Klausur in Osnabrück

Größte SPD-Landesgruppen wollen die Kommunen weiter stärken

Karin NinkKai DoeringCarl-Friedrich Höck09. Januar 2019
Einflussreiche Landesgruppen: Aus NRW (40) und Niedersachsen (22) kommen 62 der insgesamt 152 SPD-Bundestagsabgeordneten.
Kommunen seien Orte der Wahrheit: In einem Diskussionspapier fordern die Chefs der einflussreichen SPD-Landesgruppen NRW und Niedersachsen weitere Schritte, um die Städte und Gemeinden für die Zukunft aufzustellen. Zudem drängen sie auf eine zügigere Erneuerung der Partei – inklusive Urwahl des Kanzlerkandidaten.

Seit Dienstagmittag treffen sich die Bundestagsabgeordneten der SPD aus Niedersachsen, Bremen und Nordrhein-Westfalen in Osnabrück zu einer gemeinsamen Klausur, an der an diesem Mittwoch auch die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles teilnehmen wird. In einem Diskussionspapier fordern die Vorsitzenden der beiden Landesgruppen Johann Saathoff und Achim Post „mehr Selbstbewusstsein und Mut“ von ihrer Partei. Die SPD müsse sich klarer und mutiger in der großen Koalition positionieren.

Neustart und Profilschärfung

Für 2019 geben Saathoff und Post ein doppeltes Ziel aus: „einen Neustart der Regierung zu schaffen und zugleich sozialdemokratische Politik stärker zu profilieren“. Dazu gehört für die beiden Abgeordneten dafür zu arbeiten, dass befristete Beschäftigung drastisch reduziert wird. Der Mindestlohn soll auf „mindestens zwölf Euro steigen“ und eine Grundrente eingeführt werden.

Auch eine Reform des Hartz-IV-Systems – wie von SPD-Chefin Andrea Nahles angestrebt – „noch in diesem Jahr“ unterstützen Saathoff und Post ausdrücklich. „Überzogene Sanktionen“ wollen sie abschaffen, langjährige Versicherte sollen einen längeren Anspruch auf Arbeitslosengeld I haben. Die Pläne der CDU, den Solidaritätszuschlag komplett abzuschaffen, lehnen Saathoff und Post ab. Für hohe Einkommen solle er erhalten bleiben. Darüber hinaus wollen die Abgeordneten den Spitzensteuersatz und die Reichensteuer erhöhen.

Kommunen weiter stärken

Keine Kommune und keine Region dürfe zurückgelassen werden, heißt es in dem Diskussionspapier. Kommunen seien „Orte der Wahrheit“, starke Städte und Gemeinden seien wichtig für eine funktionierende Demokratie und den Zusammenhalt im Land. Um die kommunale Selbstverwaltung zu stärken und die Kommunen für die Zukunft aufzustellen, fordern Saathoff und Post:

  • Bei der geplanten Grundgesetzänderung sollen sich Bund und Länder schnell auf eine Lösung einigen, damit der Bund die Länder und Kommunen dauerhaft unterstützen kann: Bei der Modernisierung der Bildungsinfrastruktur (Digitalpakt), beim Sozialen Wohnungsbau und beim öffentlichen Nahverkehr.
  • Die Kommission „Gleichwertige Lebensbedingungen“ soll einen Vorschlag machen, wie Altschulden abgebaut werden können – und dieser müsse noch in der laufenden Wahlperiode umgesetzt werden. Trotz guter Konjunktur nähmen die kommunalen Altschulden zu, schreiben Saathoff und Post. In struktur und finanzschwachen Kommunen unter Sparzwänge seien in einem Teufelskreis gefangen.
  • Die kommunalen Einnahmen sollen gesichert werden, etwa durch eine zügige Reform der Grundsteuer bis Ende 2019. Die vom Bundesfinanzminister vorgelegten Vorschläge (bundesfinanzministerium.de) seien hierfür eine gute Grundlage. Die Beteiligung der Kommunen an der Umsatzsteuer wollen Saathoff und Post gerechter machen, indem die Arbeitslosenquote bei der Berechnung berücksichtigt wird. Um mehr Planungssicherheit bei der Flüchtlingsintegration zu ermöglichen, soll zügig eine langfristige Lösung für die Übernahme der Unterbringungs und Integrationskosten durch den Bund her.
  • Mit der Einführung einer „Grundsteuer C“ (also eine höhere Besteuerung von unbebauten Brachflächen) wollen Saathoff und Post mehr Flächen für den Wohnungsbau gewinnen und Bodenspekulation bekämpfen. Zudem fordern sie mehr Investitionen in die Digitalisierung von Schulen, Verwaltungsgebäuden, Krankenhäusern und in den sozialen und genossenschaftlichen Wohnungsbau.
  • Die SPD-Forderung nach einem Mietenstopp für fünf Jahre wird ausdrücklich unterstützt.
  • Der flächendeckende Ausbau von Gigabitnetzen auf Glasfaserbasis soll schnell umgesetzt werden. Im Haushalt 2019 stünden für den Investitionsfonds „Digitale Infrastruktur“ bereits 4,1 Milliarden Euro bereit, so Saathoff und Post.  

Die Europäische Union reformieren

Die Reform der Europäischen Union soll nach Ansicht von Saathoff und Post auch nach den Europawahlen Ende Mai weiter „ganz oben auf der Agenda stehen“. Sie fordern einen europäischen Zukunftshaushalt für technologische Investitionen sowie mehr Geld für den Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit. Die „einseitige Sparpolitik“ der vergangenen Jahre soll beendet und eine „strategische Industriepolitik“ etabliert werden.

Die Erneuerung der SPD wollen Johann Saathoff und Achim Post weiter vorantreiben. Diese müsse 2019 „noch grundlegender angepackt“ und es müssten Identifikationsthemen für die gesamte Partei geschaffen werden. Die SPD müsse auch den Mut haben, „Themen offensiv zu setzen und durchzuhalten“. In diesem Zusammenhang sprechen sich Saathoff und Post für eine Urwahl von Spitzenkandidaten aus, „wenn es mehrere Kandidatinnen oder Kandidaten für ein Amt gibt“.

Post: Gut aufgestellt für die Europawahl

„Wir gehen selbstbewusst in dieses Jahr“, betonte Achim Post zu Beginn der Klausur. Die SPD wolle die anstehende Europawahl und die Landtagswahlen gewinnen. „Die SPD ist für Europa in Deutschland mit Katarina Barley und europaweit mit Frans Timmermans gut aufgestellt“, zeigte sich Post überzeugt. Die Partei könne die Menschen von Europa überzeugen.

Johann Saathoff machte deutlich, dass den Bundestagsabgeordneten in der Klausur drei Aspekte besonders wichtig sind: „die SPD als Partei der Arbeit und der sozialen Gerechtigkeit, die SPD als Friedenspartei und die SPD als Partei der Kommunen“. Saathoff betonte auch den besonderen Charakter der Klausur der beiden größten Landesgruppen: „Wir machen das gemeinsam und öffentlich.“

SPD will stärkste Kraft in Bremen bleiben

Als Gast nahm auch der Bürgermeister von Bremen, Carsten Sieling, an dem Treffen in Osnabrück teil. Sieling, der im Mai eine Landtagswahl zu bestehen hat, betonte: „Wir spielen auf Sieg, damit die SPD stärkste Kraft und ich Bürgermeister bleibe.“

Sieling teilt die Einschätzung von Post und Saathoff, die in einem gemeinsamen Arbeitspapier die Notwendigkeit von Investitionen unterstreichen. „Wir stehen vor einem Jahrzehnt der Investitionen“, so der Bürgermeister der Hansestadt. Sieling unterstützt auch den Vorschlag, Hartz IV zu überarbeiten. Außerdem forderte er: „Wir brauchen dringend eine Kindergrundsicherung.“

 

Dieser Artikel ist zuerst auf vorwärts.de erschienen und wurde für die DEMO ergänzt und aktualisiert.

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