Sozialkosten und Corona-Hilfen

Finanzielle Entlastung der Kommunen ist beschlossen

Carl-Friedrich Höck18. September 2020
Plenum des Deutschen Bundestages (Archivbild)
Bundestag und Bundesrat haben eine Grundgesetzänderung beschlossen. Nun kann der Bund den Kommunen helfen, indem er einen höheren Anteil der Sozialkosten übernimmt und gemeinsam mit den Ländern kommunale Gewerbesteuer-Ausfälle ersetzt. Es geht um Milliarden.

Beide Hürden waren innerhalb weniger Stunden genommen: Am späten Donnerstagabend hat der Bundestag beschlossen, das Grundgesetz zu ändern. Das ist nötig, damit der Bund den Kommunen aus ihrer Finanznot helfen kann. Am Freitagmorgen stimmte auch der Bundesrat dem Gesetzespaket zu, für das die SPD sich besonders eingesetzt hat, um in Zeiten der Corona-Pandemie einen Rettungsschirm für Kommunen zu spannen.

Entlastung bei den Sozialausgaben

Die Verfassungsänderung soll es dem Bund ermöglichen, einen höheren Anteil an den Sozialkosten zu übernehmen. Konkret geht es um die Leistungen für Unterkunft und Heizung in der Grundsicherung für Arbeitssuchende. Bisher übernimmt der Bund rund 49 Prozent dieser Ausgaben, in Zukunft sollen es bis zu 74 Prozent sein. Theoretisch wäre das auch jetzt schon möglich, nur würde dann die sogenannte Bundesauftragsverwaltung eintreten. Das bedeutet: Der Bund bekäme weitreichende Aufsichtsbefugnisse, die Kompetenzen der Kommunen würden beschnitten. Um das zu verhindern muss das Grundgesetz angepasst werden – der Artikel 104a Absatz 3 wird entsprechend ergänzt.

Der SPD-Abgeordnete Bernhard Daldrup im Bundestag

Den Bund wird die Neuregelung etwa 3,4 Milliarden Euro jährlich kosten. Für die Kommunen sei das eine „massive Hilfe“, sagte der SPD-Abgeordnete Bernhard Daldrup im Bundestag. Er rechnete vor: Allein die Stadt Essen werde so um 50 bis 60 Millionen Euro pro Jahr entlastet.

Steuerausfälle werden ausgeglichen

Außerdem bekommt das Grundgesetz einen neuen Artikel 103h – der aber Ende des Jahres auch schon wieder gestrichen wird. Der Hintergrund: Den Kommunen sind wegen der Corona-Krise hohe Gewerbesteuer-Ausfälle entstanden. Diese entgangenen Steuereinnahmen wollen Bund und Länder den Kommunen einmalig ersetzen.

Dabei geht es um einen pauschalen Betrag von 11,8 Milliarden Euro, wovon der Bund rund sechs Milliarden übernehmen wird. Zum Vergleich: Die jüngste Steuerschätzung vom September sagt für 2020 Gewerbesteuereinnahmen von 42,3 Milliarden Euro voraus. Das sind etwa 12,4 Milliarden weniger als vor der Corona-Krise prognostiziert worden waren.

Scholz will bei Corona-Krise gegenhalten

Bundesfinanzminister Olaf Scholz erklärte in der Bundesratsdebatte, er wolle sicherstellen, dass der Staat seine Investitionen in der Corona-Krise nicht zurückfährt. Es sei nicht sinnvoll, wenn Bund und Länder Konjunkturprogramme gegen die Krise auflegen und dann zusehen, wie die Kommunen ihre Investitionen zusammenstreichen.

Den Grundgesetzänderungen stimmten neben den SPD und Union auch Grüne, FDP und Linke zu. Der Bundesrat gab ebenfalls grünes Licht, hier fiel die Entscheidung einstimmig aus.

Städte und Gemeinden: Verluste auch bei Einkommenssteuer

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund lobt die geplanten Hilfen, um die kommunale Handlungsfähigkeit in der Corona-Krise zu wahren. In einem Statement fordert der Verband jedoch weitere Schritte: Auch bei anderen gemeindlichen Steuerquellen müssten die Steuerausfälle kompensiert werden, vor allem beim kommunalen Einkommenssteueranteil. Zudem mahnen die Städte und Gemeinden zur Eile: „Die Kompensation für die coronabedingten Mindereinnahmen und die Entlastung für die Kommunen bei den Kosten der Unterkunft müssen noch in diesem Jahr in den kommunalen Kassen ankommen.“

Offen ist, wie es ab dem kommenden Jahr weitergeht. Der DStGB fordert auch für 2021 und 2022 Kompensationsleistungen von Bund und Ländern, um die coronabedingten Ausfälle auszugleichen. „Gerade jetzt müssen kommunale Investitionen auf einem hohen Niveau gesichert werden und es darf nicht gegen die Wirtschaftskrise angespart werden“, betont der kommunale Spitzenverband.

Auch im nächsten Jahr fehlt den Kommunen Geld

Zwar rechnen die Steuerschätzer*innen für 2021 mit Gesamteinnahmen der Gemeinden von 113 Milliarden Euro – gegenüber 103,5 Milliarden in diesem Jahr wäre das ein deutlicher Anstieg. Doch das seien immer noch 8,9 Milliarden Euro weniger als vor der Corona-Krise angenommen, rechnet der Deutsche Städtetag vor. Allein bei der Gewerbesteuer werden den Kommunen 2021 wohl wieder 6,6 Milliarden Euro in den Kassen fehlen, verglichen mit den Erwartungen vor Corona. Für die Planungssicherheit der Städte und Gemeinden ist das ein ernstzunehmendes Problem.

Dass die Grundgesetzänderung es dem Bund trotzdem nur in diesem Jahr erlaubt, den Kommunen Steuerausfälle zu erstatten, ist mit der Eilbedürftigkeit der Gesetze zu erklären. Schließlich musste die Regierungskoalition sich nicht nur zügig einig werden. Sie war auch noch auf Stimmen der Opposition angewiesen, um die Grundgesetzänderungen durch das Parlament zu bekommen. Insbesondere die FDP ließ erkennen, dass sie gegen eine längerfristige Regelung Vorbehalte hat. Die Folge: Voraussichtlich wird der Bundestag sich in einigen Monaten erneut mit den Kommunalfinanzen befassen müssen.

 

Mehr Informationen:
bundestag.de

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