Warenhauskonzern

Was die Galeria-Filialschließungen für Innenstädte bedeuten

Uwe Roth14. März 2023
In mittelgroßen Städten bedeutet die Schließung einer Galeria-Filiale oft mehr als den Verlust an Jobs. Wenn das größte Warenhaus in der Innenstadt dichtmacht, kann das böse Folgen für den Einzelhandel insgesamt haben. Die Rathäuser sind alarmiert.

Die Nachricht war nicht nur für die Beschäftigten und Kund*innen ein Schock, sondern auch für viele Kommunalpolitiker*innen: Der Konzern Galeria Karstadt Kaufhof hat am Montag angekündigt, 52 Standorte in Deutschland zu schließen.

Rund um Stuttgart hat der Konzern das Aus für seine Filialen in Esslingen (93.000 Einwohner), Reutlingen (116.400) und Leonberg (49.300) bekanntgegeben. Die Warenhäuser dort hatten in den vergangenen Jahren immer wieder zur Disposition gestanden. Nun scheint deren Aufgabe endgültig besiedelt. An der Spitze der Rathäuser steht jeweils ein Sozialdemokrat. Sie zeigen sich in einer ersten Stellungnahme empört, frustriert und ratlos zugleich. Oberbürgermeister Thomas Keck sagt: „Die Kaufhof-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben in den vergangenen Jahren einen großen persönlichen Beitrag geleistet, um den Standort in Reutlingen trotz wirtschaftlicher Probleme des Konzerns zu erhalten. Mit der heute bekannt gegebenen Entscheidung scheint das alles vergeblich gewesen zu sein.“

Sein Leonberger Kollege Oberbürgermeister Martin Georg Cohn sieht „die Entscheidungsträger in der Verantwortung, gemeinsam mit dem örtlichen Betriebsrat eine Perspektive für die Beschäftigten zu erarbeiten.“ Die Beschäftigten, die teilweise über Jahrzehnte loyal und engagiert gewesen seien, dürften nicht allein gelassen werden. Aber auch die Innenstadt könnte leiden: „Die Schließung der Karstadt-Filiale in Leonberg bedeutet nicht nur für das Leo-Einkaufszentrum, sondern vor allen Dingen für unsere Stadt einen tiefgreifenden Einschnitt“, erklärt Cohn. Die Entscheidung sei für ihn keinesfalls nachvollziehbar, „da die in letzter Zeit sehr gute wirtschaftliche Entwicklung der Karstadt-Filiale, aber auch die starke Kaufkraft in unserer Stadt, ein gegenteiliges Signal ausstrahlen“.

Hoffen auf den nächsten Investor

Esslingens Oberbürgermeister Matthias Klopfer spricht von „einem herben Schlag für unsere Innenstadt“. Er hofft, dass der Noch-Arbeitgeber, die österreichische Signa Holding, für die rund 90 von der Schließung betroffenen Beschäftigten in seiner Stadt „eine sozial angemessene Lösung findet“. Vielleicht, so seine Hoffnung, könnten mit der Nachnutzung der Gebäude neue Arbeitsplätze entstehen.

Denn die Lage ist gut: Die Karstadt-Filiale mit ihrem zentralen Standort sei ein Frequenzbringer für die Innenstadt gewesen, sagt der SPD-Politiker und erläutert seine nächsten Schritte: „Als Stadtverwaltung hoffen wir, dass gemeinsam mit dem Investor BPI schnell eine städtebauliche Entwicklung des Karstadt-Areals im Sinne einer zukunftsfähigen, lebendigen und im Angebot vielfältigen Innenstadt möglich wird.“ Der Luxemburger Investor BPI Esslingen S.à.r.l. ist bereits mit städtebaulichen Projekten in der Stadt engagiert. Doch bis die Pläne für die Nachfolge entwickelt sind, soll das Warenhaus nicht leer stehen. „Wir müssen jetzt eine gute Zwischenlösung finden“, so Klopfer.

Reutlingen: Kaufhaus „nicht der einzige Magnet”

Reutlingen ist die neuntgrößte Stadt in Baden-Württemberg. Sie verliert in exponierter Lage zwischen Hauptbahnhof und Fußgängerzone einen wichtigen Einzelhandels-Magneten in der Innenstadt, teilt die Stadtverwaltung mit. Im vergangenen Oktober war die Existenz der Galeria Karstadt Kaufhof-Filiale bereits bedroht. „Wir standen in intensivem Kontakt mit der Konzern-Zentrale in Essen, der Filialleitung und dem Betriebsrat hier am Standort Reutlingen sowie dem Eigentümer der Immobilie“, berichtet OB Keck. Leider sei es trotz aller Bemühungen nicht gelungen, die Standortschließung zu verhindern.

„Wir bedauern die Entscheidung sehr und werden nun unverzüglich mit allen Akteuren gemeinsam überlegen, wie den Auswirkungen begegnet werden kann.“ Nach seiner Überzeugung wird die Schließung den Innenstadthandel aber nicht zu Fall bringen: „Das klassische Kaufhaus ist nicht der einzige Einkaufsmagnet, sondern die sehr gute Mischung an Geschäften in der Innenstadt sorgt für die Magnetwirkung. Mit einer Abwanderung von Kunden nach Stuttgart und Ulm allein aufgrund der Schließung des Galeria-Kaufhauses ist nicht zu rechnen.“

Gewerkschaft Ver.di will mit Kommunen kooperieren

In Baden-Württemberg werden insgesamt sechs von achtzehn Galeria-Filialen geschlossen. Neben der genannten Städte sind dies Heidelberg (Bismarckplatz), Pforzheim, und Stuttgart (Eberhardstraße). Betroffen sind etwa 500 Beschäftigte. Martin Gross, ver.di Landesbezirksleiter, sagt: „Wir alle, von Politik über Gesellschaft bis zur Gewerkschaft, dürfen diese Schließungspläne auf keinen Fall hinnehmen. Nachdem Tausende Beschäftigte seit Jahren auf erhebliche Gehaltsbestandteile verzichtet haben, sollen sie jetzt zum Dank dafür arbeitslos werden.“

Hunderte Millionen Euro an Steuergeldern seien in das Unternehmen „gepumpt worden“. Nun sollen doch etliche Innenstädte weiterveröden. Ver.di werde mit den betroffenen Kommunen Kontakt aufnehmen und gemeinsam nach Möglichkeiten suchen, wie den zur Schließung anstehenden Filialen noch geholfen werden könne.

Städtetag: „Es gibt schon Ideen”

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages Helmut Dedy äußerte sich aber auch hoffnungsvoll: „Trotz aller Schwierigkeiten wird vielerorts die Entscheidung auch als städtebauliche Chance verstanden. Die Städte fangen dabei nicht bei Null an.” Es gebe schon Ideen oder Pläne, wie neues Leben in die Kaufhäuser einziehen könne: als Universitätsstandort oder Schule, mit Start-ups, Co-Working-Labs, Künstler-Ateliers oder mit dem Bürgerservice, als Mehr-Generationenhaus oder Wohngebäude. Ehemalige Kaufhausstandorte, die bereits neu genutzt würden, seien dafür gute Beispiele.

Für die Transformation der Innenstädte bräuchten die Kommunen aber auch die notwendigen finanziellen Mittel, fügte Dedy hinzu. Bislang gebe es punktuelle Fördermaßnahmen von Bund und Ländern. „Nötig ist, dass die von Galeria Karstadt Kaufhof-Schließungen betroffenen Städte auch jetzt noch Förderanträge für Restmittel des 250 Millionen-Programms ‚Bundesprogramm Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren‘ einreichen können. Außerdem sollten Bund und Länder unbedingt prüfen, ob der Zwischenerwerb von Großimmobilien in Einzelfällen unterstützt werden kann”, fordert der Vertreter des kommunalen Spitzenverbands.

Diese Galeria-Filialen sollen schließen

Diese Standorte sollen zum 30.06.2023 schließen:

Celle
Coburg
Cottbus
Duisburg Düsseldorfer Straße
Erlangen
Gelsenkirchen
Hagen
Hamburg-Harburg
Hamburg-Wandsbek
Leipzig Neumarkt
Leverkusen
München-Bahnhof
Neuss
Nürnberg Königstraße
Nürnberg-Langwasser
Offenbach
Paderborn
Regensburg Neupfarrplatz
Saarbrücken am Bahnhof
Siegen
Wiesbaden Kirchgasse

Diese Filialen sollen zum 31.01.2024 dichtmachen:

Bayreuth
Berlin-Charlottenburg
Berlin-Müllerstraße
Bielefeld
Braunschweig
Bremen
Darmstadt am weißen Turm
Dortmund
Düsseldorf Schadowstraße
Essen
Esslingen
Frankfurt Zeil
Hanau
Heidelberg Bismarckplatz
Hildesheim
Kempten
Krefeld
Leonberg
Limburg
Lübeck
Mönchengladbach
Oldenburg
Pforzheim
Reutlingen
Rosenheim
Rostock
Schweinfurt
Siegburg
Stuttgart-Eberhard-Str.
Viernheim-RNZ
Wuppertal

Quelle: galeria.de (PDF)

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