Bundeskonferenz

Was die Gleichstellungsbeauftragten sich vom Bund wünschen

Carl-Friedrich Höck01. September 2021
Frauen weiten ihre unbezahlte Sorgearbeit im Homeoffice stärker aus als Männer. Das verstärkt strukturelle Ungleichheiten. (Symbolfoto)
Die Digitalisierung soll geschlechtergerecht gestaltet werden! Das fordert die Bundeskonferenz der kommunalen Frauenbüros und Gleichstellungsstellen. In einer Flensburger Erklärung werden Erwartungen an den nächsten Bundestag formuliert.

Auf einer Bundeskonferenz haben sich rund 400 kommunale Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte zu aktuellen Themen der Geschlechtergerechtigkeit ausgetauscht. Das Treffen fand am Montag und Dienstag digital statt. Wichtige Erkenntnisse und Forderungen der Beauftragten wurden in einer „Flensburger Erklärung“ zusammengefasst.

Digitalisierung und Gleichstellung

Im Mittelpunkt stand das Thema Digitalisierung. Man wolle sie nutzen, um die Gesellschaft gerechter und moderner zu machen, erklärte Bundesfamilienministerin Christina Lambrecht (SPD) zu Beginn der Konferenz. Die Gleichstellung von Männern und Frauen wolle man weiter voranbringen. „Das betrifft viele Lebensbereiche, etwa die Erhöhung des Frauenanteils in Digitalberufen, das mobile Arbeiten oder die Bekämpfung von Diskriminierung und Frauenhass im Netz.“

Wie die Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros und Gleichstellungsstellen (BAG) konstatiert, ist hier noch viel zu tun. Zwar könne die Vereinbarkeit von Beruf und Care-Arbeit – wie Haushalt und Kinderbetreuung – durch die Digitalisierung erleichtert werden. In der Praxis weiteten Frauen ihre unbezahlte Sorgearbeit im Homeoffice aber weit stärker aus als Männer. Somit arbeiteten sie vielfach in Teilzeit und seien kaum in Führungspositionen zu finden. Die Bundesregierung soll solche strukturellen Benachteiligungen abbauen, fordern die Beauftragten. „Neue Gesetze zu Homeoffice und mobilem Arbeiten müssen die Diskriminierungseffekte auf Frauen systematisch ausschließen“, mahnt die BAG in einer Mitteilung an.

Frauen sind in digitaler Welt unterrepräsentiert

Nach wie vor sind Frauen in sogenannten MINT-Berufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) unterrepräsentiert. Nur ein Drittel der Studienanfänger*innen in diesen Bereichen sei weiblich. Der Frauenanteil in der Digital- und Informatikbranche liege lediglich bei 16 Prozent, bemängelt die BAG. Sie appelliert an den Bund, Frauen in MINT-Berufen stärker zu fördern.

Hass und Hetze im Internet betrifft Frauen besonders. Laut BAG sind 70 Prozent der Frauen im Internet bereits bedroht oder beleidigt worden. 19 Prozent der Betroffenen zögen sich in der Folge aus dem Diskurs im Netz zurück. Die BAG spricht von einem hohen Gefährdungspotenzial durch geschlechtsbezogene Gewalt und sexualisierte Belästigung. Das Thema solle in Digitalisierungsprozessen systematisch berücksichtigt werden, fordert die Arbeitsgemeinschaft. Zivilgesellschaftliche Initiativen und Projekte sollen ausgebaut werden. Zudem sollen Kompetenzen und nachhaltige Strukturen in Polizei-, Strafverfolgungs-, Ordnungsbehörden und Justiz aufgebaut werden, um geschlechtsbezogener Gewalt besser entgegenzutreten.

Neben der Digitalisierung befassten sich die Gleichstellungsbeauftragten noch mit weiteren Themen. Sie appellieren an den Bund, die Arbeitssituation in der Pflegebranche zu verbessern. Zudem fordert die BAG kostenfreie Verhütungsmittel für Männer und Frauen sowie die Abschaffung der Paragrafen 218 und 219a im Strafgesetzbuch – diese stellen Abtreibungen und die Werbung für einen Schwangerschaftsabbruch unter Strafe.

Was auf Kommunen zukommt

Die Forderungen leiten sich zum einen aus den alltäglichen Erfahrungen der Frauenbeauftragten ab. Das Positionspapier fasse aber auch die Expertise aus dem Dritten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung zusammen, erklärt Verena Balve vom Flensburger Gleichstellungsbüro. Jede Kollegin nehme das Papier nun mit in ihre Kommune, um dort den Digitalisierungsprozess zu begleiten.

Denn auch in den Kommunalverwaltungen verändert sich mit der Digitalisierung vieles. Damit seien Fragen verbunden, erklärt BAG-Sprecherin Roswitha Bocklage. Wer bekommt welche Technik zur Verfügung gestellt? Welche Folgen hat es für den Arbeitsalltag, wenn viele Dienstleistungen automatisiert zur Verfügung gestellt werden? Sitzen künftig im Front-Office nur noch Menschen, die mit der Digitalisierung nicht mitkommen? Werden Arbeitsplätze in der Verwaltung abgemietet, weil sich die Arbeit ins Homeoffice verlagert? „Das sind alles Fragen, die uns ganz konkret beschäftigen und bei denen wir gucken müssen: Betrifft das die Frauen und Männer unterschiedlich?“, sagt Bocklage. Wichtig sei, dass Kommunen gute Lösungen finden, indem sie die Beschäftigten beteiligen und ihre Fragen und Ideen einfließen lassen.

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