Energiewirtschaft

Geregelter Stromfluss dank intelligener „Ines“

Maicke Mackerodt13. Februar 2017
Das System „Ines“ schützt vor zu viel Strom im Netz
Die Universität Wuppertal hat ein System entwickelt, das lokale Stromnetze akribisch steuert und überwacht. Es schützt vor lokaler Überlastung.

Die Energiewende findet im Kleinen statt. Die ­Universität Wuppertal hat ein System entwickelt, dass lokale Stromnetze akribisch steuert und überwacht, um sie vor dem Zusammenbruch zu schützen. „Ines” haben die Erfinder diese mit Preisen überhäufte Mess- und Regelstation genannt, nur am Campus wird die intelligente Netzstation „iNES“ geschrieben. Das intelligente Verteilnetz-Management steuert den Strombedarf in einem lokalen Netz, kann bei Abweichungen einzelne Verbraucher drosseln oder mehr Strom ins Netz einspeisen lassen – je nach Bedarf. In Wuppertal wird so ein großes Rechenzentrum neben einer Ladestation für mehrere Elektroautos gespeist.

Schutz vor Überlastung des Netzes

Die Aufgabe von Ines ist revolutionär. Sie schützt vor lokaler Überlastung durch zu viel eingespeisten regenerativen Strom, da genau darauf das klassische eindimensionale Stromnetz nicht ausgerichtet ist. „Damit löst Ines ein maßgebliches
Problem der Energiewende“, erläutert Markus Zdrallek. Der Professor für Elek­trische Energieversorgungstechnik ist mit seinem Team eine Art Vater von Ines.  

Für NRW-Wissenschaftsministerin ­Svenja Schulze (SPD) ist Ines ein Paradebeispiel aus dem „Musterforschungsland für die Energiewende in Deutschland“ – NRW. „Hier können Sie sehen, wie Forschung funktioniert“, sagte sie voriges Jahr bei einer Präsentation an der Bergischen Universität. „Die Netze müssen leistungsfähiger und intelligenter werden, damit die schwankende Stromerzeugung aus Wind- und Solarenergie eine zuverlässige Stromversorgung gewährleistet. Gelingt die Energiewende deutschlandweit, kann sie weltweit zum Vorbild werden.“

Zahl der Erzeuger ist gestiegen

Immer wieder gern erzählt Markus Zdrallek die Geschichte von einem sonnigen Sonntagmorgen, als in Frankfurt-Bornheim das Stromnetz in die Knie ging. Der Grund: Zeitgleich wurde zu viel regenerative Energie eingespeist. „Das alte System der Stromversorgung ist völlig durch­einander aufgrund der vielen Erzeuger.“ Die Zahl der Windräder oder Photovoltaik-Anlagen ist einfach deutlich gestiegen. „Dadurch wird der Zusammenbruch durch lokale Übereinspeisung immer wahrscheinlicher.“ Um das zu verhindern, müssten eigentlich viele Verteilernetze verstärkt oder ausgebaut werden. Ein teures Vergnügen.

Eine kostengünstige Alternative

Das Bundeswirtschaftsministerium gab 2014 eine Studie in Auftrag. Je nach Szenario kostet der Ausbau 23 Milliarden Euro oder gar das Doppelte. Im Vergleich zu heute wird bis zum Jahr 2032 das Doppelte bis Dreifache an erneuerbaren Energien ins Netz eingespeist. Dafür müsste man 166.000 Kilometer Leitungen neu- oder ausbauen. Kostengünstiger ist, die hundertprozentige Einspeisung einfach bei Bedarf um drei Prozent abzuregeln. Dieser Trick spart die Hälfte des Netzausbaus. Gemeinsam mit der Bergischen Universität entwickelten die Energieversorger in Frankfurt und Leverkusen Ines. „Die Nachfrage übersteigt deutlich unsere Erwartungen“, so Professor Zdrallek. Ines hat das Netz bundesweit an über zehn Ortsnetzstationen stets im Blick.

In Wuppertal, Leverkusen oder in Ratingen hat die Zukunft der intelligenten Stromnetze bereits 2012 mit Pilotprojekten begonnen. Zusätzlich wird jeder Neubau mit intelligenten Stromzählern ausgerüstet. „90 Prozent der Energie aus Wind, Sonne oder Biogas werden in die unterste Netzebene in die Verteilernetze eingespeist“, erläutert Geschäftsführer Dr. Ulrik Dietzler von der Energieversorgung Leverkusen (EVL). „Mit Ines ist die Grundlage für ein effizientes Netzmanagement gelegt und kann in Zukunft ausgebaut werden.“ Sensoren messen alle 30 Sekunden an wenigen Stellen im Netz Strom und Spannung. „Das hatten wir vorher in der Niederspannung noch nie.“

Die Daten aus einem Netz werden an einen Rechner übertragen. So lässt sich ausrechnen, an welchem Strang welcher Strom fließt. Ines kann notfalls einzelne Verbraucher drosseln oder mehr Strom einspeisen. Bestenfalls macht Ines an 363 Tagen im Jahr nichts. Aber in dem Augenblick, in dem Ines erkennt, dass sich ein Netzproblem abzeichnet, fährt sie eine einzige Photovoltaik-Anlage ein kleines bisschen runter. Ines protokolliert dabei genau, welche Anlage heruntergeregelt wurde und die Hausbesitzer werden mit 95 Prozent entschädigt. Ines wird aktuell weiterentwickelt zu Ines 2.0: Die Station kann dann ein größeres Gebiet überwachen, etwa einen ganzen Stadtteil.