Corona-Pandemie

Geldregen für Mainz: Biontech spült eine Milliarde in Stadtkasse

Carl-Friedrich Höck10. November 2021
Gewinnbringer: Der Impfstoff von Biontech
Schon im kommenden Jahr könnte Mainz schuldenfrei sein. Der aktuelle Haushalt wird wohl einen Überschuss von mehr als einer Milliarde Euro aufweisen. Grund ist der wirtschaftliche Erfolg des ortsansässigen Unternehmens Biontech.

Die Situation gleicht einem Lottogewinn oder einem plötzlichen Erbe. In Mainz fließen die Gewerbesteuern in diesem Jahr so kräftig in die Stadtkasse, dass die Kommune ihre Schulden fast auf einen Schlag abbezahlen kann. Erwartet wird für das laufende Jahr ein Überschuss von 1,09 Milliarden Euro, wie Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) und Finanzdezernent Günter Beck (Bündnis 90/Die Grünen) am Dienstag bekanntgaben. Für das kommende Jahr rechnet die Stadtspitze mit einem Überschuss von 500 Millionen Euro.

Biontech mit Milliardengewinnen

Das liegt hauptsächlich am Erfolg von Biontech. Das Unternehmen hat einen wirksamen Corona-Impfstoff entwickelt und Ende 2020 gemeinsam mit Pfizer auf den Markt gebracht. Seinen Sitz hat Biontech in Mainz. Allein in den ersten neun Monaten des Jahres 2021 erzielte Biontech nach eigenen Angaben einen Nettogewinn von 7,13 Milliarden Euro. Im Vorjahreszeitraum hatte das Unternehmen noch rote Zahlen geschrieben.

Wie der SWR berichtet, gehen Schätzungen davon aus, dass Biontech in diesem Jahr rund eine Milliarde Euro an Gewerbesteuern an die Stadt Mainz zahlt. Die Kommune will mit den Einnahmen ihre Schulden in Höhe von 1,3 Milliarden Euro tilgen. Läuft alles nach Plan, wäre Mainz Ende kommenden Jahres schuldenfrei.

Was Mainz mit dem Geld plant

Im Interview mit dem SWR versprach Oberbürgermeister Ebling zudem nachhaltige Investitionen. So könne die Stadt das Geld für eine Bodenbevorratungspolitik nutzen, also den Ankauf von Grundstücken. Mainz könne auch seine Büros in einem eigenen Gebäude bündeln, anstatt Miete zu zahlen.

Zudem will die Stadt ihren Gewerbesteuer-Hebesatz von 440 auf 310 Punkte senken. Das entlastet die ortsansässigen Unternehmen im kommenden Jahr um 352 Millionen Euro. „Wir machen kein Dumping“, betont Ebling – man passe sich an das benachbarte Ingelheim an. „Wenn es uns gut geht, können wir zum Beispiel auch die Wirtschaft vor Ort entlasten.“

Konkurrenz zwischen Kommunen

Der Fall wirft die Frage auf, wie gerecht die Finanzierung der Kommunen in Deutschland aufgestellt ist. Insbesondere aus den Ost-Bundesländern ist häufig die Klage zu hören, dass hier kaum große Firmenzentralen ansässig sind. Somit haben die örtlichen Städte und Gemeinden auch wenig Aussichten auf einen Geldregen, wie ihn Mainz nun erfährt. Pro Kopf betrugen die Gewerbesteuereinnahmen 2020 beispielsweise in Sachsen nur rund 340 Euro, in Nordrhein-Westfalen mehr als 570 Euro.

Das Ungleichgewicht wird verschärft, weil wohlhabende Kommunen sich gegenüber den anderen einen Vorteil verschaffen können. Sie können sich Steuersenkungen oder niedrigeren Gebühren leisten und so neue, wirtschaftskräftige Unternehmen anlocken. Remscheids Oberbürgermeister Burkhard Mast-Weisz beklagte kürzlich im Gespräch mit der DEMO diese Konkurrenz zwischen Kommunen und sprach von „Wirtschaftskannibalismus“.

Ebling verweist auf Ausgleichs-System

Michael Ebling betont, Mainz wolle weiter eine solidarische Landeshauptstadt sein. „Wenn es einer Kommune gut geht, wie jetzt auch Mainz, dann sorgt im Übrigen der Steuerverbund auch dafür, dass wir natürlich mehr abgeben.“ Eine gute steuerliche Situation der Landeshauptstadt helfe daher allen Kommunen in Rheinland-Pfalz. „Es ist nicht so, dass wir alles behalten, sondern de facto auch auf Schlüsselzuweisungen oder Ähnliches in diesem komplizierten Geflecht von Landesfinanzausgleich in Zukunft verzichten müssen.“

Mainz hat die Ansiedlung von Biotechnologie-Unternehmen gezielt gefördert und tut dies auch weiterhin. Am Dienstag stellte die Stadt ihre Ausbaupläne vor. Unter anderem soll auf einer Fläche von 30 Hektar ein Biotechnologie-Campus mit direkter Anbindung an Uniklinik und Universität entwickelt werden. „Durch den Erfolg von Biontech wurde Mainz in der Pandemie zur Apotheke der Welt“, sagt OB Ebling. Die guten Ausgangsbedingungen nutze man jetzt, „um mit Unterstützung des Landes und der Wissenschaftslandschaft einen globalen Wissenschafts- und Biotechnologiestandort zu etablieren“.

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