Bundesparteitag

Das fordert die SPD für die Kommunen

Carl-Friedrich Höck10. Dezember 2019
Die Beschlüsse des SPD-Bundesparteitages betreffen auch die kommunale Ebene.
Die SPD hat auf ihrem Bundesparteitag in Berlin ihr politisches Profil geschärft. In den Beschlüssen spielen die Städte, Landkreise und Gemeinden eine wichtige Rolle. Eine Übersicht über die wichtigsten Forderungen.

Der SPD-Bundesparteitag am vergangenen Wochenende war richtungsweisend. Die Delegierten haben zwei neue Vorsitzende gewählt und sie beauftragt, Gespräche mit der Union über neue politische Vorhaben aufnehmen.

Weniger im Schweinwerferlicht der Medien standen die zahlreichen Beschlüsse, mit denen die Partei sich programmatisch für die kommenden Jahre aufgestellt hat. Dabei sind die Forderungen – darunter ein neues Sozialstaatskonzept – durchaus bemerkenswert. Auch aus Sicht der Kommunen haben die Beschlüsse einiges zu bieten. Eine Übersicht:

Arbeit und Soziales

Die SPD will Hartz IV „überwinden” und ein Bürgergeld einführen. Die Partei regiert auch auf das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zu Hartz-IV-Sanktionen: Es wird begrüßt. Sanktionen von mehr als 30 Prozent lehnen die Sozialdemokraten ab und legen als Grundsatz fest: „Das sozioökonomische und soziokulturelle Existenzminimum muss jederzeit gesichert sein.“ Gibt es zwischen einem Arbeitssuchenden und dem Jobcenter Meinungsverschiedenheiten, soll künftig eine neutrale Ombudsstelle eingeschaltet werden. (Mehr zum Sozialstaatskonzept der SPD: vorwärts.de)

Verkehr und Klimaschutz

Das 365-Ticket für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) soll nach dem Willen der SPD nicht nur ein Modellprojekt bleiben. „Ziel sollte sein, dass jede und jeder im Besitz eines Allround-Abos ist, das die Nutzung aller öffentlichen Nahverkehrs-, Sharing- und Poolingdienste deutschlandweit in jeder Region und Kommune erlaubt“, heißt es in einem Parteitagsbeschluss.

Das Fahrrad soll „für kurze Strecken Verkehrsmittel Nummer eins werden“. Für Radwege und Abstellflächen sollen auch Autoparkplätze weichen.

Die SPD will die Rolle der kommunalen Stadtwerke bei der Energiewende stärken und die Energieversorgung ökologischer und dezentraler gestalten. Um den ins Stocken geratenen Ausbau der Windenergie wieder voranzutreiben, fordert die SPD einen „kommunalen Windbonus“. Die Kommunen würden dann finanziell beteiligt, wenn Windräder aufgestellt werden – vor allem dann, wenn sie einwilligen, dass die geltenden Abstandsregeln unterschritten werden.

Bauen und Wohnen

Die SPD will ein 10-Jahres-Programm „Neues Soziales Wohnen“ auflegen. Mindestens 1,5 Millionen neue und bezahlbare Wohnungen sollen aus diesem Programm gefördert werden. Kommunen sollen mit einem Ankauffonds in die Lage versetzt werden, Grundstücke für sozialen Wohnungsbau und soziale Infrastruktur zu erwerben.

Das kommunale Vorkaufsrecht soll erweitert werden. In allen Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt möchte die SPD „ein allgemeines kommunales Vorkaufsrecht sowie die Schaffung von preislimitierten kommunalen Vorkaufsrechten auf Basis des Ertragswertes (bei Grundlage einer sozialen Miete)“ schaffen.

Weiter fordert die SPD:

  • ein allgemeines Baugebot auch ohne die Voraussetzung eines Bebauungsplans,
  • mehr kommunale Handlungsfähigkeit im unbeplanten Innenbereich (nach § 34 Baugesetzbuch),
  • den grundsätzlichen Verzicht auf den Verkauf kommunaler Grundstücke zugunsten der Vergabe von Erbbaurechten,
  • die Möglichkeit, in einfachen Bebauungsplänen eine verbindliche Quote an sozial gebundenem Wohnraum festzusetzen,
  • ein „Gebot der Konzeptvergabe“ für alle Flächen im Bundeseigentum oder von bundeseigenen Unternehmen.

Für Städte mit angespanntem Wohnungsmarkt fordert die SPD ein fünfjähriges Mietenmoratorium.

Kinder und Jugendliche

Mit einer Kindergrundsicherung will die SPD verschiedene Familienleistungen zusammenfassen. (vorwärts.de) Mit einer Kinderkarte und einer Teilhabe-App sollen Eltern und Kinder einen schnellen Überblick über Kultur- und Freizeiteinrichtungen vor Ort bekommen. Bei der Gestaltung sollen die Kommunen einbezogen werden. Jedes Kind soll ein Teilhabekonto mit einem monatlichen Betrag von 30 Euro erhalten, um die Angebote nutzen zu können – ob Schwimmbad, Museum oder die Mitgliedschaft im Sportverein.

Weiterhin gefordert wird ein Rechtsanspruch auf gute und beitragsfreie Ganztagsbetreuung im Grundschulalter. (Dies wurde bereits im Koalitionsvertrag vereinbart.) Der laufenden Kostenbelastung der Kommunen werde Rechnung getragen, verspricht die SPD.

Wo es sinnvoll ist, sollen Kitas und Ganztagsschulen zu Familienzentren weiterentwickelt werden – mit Ämtersprechstunden, Beratungsangeboten und Eltern-Kind-Gruppe.

Kommunen sollen mehr Geld erhalten, um die soziale Infrastruktur für Kinder und Jugendliche auszubauen. Außerdem fordert die SPD einen kostenfreien Eintritt für Kinder und Jugendliche in alle Museen, die in öffentlicher Hand sind oder öffentliche Förderung erhalten.

Das Gute-Kita-Programm will die SPD über das Jahr 2022 hinaus mit knapp zwei Milliarden Euro jährlich verstetigen.

Pflege

Kommunen sollen künftig eine stärkere Rolle spielen bei der Organisation von Pflegeangeboten. Beispielsweise mit kommunalen Pflegelotsen, die Betroffene mit präventiven Hausbesuchen und aufsuchender Beratung unterstützen.

Ein Strukturfonds des Bundes soll Kommunen dabei unterstützen, in altersgerechte Wohnungen und Infrastrukturen zu investieren – also barrierefreien Nahverkehr, Einkaufsmöglichkeiten oder Sport- und Kulturangebote.

Investitionen

Die SPD fordert ein Investitionsprogramm, um die öffentliche Infrastruktur wieder in Schuss zu bringen. Insbesondere in den Bereichen Bildung, Verkehr, Kommunikationsnetze und Klimaschutz. Dafür seien in den kommenden zehn Jahren 450 Milliarden Euro für Bund, Länder und Kommunen nötig. Ausdrücklich betont der Parteitag, dass Länder und Kommunen mehr Planungssicherheit benötigen. Deshalb dürfe nicht nach Kassenlage investiert werden: Investitionen sollen „nicht an dogmatischen Positionen wie Schäubles schwarzer Null scheitern.“

Für die kommunale Infrastruktur soll der Bund ab 2025 pro Jahr zwei Milliarden bereitstellen. Weiter heißt es: „Wir brauchen einen nationalen Konsens für die Befreiung vieler Kommunen von hohen Altschulden.“ Auch bei den Sozialausgaben wolle man die Kommunen strukturell entlasten.

Demokratie

Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker sollen besser vor Hass, Hetze und Gewalt geschützt werden. Das Waffenrecht und das Strafrecht sollen verschärft werden. Darüber hinaus möchte die SPD neue Stellen bei den Sicherheitsbehörden schaffen. Ein Demokratiefördergesetz soll dabei helfen, die Zivilgesellschaft im Kampf gegen Rechts zu stärken und dabei auch langfristige Strukturen aufzubauen.

Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen, etwa in kommunalen Jugendhilfeausschüssen und Landesjugendhilfeausschüssen, will die SPD gesetzlich in den Kommunalverfassungen verankern. Bestehende Strukturen wie Jugendparlamente, Schülervertretungen oder Verbände sollen darüber hinaus gestärkt werden. „Dazu gehört insbesondere auch eine Infrastruktur mit bezahlbaren Räumen ohne Verzehrzwang für die offene und die organisierte Jugendarbeit, z.B. in Jugendhäusern, Freizeitheimen oder anderen geeigneten Räumlichkeiten, die für Jugendorganisationen über eine Art ‘WBS-Schein’ kostengünstig zugänglich sind.“

Damit sich junge Menschen unabhängig vom Geldbeutel der Eltern engagieren können, seien auch überregionale Azubi-Tickets für den ÖPNV und kostenfreie Nahverkehrsangebote für Kinder- und Jugendliche auf kommunaler Ebene eine wesentliche Voraussetzung, heißt es in einem Beschluss.

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