Deutscher Kommunalkongress

Faeser will bessere Kooperation von Bund, Ländern und Kommunen

Carl-Friedrich Höck28. Juni 2022
Nancy Faeser auf dem Deutschen Kommunalkongress des DStGB
30 Jahre lang war Nancy Faeser selbst kommunalpolitisch aktiv. Am Dienstag sprach sie als Bundesinnenministerin auf dem DStGB-Kommunalkongress. Diese Themen will sie mit den Städten und Gemeinden anpacken.

Die Bundespolitik scheine vielen Menschen nicht nur weit weg, sie sei es auch manchmal. Das meint Nancy Faeser, immerhin selbst Bundesinnenministerin. Auf dem Kommunalkongress des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB) versprach sie Besserung. Man brauche „ein neues Selbstverständnis der Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen“, sagte sie. Auf Augenhöhe müsse das Verhältnis sein. Nur dann könne der Staat seine Aufgaben gut bewältigen.

In der Kommune entscheide sich Zusammenhalt

Faeser gehörte selbst fast 30 Jahre lang dem Kreistag des Main-Taunus-Kreises an. Daraus hat sie gelernt: Die Kommune sei der Ort der sozialen und politischen Teilhabe, hier entscheide sich, ob gesellschaftlicher Zusammenhalt gelingt. Wichtig sei, dass der Bund und das jeweilige Land die nötigen Rahmenbedingungen setzen. „Wir brauchen eine bessere Kooperation aller drei Ebenen“, meinte die SPD-Politikerin.

Konkret machte sie das an fünf Themen fest, die sie gemeinsam mit den Kommunen anpacken will: die Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine, der Kampf gegen Hass und Hetze, die Stärkung des Ländlichen Raums, Digitalisierung der Verwaltung und Katastrophenschutz.

Bund will bei Aufnahme von Geflüchteten unterstützen

870.000 Geflüchtete aus der Ukraine seien bereits in Deutschland registriert, hauptsächlich Frauen und Kinder, berichtete Faeser. Die kommunale Ebene trage bei der Aufnahme dieser Menschen eine der Hauptlasten. „Wir werden unterstützen, wo wir können“, versprach die Innenministerin. Damit bezog sie sich unter anderem auf Unterkünfte, Kita-Plätze oder Schulplätze. Sie habe bereits früh die Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden gesucht. Faeser verwies auch auf die App Germany4Ukraine, die den Geflüchteten Informationen zu Unterkünften, Integrationsbörsen oder medizinischer Versorgung bereitstellt.

Auf EU-Eben sei „etwas Historisches gelungen“, als die Richtlinie zum vorübergehenden Schutz der Ukraine-Geflüchteten einstimmig in Gang gesetzt worden sei, kommentierte die Ministerin. Wichtig sei auch eine – in Anführungszeichen – „gerechte Verteilung“ der Geflüchteten. Diese wüssten oft gar nicht, dass die Kommunen in Deutschland mit der Infrastruktur auch in der Fläche gut aufgestellt seien. Das sei in dieser Form in der Ukraine nicht selbstverständlich. Faeser merkte an, dass die Aufenthaltstitel digital beantragt werden könnten. Das sei ein „kleiner Ausblick, wo wir als neue Regierung hinwollen.“

Mit dem Rechtskreiswechsel vom Asylbewerberleistungsgesetz zum Sozialgesetzbuch II seien die Kommunen finanziell entlastet worden, ergänzte sie. Hier habe man schneller gehandelt als 2015. Man wolle zum Jahresende prüfen, ob das vom Bund bereitgestellte Geld für die Aufnahme der Geflüchteten ausreiche. Ausdrücklich lobte Faeser die Willkommenskultur, die viele Menschen an den Tag legten – in der Kommunalpolitik und anderen ehrenamtlichen Funktionen.

„Unsere Demokratie verteidigen“

Manche von ihnen geraten für ihr Engagement in die Kritik oder werden sogar bedroht und angefeindet. Hass und Gewalt hätten zugenommen, berichtete Faeser. „Ich meine, dass wir unsere Demokratie an dieser Stelle mehr als verteidigen müssen.“ Morddrohungen oder Fackelläufe bis zum Haus eines Bürgermeisters seien Straftaten. Sie wolle betroffenen Kommunalen zur Seite stehen, sie juristisch und mental unterstützen. Deshalb sei eine Allianz zum Schutz kommunaler Mandatsträger*innen ins Leben gerufen worden, die sie gemeinsam mit den Vertreter*innen aus den Städten und Gemeinden mit Leben füllen wolle. Die Grenzen des Rechtsstaates müssten auch im Internet aufgezeigt werden, fügte die Sozialdemokratin hinzu. Sie habe viel Kritik geerntet, weil sie hart gegen Telegram und Co. vorgegangen sei.

Eine weitere Herausforderung ist laut Faeser: Das Gefühl von Menschen im Ländlichen Raum, abgehängt zu sein, könne fatale Auswirkungen haben. Sie müssten den Staat als handlungsfähig erleben. „Deshalb ist es wichtig, gerade die Kommunen im ländlichen Raum zu stärken.“ Ein mögliches Modell könne Bayern sein, wo Universitäten dezentral angesiedelt worden seien. Das schaffe Arbeitsplätze und ziehe Infrastruktur nach sich. Und um eine bessere Verkehrsanbindung könne man sich ebenfalls aktiv kümmern, sagte Faeser.

Bei der Digitalisierung gebe es „noch Luft nach oben“, räumte die Innenministerin ein. Die Realität der Menschen sei aber längst digital und sie reagierten mit Unverständnis, wenn sie für einfache Leistungen noch auf die Ämter gehen müssten. Bis zum Ende dieses Jahres will Faeser 35 Verwaltungsdienstleistungen digitalisiert haben. Konkret nannte sie An- und Ummeldungen, aber auch Baugenehmigungen. Wenn diese digitalisiert würden, könne man auch die Verfahren sehr beschleunigen, meint Faeser.

Faeser will Katastrophenschutz fit machen

Den Zivil- und Katastrophenschutz will die Ministerin für die Zukunft neu ausrichten. Sie wolle mit der Reaktivierung des Sirenensystems weitermachen und die Alarmierung über das Handy verbessern. „Die Unwetterereignisse werden größer und darauf werden wir uns einstellen müssen“, prophezeite Faeser und nannte als Beispiele die Flut im Ahrtal oder aktuelle Waldbände in Brandenburg. Dort seien es vor allem Freiwillige Feuerwehren gewesen, die Brände gelöscht und Menschen gerettet hätten.

In Deutschland gebe es eine „sehr hysterische Debatte, wenn wir über Krisenbewältigung und -vorbereitung reden“, kritisierte Faeser. Hier brauche man einen anderen Umgang miteinander. Sie musste selbst Kritik einstecken, als sie ihrem Vorgänger de Maiziere in seiner Aussage zustimmte, die Bevölkerung solle Notvorräte anlegen. Konkrete Unterstützung will Faeser unter anderem mit dem Labor 5000 leisten, einem Zeltlager, das sich für schnelle Unterkünfte, aber auch als mobile Arztpraxis nutzen lässt. Das sei jedoch teuer, „daher muss es der Bund machen“.

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