Bericht zum Stand der deutschen Einheit

Warum Fremdenfeindlichkeit den Menschen in ostdeutschen Kommunen schadet

Karin Billanitsch23. September 2016
Die Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Bundesländer, Iris Gleicke, hat den neuen Bericht zum Stand der deutschen Einheit vorgestellt.
Iris Gleicke, die Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Bundesländer, sieht die Integration von Flüchtlingen als Chance für ostdeutsche Kommunen. Doch die Bundesregierung konstatiert auch eine Zunahme von Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus in den ostdeutschen Ländern, die diesen Prozeß gefährden.

Die Beauftragte der Bundesregierung für die ostdeutschen Länder, Iris Gleicke (SPD), sieht die Integration von Flüchtlingen als „Chance für Ostdeutschland.“ Integration braucht aber Zeit und Geld und muss vor Ort gelebt werden“, sagte Gleicke kürzlich bei der Vorstellung des neuen Berichts zum Stand der deutschen Einheit. Doch die Chancen durch erfolgreiche Integration von Zugewanderten drohen, verspielt zu werden: Die Zunahme von Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus gefährde die Integration von Flüchtlingen, befürchtet Gleicke.

Fremdenfeindlichkeit behindert „wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung“

Die Kernbotschaft der SPD-Politikerin: „Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz behindern die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung der neuen Länder.“ In einem Regierungsbericht wurde selten zuvor in so eindringlichen Worten über Ausländerfeindlichkeit geschrieben: „Neben unzähligen Angriffen auf Flüchtlinge und ihre Unterkünfte sind gewalttätige Ausschreitungen wie in Heidenau und Freital zu Symbolen eines sich verfestigenden Fremdenhasses geworden.“

Im Bericht zeichnet sie ein Besorgnis erregendes Bild: Im zurückliegenden Jahr 2015 hat die Zahl der rechtsextremen und fremdenfeindlichen Übergriffe stark zugenommen. Seit Einführung des Meldedienstes für politisch motivierte Straftaten im Jahr 2001 hat die Zahl der extremistischen Straftaten den höchsten Stand erreicht. „Neben unzähligen Angriffen auf Flüchtlinge und ihre Unterkünfte sind gewalttätige Ausschreitungen wie in Heidenau und Freital zu Symbolen eines sich verfestigenden Fremdenhasses geworden“, heißt es. „Bei den Protesten gegen die Aufnahme von Flüchtlingen wurde deutlich, dass die Grenzen zwischen bürgerlichen Protesten und rechtsextremistischen Agitationsformen zunehmend verschwimmen.“

Bundesregierung will mit Programmen entgegensteuern

Gegen diese besorgniserregenden Entwicklungen will die Bundesregierung nun mit „aller Entschlossenheit“ vorgehen. Dabei fordert sie auch von den Ländern und den Kommune, sowie von „allen gesellschaftlichen Akteuren“, Engagement, um den gesellschaftlichen Frieden im Osten zu sichern. Immer wichtiger werde auch, das zivile Engagement zu stärken und die Demokratie zu fördern. Mit Programmen wie "Zusammenhalt und Teilhabe" sowie "Demokratie leben!" will die Bundesregierung Extremismus verhindern und Demokratie fördern.

Die jahrzehntelange Ost-Westwanderung vor allem junger Menschen sei zwar gestoppt. Mehr Männer und Frauen ziehen in einige Städte und das Berliner Umland. Die Abwanderung hat gleichwohl tiefe Spuren hinterlassen in den ostdeutschen Ländern, die deutliche Mehrheit der ostdeutschen Kommunen schrumpft. In ganzen Landstrichen wohnen immer mehr ältere Menschen, es mangelt an Fachkräften für den Arbeitsmarkt. „Die Bewältigung des demografischen Wandels ist und bleibt daher eine zentrale Aufgabe im Osten, stellt Iris Gleicke unumwunden fest. Wirtschaftlich habe der Osten weiter aufgeholt: Das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner ist von 42,8 Prozent (1991) auf 72,5, Prozent (2015) des Niveaus der westdeutschen Länder gestiegen. Positiv sieht auch die Bilanz am Arbeitsmarkt aus: Zwar liege die Arbeitslosenquote im Osten mit 9,2 Prozent über der des Westens mit 5,7 Prozent. Dennoch sei sie in den ostdeutschen Ländern in 20 Jahren um 4,7 Prozentpunkte gesunken.

Martin Dulig: „Wir dürfen nicht zurückweichen.“

Sachsens Wirtschaftsminister und stellvertretender Ministerpräsident, Martin Dulig, reagierte auf den Bericht der Bundesregierung und sagte im MDR: „Fremdenfeindlichkeit wird zur größten Zukunftsbarriere. ... Unsere Antwort kann ja nur mehr Offenheit, mehr Demokratie, mehr politische Bildung sein.“ Auf seiner Facebook-Seite postete er: „Die fremdenfeindlichen Ausschreitungen haben Sachsen bereits nachhaltig geschadet, in allen Bereichen. Doch wir dürfen an dieser Stelle in keiner Weise zurückweichen. Die Anständigen in Sachsen, die immer noch die Mehrheit sind, müssen laut und deutlich sagen, wie sie sich das Zusammenleben in Sachsen vorstellen.“ Im sächsischen Bautzen hatten erst vergangene Woche Ausschreitungen zwischen Rechtsextremen und Flüchtlingen Schlagzeilen gemacht.

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