Überschwemmungsgebiete

Wenn die Flut kommt

Ulf Buschmann14. Oktober 2022
Die Flutschäden in der Eifel und im Ahrtal sind bis heute nicht vollständig beseitigt. Gebaut wird dort zum Teil auf eigenes Risiko.
Bauen in ausgewiesenen Überschwemmungsgebieten ist laut Wasserhaushaltsgesetz grundsätzlich verboten. Das letzte Wort haben die Kommunen.

Plötzlich war es da. Die sonst so beschaulich dahinplätschernde, idyllische Ahr verwandelte sich im Sommer 2021 in einen reißenden Strom. Der zerstörte Häuser und Brücken und ebenso die Infrastruktur. Die betroffenen Menschen stehen seitdem vielfach noch heute vor dem Nichts. Derweil läuft der Wiederaufbau eher schleppend, wie ­eine Anhörung im Bundestag Anfang Juli ­gezeigt hat. Die Überschwemmungs­katastrophe im Ahrtal zeigt, wie unberechenbar Naturgewalten sind. Zwar galten der Fluss und seine Uferzonen vor dem Klimawandel nicht als Überschwemmungsgebiet, doch die Menschen sind eines Besseren belehrt worden.

Hochwasser-Risiken gibt es vielerorts

In Deutschland gibt es zahlreiche Überschwemmungs- und Sturmflutgebiete. Wer dort zum Beispiel ein Haus baut, müsse sich der damit einhergehenden Risiken bewusst sein, warnen Fachleute. Hochwasserschutz müsse deshalb Bestandteil einer jeden Bauplanung sein. Vor allem aber heißt es für die Städte und Gemeinden mit ihren jeweils zuständigen Genehmigungsbehörden, darauf zu achten, dass die Vorgaben des Wasserhaushaltsgesetzes eingehalten werden. Dieses definiert in Paragraf 76 Überschwemmungsgebiete.

In Absatz 1 heißt es: „Überschwemmungsgebiete sind Gebiete zwischen oberirdischen Gewässern und Deichen oder Hochufern und sonstige Gebiete, die bei Hochwasser eines oberirdischen Gewässers überschwemmt oder durchflossen oder die für Hochwasserentlastung oder Rückhaltung beansprucht werden. Dies gilt nicht für Gebiete, die überwiegend von den Gezeiten beeinflusst sind, soweit durch Landesrecht nichts anderes bestimmt ist.“

Auch Grundbesitzer in der Verantwortung

Dies hat für Grundbesitzer weitreichende Folgen, denn sie dürfen ihr Eigentum nicht frei gestalten. Verboten sind beispielsweise die Errichtung von Wällen oder Mauern quer zur Fließrichtung des Wassers. Auch die Erhöhung oder Vertiefung der Erdoberfläche fällt aus. Das heißt: Hier eine Kuhle buddeln oder einen Erdhaufen anzulegen, ist verboten. Selbst die Umwandlung von Grünland in Ackerland darf kein Grundbesitzer vornehmen.

Es gibt jedoch laut Wasserhaushaltsgesetz Ausnahmen. Demnach darf etwa in Überschwemmungsgebieten gebaut werden, wenn sonst keine weitere Siedlungsentwicklung möglich ist oder an ein bestehendes Baugebiet angeknüpft wird. Die Entscheidung darüber obliegt am Ende den Kommunen als sogenannte Träger der Planungshoheit. Und diese kann sehr unterschiedlich ausfallen. Dies hat sowohl mit den Ermessensspielräumen als auch mit den jeweiligen Risikobewertungen beziehungsweise den Gegebenheiten vor Ort zu tun.

So teilt der ostfriesische, sozialdemokratisch geführte Landkreis Wittmund mit, dass die gesetzlichen Vorgaben sehr streng ausgelegt werden. „In Überschwemmungsgebieten werden keine Genehmigungen erteilt“, sagt Sprecher Ralf Klöker. Dies betreffe unter anderem die Ems und die Weser. Und: „Spätestens nach Überschwemmungen im Bereich der Oder und der Elbe und den daraus resultierenden Folgen, dürfen Gemeinden in der Regel keine Bauleitplanung für Häuserbau in Überschwemmungsgebieten durchführen.“

Trotz Fluterfahrung wird an der Oder gebaut

Anders sieht es im Landkreis Märkisch-Oderland aus. Dieser hatte im Jahr 1997 mit der bislang größten durch die Oder verursachten Flut zu kämpfen. Das gesamte Oderbruch als Binnendelta stand nach mehreren Deichbrüchen unter Wasser. Die Schäden werden auf rund 330 Millionen in Deutschland sowie 3,8 Milliarden Euro in Polen und Tschechien geschätzt – in beiden Ländern kamen 54 beziehungsweise 20 Menschen ums Leben.
Trotzdem fühlen sich die Menschen im Landkreis Märkisch-Oderland sicher. Sie „kennen ihre Oder und wissen um mögliche Gefahren. Derzeit wird die als normal eingestuft. In die Hochwasserschutzanlagen wurde in den vergangenen 30 Jahren viel investiert. Wodurch das Bruch heute so sicher wie nie zuvor ist“, teilt eine ­Sprecherin mit. Die gesetzlichen Ermessensspielräume würden entsprechend „großzügig ausgelegt“. Und: „Die Kommunen im Oderbruch weisen in der Region ebenfalls neue Baugebiete aus.“

Die Standfestigkeit und der Schutz durch die Deiche ist auch im Landkreis Wittmund ein Thema, wie an der gesamten Nordseeküste. Angesichts der Klimakrise rechnen Experten damit, dass sich der Meeresspiegel erhöhen wird. Deshalb haben die Länder Bremen und Niedersachsen schon vor mehr als zehn Jahren ihren gemeinsamen „Generalplan Küstenschutz“ beschlossen. Dessen zentraler ­Inhalt ist die Erhöhung der Deiche.

Vom Spatenrecht zum NDG

Zum Schutz der Menschen galt einst das sogenannte Spatenrecht: „Keen nich will dieken, de mutt wieken!“ Auch Hochdeutsch: „Wer nicht will deichen, der muss weichen.“ Wer nicht am Deich ­mitbaute, musste seine Hofstelle auf­geben. Inzwischen gilt jedoch auch für den Landkreis Wittmund und die anderen Gemeinden das Niedersächsische Deichgesetz (NDG).

Darin beziehungsweise in Paragraf 16 ist festgelegt, dass in einer 50 Meter ­breiten Schutzzone hinterm Deich in der Regel nicht gebaut werden darf. Auch im Deichvorland darf nicht gebaut werden. Dies regelt Paragraf 21 des NDG. Die Durchsetzung dieser Vorschrift obliegt den Landkreisen. „Eine Besonderheit besteht in den Häfen und Werften. Hier sind hafenaffine Nutzungen zulässig und Bauleitplanung ist möglich. Aber nicht für Wohnnutzungen“, sagt Landkreis-­Sprecher Klöker.

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