Einigung mit den 16 Ländern

Flüchtlingsgipfel: Bund stellt eine Milliarde zusätzlich bereit

Carl-Friedrich Höck10. Mai 2023
Zähe Verhandlungen: Bundeskanzler Olaf Scholz und Innenministerin Nancy Faeser am Mittwoch am Rande der Beratungen mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder.
Bund und Länder haben sich auf einen Beschluss zur gemeinsamen Flüchtlingspolitik verständigt. In diesem Jahr unterstützt der Bund die Kommunen mit einer weiteren Milliarde Euro. Doch eine wichtige Frage wurde vertagt.

„Das waren die schwierigen Gespräche, die alle im Vorfeld erwartet hatten“, sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) am Mittwochabend. Mehr als sieben Stunden lang hatten die Länderchef*innen da gerade mit der Bundesregierung beraten. Heraus kam ein gemeinsames Beschlusspapier, das Weil gemeinsam mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) der Presse präsentieren konnte.

Flüchtlings-Pauschale wird aufgestockt

Die Vereinbarung sieht vor, dass der Bund die Flüchtlingspauschale an die Länder im Jahr 2023 um eine zusätzliche Milliarde Euro erhöht. Die Länder sollen das Geld nutzen, um ihre Kommunen zu entlasten und die Digitalisierung der Ausländerbehörden zu finanzieren. Bisher hatte der Bund pauschale Mittel von 2,75 Milliarden Euro zugesagt. Dieser Betrag wird nun deutlich aufgestockt. Damit ist der Bund-Länder-Konflikt jedoch noch nicht beigelegt.

Denn die Bundesländer hatten ursprünglich gefordert, zu einem sogenannten „atmenden System“ zurückzukehren: Anstatt fester Pauschalen solle der Bund eine finanzielle Unterstützung leisten, die sich dynamisch an der tatsächlichen Zahl der Geflüchteten orientiert. Der Bund lehnt das bisher ab. Er verweist zum einen auf die angespannte Haushaltslage, zum anderen vertritt die Bundesregierung die Auffassung, dass es bereits ein atmendes System gebe. Scholz verweist zum Beispiel darauf, dass der Bund seinen Anteil an den Unterkunftskosten für Geflüchtete, die Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) beziehen, mehrfach gesteigert habe. Auch damit werden die Kommunen finanziell entlastet.

Fahrplan für Verhandlungen

Wie die Finanzierung flüchtlingsbedingter Kosten dauerhaft neu geregelt werden kann, wollen Scholz und die Ministerpräsident*innen nun bei ihrem Treffen im November 2023 entscheiden. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe soll die Entscheidung vorbereiten. Im Juni wollen beide Seiten bereits über den Zwischenstand beraten.

Scholz zeigte sich mit dem Kompromiss zufrieden. Es sei ein guter Tag für den deutschen Föderalismus, sagte er nach dem Treffen. Stephan Weil stimmte zu: „Das war aus meiner Sicht die Mühe wert.“ Und Hendrik Wüst sprach von einem ersten Schritt, den man gemacht habe – nun habe man einen klaren Fahrplan.

Neben den finanziellen Fragen haben Bund und Länder eine Reihe weiterer flüchtlingspolitischer Maßnahmen vereinbart. Diese waren deutlich weniger strittig.

Schnellere Verfahren, bessere Steuerung der Migration

Die gemeinsamen Grundprinzipien: Der Zuzug von Geflüchteten soll stärker gesteuert werden. Es soll möglichst früh erfasst werden, wie viele Menschen nach Deutschland kommen und welchen Status sie haben. Asylverfahren sollen vereinfacht, beschleunigt und die administrativen Prozesse weiter digitalisiert werden. Menschen ohne Bleibeberechtigung sollen konsequenter abgeschoben werden – besonders schnell soll es bei Straftäter*innen gehen. Gleichzeitig bekennen sich Bund und Länder dazu, „eine angemessene Unterbringung, Betreuung und Integration der Geflüchteten zu gewährleisten“.

Konkret wurde zum Beispiel vereinbart, dass die Bundesregierung sich auf europäischer Ebene für ein solidarisches Verteilungssystem einsetzen soll. Bei der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) sollen verpflichtende Grenzverfahren für bestimmte Personengruppen eingeführt werden. Das heißt: Menschen mit geringen Chancen auf Asyl sollen bereits an der EU-Außengrenze ein schnelles Verfahren durchlaufen.

Die EU-Beitrittskandidaten Georgien und Moldau sollen als sichere Herkunftsstaaten eingestuft werden. Mit weiteren Staaten soll die Bundesregierung Kooperationen eingehen, damit sie ihre Staatsbürger*innen, die in Deutschland kein Bleiberecht haben, zurücknehmen.

Erstaufnahmeeinrichtungen werden ausgebaut

Für Asylverfahren streben Bund und Länder an, dass die Asylsuchenden binnen zwei Wochen einen Antrag beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) stellen können. Innerhalb von vier Wochen sollen sie dort angehört werden. In dieser Zeit sollen die Antragstellenden nicht auf die Kommunen verteilt werden, sondern in den Erstaufnahmeeinrichtungen der Länder verbleiben. Die Kapazitäten dieser Einrichtungen wollen die Länder ausbauen.

Die bundeseigene Immobilienanstalt BImA soll weiterhin Liegenschaften mietfrei den Kommunen überlassen. Weil zusätzliche Flüchtlingsunterkünfte, soziale Einrichtungen, Kitas und Schulen dringend benötigt werden, sollen die bau- und vergaberechtlichen Regelungen hierfür zeitnah gelockert werden.

Mehr Informationen:
Das Beschlusspapier können Sie hier im Original lesen.

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