Kooperationsverbot in der Bildung

Geld vom Bund für Schulen? Kommunalverbände sind uneinig

Carl-Friedrich Höck09. Oktober 2018
Tablet im Schulranzen
Tablet im Schulranzen: Die Digitalisierung verändert auch den Schulunterricht. Deshalb müssen Kommunen in moderne Schulen investieren.
Die Bundesregierung will den Kommunen Geld für die Bildungsinfrastruktur geben und dafür das Kooperationsverbot weiter lockern. Bei einer Expertenanhörung im Bundestag sind die kommunalen Spitzenverbände zu Wort gekommen. Die Meinungen von Städtetag und Landkreistag gehen weit auseinander.

Die Debatte, wie Investitionen in Schulen künftig finanziert werden sollen, ist am Montag in eine neue Runde gegangen. Der Haushaltsausschuss des Bundestages hat zahlreiche Experten angehört. Sie sollten den Plan der Bundesregierung bewerten, das Kooperationsverbot weiter aufzulockern.

Bund will auch finanzstarke Kommunen unterstützen

Der Hintergrund: Union und SPD wollen den Ländern und Kommunen mit Finanzhilfen für die Bildungsinfrastruktur unter die Arme greifen. Laut Verfassung sind die Länder für die Bildung zuständig und es gilt ein sogenanntes Kooperationsverbot. Deshalb darf der Bund sich nur eingeschränkt an den Ausgaben beteiligen. Nach aktueller Rechtslage dürfen nur finanzschwache Kommunen von der Finanzhilfe profitieren.

Die große Koalition will diese Beschränkung abschaffen. Dafür soll der Artikel 104c des Grundgesetzes geändert werden. Das würde dem Bund neue Möglichkeiten geben, „Investitionen in die kommunale Bildungsinfrastruktur, insbesondere Ganztagsschul- und Betreuungsangebote, Digitalisierung und berufliche Bildung zu unterstützen“, heißt es im Gesetzentwurf der Bundesregierung.

Landkreistag befürchtet „goldene Zügel”

Der Deutsche Landkreistag lehnt den Vorstoß ab. Im Vorfeld der Expertenanhörung hat er einen Appell veröffentlicht. Die beabsichtigte Verfassungsänderung führe zu „goldenen Zügeln aus Berlin“, heißt es darin. Der Bund wolle dauerhaft Geld geben und erwarte im Gegenzug, dass er mitbestimmen könne, wie und wofür investiert wird.

Landkreistag-Geschäftsführer Hans-Günter Henneke nennt das einen „massiven Kompetenzeingriff mit begrenzter Finanzierung“. Er fordert, dass die Kommunen stattdessen mehr Geld erhalten, damit sie ihre Aufgaben wieder eigenständig erfüllen können. Mindestens müssten sie ihr Personal finanzieren und die eigene Infrastruktur errichten und unterhalten können. Dafür könne der kommunale Anteil an der Umsatzsteuer erhöht werden. Dies lasse sich auch so gestalten, dass das Gefälle zwischen armen und reichen Kommunen nicht weiter wachse, meint Henneke.

Die Aufgabenverteilung von Bund, Ländern und Kommunen müsse auch finanziell so abgesichert sein, dass klare Verantwortlichkeiten gegenüber den jeweiligen Wählern geschaffen würden, argumentiert der Landkreistag.

Städtetag: Bildung ist von gesamtstaatlicher Bedeutung

Der Deutsche Städtetag begrüßt dagegen den Plan, Finanzhilfen zu erlauben. „Wir halten den Vorschlag für gut und richtig“, sagte die Finanz-Beigeordnete Verena Göppert am Montag. In einer schriftlichen Stellungnahme des Städtetages wird die gesamtstaatliche Bedeutung betont, die Investitionen in die kommunale Bildungsinfrastruktur hätten. „Die großen Herausforderungen bei Bau, der Sanierung, der Modernisierung und insbesondere auch der Digitalisierung der kommunalen Bildungsinfrastruktur erfordern ein kooperatives Zusammenwirken von Bund, Ländern und Kommunen.“ Zusätzliche Finanzhilfen vom Bund, unabhängig von der Finanzkraft der Kommune, seien ein richtiger Schritt.

Die Beschränkung der Hilfen auf „finanzschwache“ Kommunen sei ohnehin problematisch, merkt der Städtetag an. Denn es sei gar nicht konkret definiert, wann eine Kommune als finanzschwach gilt.

Finanzhilfen sind zielgerichtet

Der wahrgenommene Investitionsrückstand der Kommunen sei im Bildungsbereich auf 47,7 Milliarden Euro angewachsen, schreibt der Städtetag weiter. Den Kommunen mehr Geld in Form einer Finanzhilfe zukommen zu lassen, sichere „im Vergleich zu anderen Finanzierungswegen besser ab, dass die Mittelzuweisung zielgerichtet erfolgt“. Das Geld würde also auch wirklich für Schulen ausgegeben, argumentieren die Städte. In der Vergangenheit haben Kommunen immer wieder schlechte Erfahrungen mit „klebrigen Händen“ gemacht: Einige Länder haben Bundeszuweisungen, die für kommunale Bedarfe gedacht waren, nicht 1:1 an die Städte, Kreise und Gemeinden weitergegeben.

Auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund plädiert für eine Lockerung des Kooperationsverbotes im Bildungsbereich. „Der Föderalismus wird durch ein stärkeres Engagement des Bundes weder in Frage gestellt, noch werden die Länder und Kommunen zu Kostgängern des Bundes, wenn der Bund sich an dieser wichtigen gesamtgesellschaftlichen Herausforderung beteiligt”, sagt Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg.

Neben den kommunalen Spitzenverbänden hat der Haushaltsausschuss auch zahlreiche Rechts- und Finanzwissenschaftler angehört. Einig waren sie sich, dass die geplante Lockerung des Kooperationsverbotes rechtlich möglich ist. Die Meinungen zum Inhalt der Änderungen gingen auch bei den Experten weit auseinander.

Drei alternative Anträge

Marie-Elisabeth-Lüders-Haus
Marie-Elisabeth-Lüders-Haus des Bundestages: Hier tagte der Haushaltsausschuss.

Neben dem Gesetzentwurf der Regierung wurden noch drei weitere Vorschläge diskutiert. Die Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und FDP wollen noch weiterreichende Investitionen des Bundes ermöglichen und hierfür den Artikel 91b im Grundgesetz ändern. Zudem wollen sie Finanzhilfen des Bundes dauerhaft ermöglichen statt, wie bisher, nur befristet. Der Städtetag kritisiert, dass die Zuständigkeiten der Länder mit dem grün-gelben Gesetzentwurf zu stark tangiert würden.

Die Fraktion Die Linke will das Kooperationsverbot vollständig abschaffen und eine „Gemeinschaftsaufgabe Bildung“ im Grundgesetz verankern. Die AfD lehnt jegliche Änderung des Grundgesetzes ab.

Für eine Grundgesetzänderung, wie sie die Regierungsfraktionen planen, ist eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag nötig. Union und SPD verfügen zusammen über 399 Abgeordnete. Damit fehlen ihnen noch 74 Stimmen. Die große Koalition ist deshalb auf das Entgegenkommen einer oder mehrerer Oppositionsfraktionen angewiesen.

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