Bildung

Das forschende Klassenzimmer

Karin Billanitsch29. Juni 2017
Michael Müller, Regierender Bürgermeister von Berlin, drückt wieder die Schulbank – beim Besuch einer Willkommensklasse an einer Charlottenburger Grundschule.
Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, forscht mit geflüchteten Kindern einer Willkommensklasse in der Charlottenburger Schinkel-Grundschule. Die Pädagogen dort setzen auf das Konzept des „forschendes Lernens“. Wie forschendes Lernen den Spracherwerb fördert und so Integration unterstützt.

Michael Müller beugt sich über eine Versuchsanordnung mit leichten Holzstäbchen, an denen Kugeln und Federn angebracht sind. Wie sind sie perfekt im Gleichgewicht? Wie kann man etwa einen Bleistift problemlos auf dem Finger balancieren? Mit solchen Fragen beschäftigen sich die Kinder aus einer Willkommensklasse der Charlottenburger Schinkel-Grundschule in ihrer Forscherwerkstatt. An sieben Forscherstationen experimentierten sie zu ihrem aktuellen Forschungsprojekt „Schwerpunkt und Schwerkraft“ und an diesem Tag haben die Kinder den Regierenden Bürgermeister von Berlin zum gemeinsamen Entdecken in ihre Forscherwerkstatt eingeladen.

Deutsch lernen als wichtigstes Ziel

Die geflüchteten Kinder, die in die Willkommensklasse aufgenommen wurden, hatten zu Beginn keine oder nur geringe Deutschkenntnisse. Damit sie sich in ihrem neuen Alltag in Deutschland schnell zurecht finden, ihre soziale und kulturelle Umgebung kennenlernen und Zusammenhänge verstehen, müssen sie erst einmal Deutsch lernen. Den Spracherwerb zu fördern, war deshalb erst einmal das wichtigste Ziel der aufnehmenden Grundschule. Mittlerweile können sie sich gut untereinander verständigen, das Experimentieren weckt ihre Neugier: Kann ich aus dem Sitzen aufstehen, ohne mich nach vorne zu beugen? Kann ich etwas bauen, das sich auf einem Seil in der Balance nach unten bewegt? Beim Ausprobieren staunen die Kinder gemeinsam über ihre Beobachtungen, beraten sich gegenseitig und kommentieren ihre Ergebnisse. Welche Seite ist schwerer? Warum bist du aus dem Gleichgewicht gekommen?

Forschendes Lernen und Entdecken heißt das Konzept, das die pädagogischen Fach- und Lehrkräfte mittlerweile fest im Alltag der Mädchen und Jungen verankert haben. Das gemeinsame Beobachten und Ausprobieren fördert nicht nur die Neugier und Begeisterung für Naturwissenschaften, sondern hilft eben auch beim Spracherwerb, stellen die Lehrer fest. „Gerade der spielerische Umgang mit Natur und Technik bietet sich an, um das Selbstvertrauen von Kindern zu stärken, auch wenn deren Sprachkenntnisse noch begrenzt sind,“ erklärt Michael Fritz, Vorstand der Stiftung „Haus der kleinen Forscher“.

Stiftung engagiert sich für Bildungsprojekte

Die gemeinnützige Stiftung engagiert sich nach eigenen Angaben seit 2006 für eine bessere Bildung von Mädchen und Jungen im Kita- und Grundschulalter in den Bereichen Naturwissenschaften, Mathematik und Technik. Mit einem bundesweiten Fortbildungsprogramm unterstützt das „Haus der kleinen Forscher“ pädagogische Kräfte dabei, den „Entdeckergeist von Kindern zu fördern und sie qualifiziert beim Forschen zu begleiten, wie es in einer Mitteilung heißt. Durch ihre Arbeit wollen sie zu besseren Bildungschancen beitragen und Nachwuchs im so genannten „MINT-Bereich“ fördern. „MINT“ fasst die Fächer aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik zusammen. Partner der Stiftung sind die Helmholtz-Gemeinschaft, die Siemens-Stiftung, die Dietmar Hopp-Stiftung und die Deutsche Telekom-Stiftung. Gefördert wird sie vom Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Bildungsforschern zufolge fordert dieses aktive Lernen Schülerinnen und Schüler zur  Kommunikation geradezu heraus. Beim Experimentieren und gegenseitigen Austausch, beim Aufschreiben und Präsentieren der Erkenntnisse sammeln die Kinder Erfolgserlebnisse. Das gezielte Nachfragen der Lehrer regt die Schüler zudem zum Nachdenken an und erweitert ihren Wortschatz – quasi nebenbei. „So können Pädagoginnen und Pädagogen dazu beitragen, geflüchteten Kindern ein Gefühl des ‚Angekommen-Seins‘ zu geben, indem sie die Mädchen und Jungen für das anerkennen, was sie bereits können“, sagt Michael Fritz und ergänzt, das gemeinsame Forschen fördere soziales Verhalten, Feinmotorik, lösungsorientiertes Handeln und nicht zuletzt das Vertrauen der Kinder in ihre eigenen Fähigkeiten. „Das ist ein wichtiger Schritt für das Ankommen in einem fremden Land.“

Müller: „Neugier und das gemeinsame Forschen verbindet“

Nach seine Stippvisite im Klassenzimmer resümiert Michael Müller: „Neugier und das gemeinsame Forschen verbindet. Gemeinsame Ziele und Leidenschaften fördern das schnelle Erlernen der Sprache und den Zusammenhalt. Das müssen wir fördern, damit Integration gelingt und jede und jeder gleichermaßen an Bildung teilhaben kann. Er freue sich, dass diese Ziele durch die Stiftung unterstützt würden.