Bertelsmann-Monitoring

Darum fehlen hunderttausende Kita-Plätze

Carl-Friedrich Höck20. Oktober 2022
Eine neu gebaute Kita in Berlin: Ohne qualifiziertes Personal kommt der Kita-Ausbau nicht voran.
Im kommenden Jahr fehlen etwa 384.000 Betreuungsplätze in Kitas, um den Bedarf der Eltern in Deutschland zu decken. Zu diesem Ergebnis kommt das Ländermonitoring „Frühkindliche Bildungssysteme“ der Bertelsmann-Stiftung. Fehlendes Geld sei nicht das Kernproblem.

Seit 2013 gilt in Deutschland ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr. Auch zehn Jahre danach ist der Kita-Ausbau nicht weit genug vorangeschritten, um den Bedarf der Eltern zu decken. Gemessen an ihren Wünschen fehlen im Jahr 2023 voraussichtlich 383.600 Plätze bundesweit. Der Großteil davon – nämlich 362.400 – entfällt auf die alten Bundesländer. Im Osten ist die Unterversorgung mit insgesamt 21.200 Plätzen vergleichsweise gering. Das geht aus Berechnungen für das Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme der Bertelsmann-Stiftung hervor.

Für das Monitoring wurden die Betreuungsquoten der Kita-Kinder im Jahr 2021 abgeglichen mit dem Anteil der Eltern, die im gleichen Jahr in der Kinderbetreuungsstudie des Deutschen Jugendinstituts (DJI) einen Betreuungsbedarf geäußert haben.

Es fehlen Fachkräfte

Um genügend Plätze bereitstellen zu können, müssten laut den Autor*innen des Monitorings 98.600 zusätzliche Fachkräfte eingestellt werden. Allein das würde zu Mehrkosten von 4,3 Milliarden Euro pro Jahr führen. Wenn zugleich auch die Qualität der Betreuung verbessert werden soll, sodass die wissenschaftlich empfohlenen Betreuungsschlüssel eingehalten werden, müssten sogar 308.800 Fachkräfte zusätzlich beschäftigt werden. Dafür müsste der Staat 13,8 Milliarden Euro mehr pro Jahr aufwenden. Nicht mit eingerechnet sind die Bau- und Betriebskosten für die benötigten Kitas. Zum Vergleich: Mit dem neuen Kita-Qualitätsgesetz stellt der Bund den Ländern in den Jahren 2023 und 2024 jeweils zwei Milliarden Euro mehr zur Verfügung, um die Betreuungsqualität zu verbessern.

Fehlendes Geld ist aus Sicht der Autor*innen jedoch nicht das größte Problem. Die größte Hürde sei der enorme Fachkräftemangel, sagt Bertelsmann-Expertin Anette Stein. Sie fordert von der Politik eine verbindliche Strategie, um qualifiziertes Personal zu gewinnen. Stein verweist auf die Wechselwirkungen: „Mit mehr Personal verbessern sich die Arbeitsbedingungen für alle. Damit steigen die Chancen, dass sich mehr Menschen für die Arbeit in einer Kita entscheiden, und zugleich die vorhandenen Fachkräfte im Beruf verbleiben.“

Städte fordern Fachkräfte-Initiative für Kitas

Hinter diese Forderung stellt sich auch der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages Helmut Dedy in einem Statement. Die Städte hätten in den vergangenen Jahren viel Kraft in bessere Kinderbetreuung und die Ausbildung von pädagogischen Fachkräften gesteckt. „Es fehlt aber immer noch eine wirkungsvolle Fachkräfte-Initiative von Bund und Ländern. Es ist höchste Zeit, dass hier endlich mehr passiert.“ Dedy drängt auf mehr Plätze in den Fachschulen und auf Ausbildungsgehälter für die angehenden Erzieher*innen in allen Bundesländern. Die Länder müssten die Ausbildungskapazitäten massiv ausbauen. „Schon jetzt können manche Kitas freie Betreuungsplätze nicht anbieten, weil das Personal fehlt. Ohne diese neuen Fachkräfte können die Qualitätsanforderungen und der steigende Betreuungsbedarf nicht erfüllt werden“, sagt Dedy.

Benötigt würden auch zusätzliche Räume und neue Einrichtungen. Auch hier sieht Dedy Handlungsbedarf: „Der Druck ist groß, denn der Bauwirtschaft fehlen Fachkräfte und Material und die Preise explodieren. Das erschwert den Ausbau der Kinderbetreuung zusätzlich.“

Eine qualitativ hochwertige Erziehung, Bildung und Betreuung sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die Kommunen können das nicht allein schultern, so der Städtetags-Hauptgeschäftsführer. Die Finanzierung der Kinderbetreuung müsse mit Bund und Ländern neu verhandelt werden. „Im Jahr 2020 wurden rund 40 Milliarden Euro für die Kindertagesbetreuung aufgewendet. Und die Ausgaben steigen stetig, jedes Jahr um 10 Prozent. Wir sehen aber, dass das nicht reicht.“

Mehr Informationen:
bertelsmann-stiftung.de

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