „verdeckter Gewinnausschüttung“. Üblicherweise werden solche verdeckten Gewinnausschüttungen von den Finanzgerichten nicht steuermindernd anerkannt.

Kommunale Gesellschaften profitieren von Vorschrift

Für kommunale Eigengesellschaften gilt allerdings seit 2009 eine Sonderregelung im Körperschaftssteuergesetz, die auch rückwirkend für die Vergangenheit gilt. Danach treten die Rechtsfolgen einer verdeckten Gewinnausschüttung bei kommunalen Eigengesellschaften dann nicht ein, wenn sie aus gesundheitspolitischen Gründen ein sogenanntes Dauerverlustgeschäft unterhalten, wie eben beim Betrieb von Schwimmbädern.

Der Bundesfinanzhof sieht darin einen „selektiven Vorteil“ gegenüber anderen Steuerpflichtigen. Daraus ergibt sich der Verdacht, es könne sich um eine Beihilfe handeln. Eine solche hätte die Bundesregierung in Brüssel melden müssen, was aber weder 2009 noch in den Folgejahren geschehen ist.

Schwimmbadversorgung in Gefahr?

Nun soll der Europäische Gerichtshof untersuchen, ob es sich um eine Beihilfe handelt. Falls ja, müsste die Ausnahmeregelung ausgesetzt werden, bis die EU-Kommission über das weitere Vorgehen entschieden hat.

Für die deutschen Kommunen bedeutet der BFH-Beschluss, dass sie nun bis auf Weiteres mit einer Rechtsunsicherheit leben müssen. Es drohen Steuernachzahlungen. Die möglichen Auswirkungen betreffen nicht nur Schwimmbäder, sondern beispielsweise auch den Öffentlichen Nahverkehr in vielen Städten und Gemeinden.

„Wenn der EuGH zu der Auffassung kommen sollte, dass das rechtswidrige Beihilfen sind, wäre die gesamte Schwimmbadversorgung in Deutschland in Frage gestellt“, wird Uwe Zimmermann, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, von der Nachrichtenagentur dpa zitiert. Kaum ein Schwimmbad trage sich wirtschaftlich selbst. Seiner Ansicht nach ist – über den Betrieb von Schwimmbädern hinaus – die Entscheidung von grundlegender Bedeutung für den steuerlichen Querverbund in der kommunalen Daseinsvorsorge.“ Noch gibt sich Zimmermann aber gelassen: „Wir sind erstmal optimistisch, dass auch der EuGH sieht, dass es sich dabei um Tätigkeiten von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse handelt, die für die Gemeinschaft von Nutzen sind.“ Da müssten auch steuerliche Privilegien zulässig sein.

Mehr:
Pressemitteilung des Bundesfinanzhofes

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