Gute-Kita-Gesetz

Franziska Giffey zum Gute-Kita-Gesetz: „Damit es jedes Kind packt“

Kai Doering19. Oktober 2018
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey in einem Berliner Kindergarten bei der Vorstellung des Gute-Kita-Gesetzes im September 2018.
Der Bundestag berät seit heute über das Gute-Kita-Gesetz von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey. „Es geht um mehr Qualität und weniger Gebühren“, erklärt sie im Interview. Das Ziel sei, die Kinderbetreuung überall in Deutschland zu verbessern.
Am heutigen Donnerstag hat der Bundestag mit den Beratungen über das Gute-Kita-Gesetz begonnen. Es ist eines der größten Vorhaben dieser Legislatur. Was soll das Gesetz bewirken?

Es geht um mehr Qualität und weniger Gebühren. Sie müssen sich das Gute-Kita-Gesetz vorstellen wie einen Instrumentenkasten: Die Instrumente, die enthalten sind, passen zusammen. Sie ergänzen einander. Kinderbetreuung ist nicht überall gleich. Aber gleichwertig soll sie sein und damit zu gleichwertigen Lebensverhältnissen beitragen: in Ost und West, auf dem Land und in den Städten, in wohlhabenden und ärmeren Regionen. Mein Ziel ist es, dass Eltern sagen: Gute Kita-Zeit tut meinem Kind gut. Die Zeit in der Kita will ich meinem Kind nicht vorenthalten. Weil die Kinderbetreuung so gut ist. Sowohl für die Kinder mit Sprachproblemen und Entwicklungsverzögerungen als auch genauso für Kinder, die es einfacher haben, denen aber auch die engagiertesten Eltern nicht den Morgenkreis, die Geburtstagsfeier und das Spiel mit anderen Kindern ersetzen können. Jedes Kind muss die gleichen Chancen auf gute Kinderbetreuung haben. Und alle Eltern müssen sich gute Kinderbetreuung leisten können. Das ist eine Frage von Chancengerechtigkeit, aber auch von Vereinbarkeit. Beides gehört zusammen und beides geht zusammen.

Bildung ist Sache der Länder, Kitas sind häufig in kommunaler Hand. Wieso braucht es da ein Bundesgesetz?

Ich bin davon überzeugt, dass frühkindliche Bildung eine nationale Zukunftsaufgabe ist. Das Gute-Kita-Gesetz ist das Ergebnis von vier Jahren Dialog und Vorbereitungsarbeit mit Ländern, Kommunen und Trägern. Ergebnis ist, dass der Bund bis 2022 mit 5,5 Milliarden Euro für mehr Qualität und weniger Gebühren zur Verfügung stellt. Noch nie zuvor hat der Bund eine so große Summe für die Qualität der frühkindlichen Bildung in Deutschland investiert. Das ist genau der richtige Schritt.

Was bedeutet Qualität in der frühkindlichen Bildung für Sie konkret?

Bund und Länder, Kommunen, Verbände und Träger haben sich darauf verständigt, was Qualität bedeutet. Qualität hat viele Facetten: ein guter Betreuungsschlüssel, qualifizierte Fachkräfte, die Entlastungen der Leitungen, kindgerechte Räume, gesundes Aufwachsen, vielfältige pädagogische Angebote oder sprachliche Bildung. Die Erzieherinnen, Erzieher und Tagespflegepersonen leisten hervorragende Arbeit. Und viele Bundesländer investieren bereits gezielt in die Qualität. Aber der Ländermonitor der Bertelsmann-Stiftung hat vor einigen Wochen den Handlungsbedarf deutlich gemacht. Um Kinderbetreuung überall in Deutschland zu verbessern, sind gemeinsame Anstrengungen nötig. Der Bund trägt mit dem Gute-Kita-Gesetz seinen Anteil dazu bei.

Die Bertelsmann-Stiftung fordert auch einheitliche, bundesweite Qualitätsstandards. Warum sieht die das Gesetz nicht vor?

Jedes Bundesland ist anders und startet aus unterschiedlichen Ausgangslagen. In einigen Regionen Deutschlands schließt die Kita zur Mittagszeit, in anderen betreut eine Fachkraft bis zu fünfzehn Kinder. Deshalb gibt das Gute-Kita-Gesetz den Ländern die Freiheit, zu entscheiden, welchen Weg sie gehen, um ihren Bedarf zu decken. Ein Land mag sich auf eine Verbesserung des Fachkraft-Kind-Schlüssels konzentrieren, damit sich jede Erzieherin und jeder Erzieher mehr Zeit für die Kinder nehmen kann. Ein anderes Land setzt vielleicht auf längere Öffnungszeiten, damit auch das Kind eines Pflegers im Schichtdienst eine Chance auf frühkindliche Bildung hat. Ein drittes investiert, damit den Kitaleitungen mehr Zeit für ihre Leitungsaufgaben bleibt. Mit jedem einzelnen Bundesland wird der Bund einen Vertrag darüber schließen, welche Qualitätsverbesserungen in den zehn Handlungsfeldern erreicht werden sollen. Wir schaffen Verbindlichkeit in der Zielsetzung und Freiheit in der Umsetzung.

Streben Sie langfristig denn einheitliche Standards an?

Einheitliche Standards sind sicher wünschenswert, aber so weit sind wir noch nicht. Wir müssen zunächst einmal dafür sorgen, dass sich die Qualität in den einzelnen Bundesländern stärker annähert. Dann können wir auch über einheitliche Standards nachdenken.

Gleichzeitig soll die Kinderbetreuung perspektivisch kostenlos sein. Wie passt das zusammen?

Ganz einfach. Denn es stellt sich doch die Frage: Was nützt die beste Kita, wenn es Kinder gibt, die sie nicht besuchen können, weil das Geld zu Hause fehlt? Gute Kitas dürfen kein Privileg sein. Der bundesweite Einstieg in die Gebührenfreiheit ist ein sozialdemokratisches Kernversprechen dieser Wahlperiode: Bildungsgerechtigkeit von der Kita bis zum Meister. Berlin hat das Ende der Kita-Gebühren zuerst beschlossen. Andere Länder sind dem Beispiel gefolgt oder werden es demnächst tun. Es ist die SPD, die diesen Trend setzt. Und wer den Trend zur Gebührenbefreiung als Gefahr für die Qualität kritisiert, liegt falsch. Die Kinderbetreuung ist dort, wo auch Eltern mit geringeren Einkommen höhere Beiträge zahlen, nicht besser als anderswo. Im Gegenteil: Der Zugang zu früher Bildung ist eine Frage der Gerechtigkeit und damit selbst ein Qualitätsmerkmal: Gute Kita muss für alle gut sein. Deshalb schreibt das Gute-Kita-Gesetz fest, dass Beiträge überall sozial gestaffelt sein müssen. Für Familien, die Wohngeld, Kinderzuschlag, Grundsicherung, Sozialhilfe oder Leistungen als Asylbewerber beziehen, schaffen wir die Beiträge überall in Deutschland ganz ab. Davon können bundesweit 1,2 Millionen Kinder profitieren. Darüber hinaus können die Länder die Geldmittel des Bundes zur Senkung der Kita-Gebühren einsetzen. Nicht auf Kosten der Qualität, sondern als Teil von Qualität für alle.

Die Finanzierung ist bisher nur bis 2022 sichergestellt. Wie geht es danach weiter?

Wir haben natürlich das Ziel, dass es auch langfristig weitergeht, über 2022 hinaus. Im Gesetz festgeschrieben sind 5,5 Milliarden Euro – bis 2022. Der Bund bekennt sich aber zu dem Ziel, sich langfristig in der frühkindlichen Bildung darüber hinaus zu engagieren. Ich werde mit aller Kraft daran arbeiten, dass es auch nach 2022 weiter geht.

Als Bürgermeisterin von Berlin-Neukölln haben Sie sich für eine Kita-Pflicht stark gemacht. Sind Sie auch heute als Ministerin dafür?

Diese Frage stellt sich derzeit nicht. Wir müssen jetzt erst einmal alle Kraft darauf verwenden, das Platzangebot zu erhöhen und den Fachkräftemangel anzugehen. Das werden wir auch tun mit dem Sonderinvestitionsprogramm des Bundes für den Kitaplatzausbau und einer Fachkräfteoffensive, die wir im nächsten Jahr starten werden. Für die SPD ist eines klar: Unser Einsatz gilt der Aufwertung des Erzieherberufes, denn ohne die Menschen, die es machen, wird es nicht gehen. Dafür arbeiten wir. Damit es jedes Kind packt.

Das Interview ist zuerst auf vorwärts.de erschienen.