Flüchtlingsintegration

Wie Flüchtlinge in den Arbeitmarkt finden

Karin Billanitsch16. Dezember 2016
Flüchtlinge nehmen an einem Kurs der freien Universität Berlin teil.
Der Bund bietet verschiedene Programme zur Sprachförderung und beruflichen Qualifizierung von Flüchtlingen. Vertreter von Bildungsträgern kritisieren mangelnde Koordination und Abstimmung.

Wer auf eine schnelle Integration der Flüchtlinge hofft – 300.000 sind es in diesem Jahr bisher – der wird enttäuscht werden, macht Simone Solka vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) deutlich: „Nach allen Forschungen, die wir kennen, dauert Integration über fünf Jahre, nicht zwei bis drei Jahre.“ Und setzte nach: „Ohne Erlernen der deutschen Sprache wird Integration nicht gelingen.“ Bei der von mehreren Bildungsverbänden organisierten Tagung „Sprache – Qualifizierung – Beschäftigung: Flüchtlingsintegration auf dem richtigen Weg?“ in Berlin sollte eine erste Bilanz gezogen werden über Integrationsansätze, die Sprache, Qualifikation und Arbeit betreffen.

IAB-Studie: Flüchtlinge haben hohe Bildungsorientierung

Simone Solka zitierte aus der neuen Studie zur Lage der Flüchtlinge, die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und das mit der Bundesagentur für Arbeit verbundene Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg zusammen mit dem SOEP des Berliner Wirtschaftsforschungsinstituts DIW Mitte November vorgestellt hatte. Dabei wurde auch nach dem Bildungshintergrund der Flüchtlinge gefragt: Rund zwei Drittel der erwachsenen Geflüchteten haben in ihren Herkunftsländern zehn Jahre und mehr in Schule, Ausbildung und Studium verbracht, im Vergleich zu 88 Prozent bei der deutschen Wohnbevölkerung.

46 Prozent der erwachsenen Geflüchteten streben noch einen allgemeinbildenden Schulabschluss in Deutschland an, 66 Prozent einen beruflichen Abschluss. „Für uns war besonders interessant, dass zwei Drittel jener, die keine Abschlüsse haben, diese nachholen wollen, also nicht nur Helfertätigkeiten anstreben,“, sagte Solka. Drei Viertel der Angekommenen haben demnach eine Berufserfahrung von über sechs Jahren – aber eben nicht die formale Qualifikation vorzuweisen. Sie räumte aber auch ein, dass hier noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden muss. Teilnehmer berichteten von ihren Erfahrungen, dass die Flüchtlinge „nicht verstehen, wozu man drei Jahre braucht, um sich auszubilden.“ Die Flüchtlinge wollten gleich arbeiten, weil sie noch die teuren Schlepper finanzieren müssten oder die Familie unterstützen, berichteten Teilnehmer. 

Weiterentwicklung von Sprach- und Integrationskursen

Erfolg verspricht sich das Ministerium von einer berufsbezogenen Sprachförderung: 200.000 Teilnehmerplätze soll es im Jahr 2017 geben – 100.000 waren es 2016. Beim Erlass der „Verordnung über berufsbezogene Sprachförderung“ im Juli 2016 hatte Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles gesagt, „Ziel bleibt eine systematische, aufeinander aufbauende Sprachförderung, die mit der Ausbildungs- und Arbeitsmarktintegration Hand in Hand geht.“

Darüber hinaus gibt es seit August 2016 von der Bundesagentur für Arbeit und BAMF entwickelte Kombi-Kurse aus Integrationskursen und Berufsvorbereitung. Bei „KompAS“, („Kompetenzfeststellung, frühzeitige Aktivierung und Spracherwerb“). so das Ziel, soll der Spracherwerb mit berufsqualifizierenden Maßnahmen (nach §45 SGBIII) verbunden werden, die an den Arbeitsmarkt heranführen sollen. Dies bedeutet, dass beispielsweise vormittags der allgemeine Integrationskurs und nachmittags eine Maßnahme der Arbeitsförderung besucht werden. Doch in der Praxis funktioniert das Nebeneinander nicht immer reibungslos. „KompAS“ ist laut Teilnehmern in einigen Regionen nicht ausgelastet, in anderen, wie etwa in hamburg, laufe es gut.

Auf Nachfrage der DEMO bei der Bundesagentur für Arbeit räumt ein Presseprecher ein, dass „wir im August durch die kurze Einführungsfrist noch nicht alle Plätze wie geplant besetzen konnten“.,doch nun laufe die Besetzung der Kurse jetzt zügig. „Derzeit sind 35.250 Teilnehmer in den eingekauften Maßnahmen. Bis zum Jahresende dürften rund 40.000 Eintritte realisiert werden, so der Sprecher. Zusätzlich zu den geflüchteten Menschen könnten auch berechtigte EU-Bürger (z.B. Bulgaren und Rumänen) an den Maßnahmen teilnehmen, bisher gebe es jedoch nur vereinzelte Eintritte. Mittlerweile erlebe die Maßnahme „durch die Mund-zu-Mund-Propaganda zur prioritären Bearbeitung von Integrationskurs-Anträgen eine hohe Nachfrage.“

Experten sehen Verbesserungsbedarf

„Wir sind auf dem richtigen Weg. Doch es gibt noch Verbesserungsbedarf bei der Verzahnung verschiedener Rechtsinstrumente“, sagte Thiemo Fojkar vom Bundesverband der Träger beruflicher Bildung, während der Tagung in Berlin. Auch Dietmar Schlömp vom Verband deutscher Privatschulen (VDP) sieht, dass sich viel getan habe. „Es gibt eine große Vielfalt an Regelungen, die aber nicht immer abgestimmt ist.“ Thiemo Fojkar spricht von einem „Maßnahmendschungel, dass es schwierig ist, die richtigen Teilnehmer für die richtigen Angebote zu finden.“ Schlömp stellt in diesem Zusammenhang die Frage, inwieweit „ein Integrationsministerium sinnvoll sein könnte, um eine Gesamtkoordination herbeizuführen.“

Während der Tagung zeigte sich deutlich, dass Handlungsbedarf auch bei Anerkennung von Bildungsabschlüssen, die noch immer – je nach Einzelfall – lange dauerten. Als problematisch empfinden einige der Teilnehmer auch, dass die meisten Fördermaßnahmen bisher auf Asylbewerber mit einer hohen Schutzquote beschränkt (Eritrea, Irak, Iran und Syrien) sind. Was ist aber mit Flüchtlingen, etwa aus Afghanistan, die auch unter Umständen länger in Deutschland bleiben werden, fragt eine Teilnehmerin aus dem Publikum.

„Neue Erstorientierungskurse“

Darauf hat Regina Jordan, Abteilungsleiterin Integration vom BAMF eine Replik: In 13 Bundesländern werde es so genannte Erstorientierungskurse geben. Das Angebot richtet sich laut Jordan in erster Linie an Personen mit unklarer Bleibeperspektive, die nicht aus sicheren Herkunftsländern stammen. Sie sollen das Einleben im deutschen Alltag erleichtern, landeskundliches Wissen und Deutschkenntnisse für den Alltag vermitteln, so Jordan.

Nicht zuletzt fassten Hans-Peter Eich von der BAG Arbeit und Jochen Pfisterer vom Evangelischen Fachverband für Arbeit und soziale Integration e.V. (EFAS) die Ergebnisse zusammen, und forderten, die beruflichen Bildungsträger künftig bereits im Vorfeld neuer Gesetze und Verordnungen zu beteiligen. Auch müssten das BMAS und das im Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums liegende BAMF besser zusammenarbeiten.

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