Drohungen gegen Kommunalpolitiker

Warum Filmen bei Stadtratssitzungen in Zwickau verboten ist

Harald Lachmann08. Februar 2017
Das Zwickauer Rathaus bei Nacht. In der Stadt gilt eine neue Besucherordnung für Ratssitzungen, welche das Filmen verbietet. So soll Störungen der Ratsdebatten vorgebeugt werden.
Anfeindungen bis hin zu Morddrohungen gegen couragierte Kommunalpolitiker häufen sich. Gegenwärtig steht Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert deswegen unter Polizeischutz. Teilweise werden Rathauschefs aber auch bei öffentlichen Auftritten gefilmt und die Videos dann mit bösen Kommentaren ins Internet gestellt. Im sächsischen Zwickau gilt deshalb nun ein Mitschneideverbot bei Stadtratssitzungen

Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert steht derzeit unter Polizeischutz. Grund sind Morddrohungen, denen sich der FDP-Politiker seit Tagen ausgesetzt sieht. Denn im Vorfeld des 72. Jahrestages der Zerstörung Dresdens durch alliierte Bomber hatte er vor einem „Opfermythos“ gewarnt. In den letzten Jahren nutzten vor allem rechte Protestierer diesen 13. Februar immer wieder zu fremdenfeindlichen Aufmärschen

Massive Bedrohungen in Freital, Bernau und Bocholt

Hilbert ist kein Einzelfall. Immer wieder werden Kommunalpolitiker massiv bedroht, wenn sie Zivilcourage zeigen. Das geschah im Jahr 2015 etwa den Rathauschefs im sächsischen Freital und im brandenburgischen Bernau im Zusammenhang mit neuen Asylheimen, aber auch im Jahr 2016 dem Bürgermeister Peter Nebelo (SPD) im westfälischen Bocholt, als er höhere Grundsteuerern plante. Der SPD-Chef der Stadt, Thomas Purwin, ist wegen massiver Drohungen auch gegen seine Familie im Dezember 2016 zurückgetreten.

Ebenfalls aus der Bedrohung von Oberbürgermeisterin Pia Findeiß (SPD) rührt eine neue Besucherordnung für die Stadtratssitzungen im Zwickauer Bürgersaal. Verboten sind nunmehr jegliche Ton- und Filmaufnahmen von den Diskussionsreden. Um die Maßgabe durchzusetzen, rüstete Sachsens viertgrößte Kommune zugleich im Ordnungsamt auf: Acht Bedienstete sorgen nun permanent dafür, dass nicht doch jemand verstohlen mit dem Smartphone filmt.

Videos mit hämischen Kommentaren im Netz

Den Anlass für die neue Regelung lieferte ein Vorfall im Herbst: Nach Rangeleien auf der Besuchertribüne, bei denen sich verschiedene Gruppen mit politischen Botschaften attackierten, schlug ein Mann einem anderen die Faust ins Gesicht. Findeiß verwies ihn daraufhin des Saales und rief, als sich der Angreifer sperrte, die Polizei. Die trug ihn daraufhin recht ruppig aus dem Saal – gefolgt von der kompletten protestierenden AfD-Fraktion.

Einige Szenen dieser Tumulte fanden sich danach prompt im Internet wieder. Und es waren nicht die ersten dieser Art. Schon seit einiger Zeit hat sich eine Gruppe aus dem rechten politischen Spektrum der Region auf die SPD-Politikerin eingeschossen. Immer wieder stellt ein YouTube-Kanal namens „Indy Presse TV Zwickau“ Videos ins Netz, um Findeiß‘ Arbeit aber auch die anderer Kommunalpolitiker mit hämischen Kommentaren zu diskreditieren.

Über Verbote hinweggesetzt

Auch in anderen westsächsischen Kommunen gibt es Vorkommnisse. Die Leute rufen in den Ratsdebatten teils rüde dazwischen, filmen Redner ohne deren Einwilligung und stellen die Mitschnitte immer wieder ins Netz. „Dabei seien Aufnahmen bei den Sitzungen grundsätzlich untersagt“, betont etwa Hendric Freund (parteilos), Bürgermeister von Mülsen. So rief er ebenso die Polizei. Die kam auch, blieb aber untätig. Ähnlich war es bei einem Stadtrundgang von Findeiß, bei dem sie Fotografen bedrängten. Als deswegen Polizisten angefordert wurden, verweigerten die Beamten das Unterbinden der Filmaufnahmen, da ja „kein Straftatverdacht einer Körperverletzung“ vorläge, wie die regionale Tageszeitung berichtete. Man nahm nur die Personalien der Störer auf.

Inzwischen wird unter Experten jedoch diskutiert, ob man dieses Filmen nicht auch unter Gewaltanwendung einstufen kann. Alexander Bosch von Amnesty International sieht darin zumindest eine „gezielte Strategie“, um Macht zu demonstrieren und zugleich Angst und Unsicherheit unter den Abgeordneten zu verbreiten. Bei Pia Findeiß ging die Gruppe indes noch deutlich weiter: Man stellte Bilder ihres Wohnhauses ins Internet, verschmutzte die Fassade mit Farbbeuteln, verklebte das Haustürschloss, beschmierte ihr Auto. Daneben gab es immer wieder anonyme Drohungen – bis hin zu einer fingierten Todesanzeige.

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