Kommunalfinanzen

Mit der Grundsteuer Bauland aktivieren

Christian Rath03. Mai 2016
Die Grundsteuer soll reformiert werden.
Mehr Häuslebauer dank Bodensteuer? Die Grundsteuer soll reformiert werden.
Die geplante Reform der Grundsteuer ist bisher nicht ökologisch motiviert. Das will das Bürgermeisterbündnis „Grundsteuer zeitgemäß” ändern, das der Umweltverband NABU initiiert hat.

Die Grundsteuer A wird auf landwirtschaftliche Flächen erhoben und bringt pro Jahr nur 400 Mio. Euro. Entscheidend ist die Grundsteuer B, die die Eigentümer von Gebäuden und bebauten/bebaubaren Grundstücken zahlen müssen. Sie erbrachte im Jahr 2014 bundesweit einen Ertrag von 12,3 Mrd. Euro und geht ganz an die Kommunen. Zwar macht die Grundsteuer nur zwei Prozent des staatlichen Gesamtsteueraufkommens aus. Aus Sicht der Kommunen ist die Grundsteuer jedoch die drittwichtigste Steuerart. Sie steht für rund 15 Prozent ihrer Steuereinnahmen (nach der Gewerbesteuer mit 42 Prozent und dem Gemeindeanteil an der Einkommenssteuer mit 38 Prozent).

Wie die Grundsteuer berechnet wird

Bisher wird die Grundsteuer für eine Immobilie in drei Schritten berechnet:

  1. Ausgangspunkt ist der Einheitswert von Grundstück und Gebäude. Dabei wird imer noch auf Wertfeststellungen von 1964 (alte Bundesrepublik) bzw. 1935 (neue Länder) zurückgegriffen.
  2. Im zweiten Schritt wird dieser Einheitswert mit einer Steuermesszahl von 2,6 bis 3,5 Promille multipliziert, je nach Art der Bebauung. In Ostdeutschland ist die Steuermeßzahl wegen der älteren Einheitswerte höher (zwischen 5 und 10 Promille). Das Ergebnis nennt man Steuermessbetrag.
  3. Im dritten Schritt wird der Steuermessbetrag mit dem örtlichen Hebesatz multipliziert. Im Bundesschnitt lag der Hebesatz 2014 bei 441 Prozent. Diesen Hebesatz bestimmt der jeweilige Gemeinderat.

Die Grundsteuer kann im Rahmen der Nebenkostenabrechnung vollständig auf die Mieter umgelegt werden, betrifft also fast jeden.

Die Grundsteuer soll reformiert werden

Hauptkritikpunkt ist bisher die Nutzung der jahrzehntealten Einheitswerte. Diese wurden vom Bundesverfassungsgericht bereits in den 90er-Jahren als Grundlage der Vermögens- und Erbschaftssteuer beanstandet. Damals ging es um die Bevorzugung von Immobilien gegenüber anderen Werten wie Bargeld, Aktien oder Schmuck. Bei der Grundsteuer, die ja nur auf Immobilien bezahlt werden muss, ist das Problem ein anderes. Hier wird moniert, dass die Orientierung an uralten Wertfeststellungen zu Ungleichbehandlungen zwischen den Immobilieneigentümern einer Kommune führt. Immobilien, die 1964 bzw. 1935 gleich bewertet wurden, können heute – je nach Lage und Nutzungsart – ganz unterschiedlich viel wert sein.

Im schwarz-roten Koalitionsvertrag von 2013 ist daher eine Reform der Grundsteuer vorgesehen. Das Grundsteuergesetz ist ein Bundesgesetz, dem der Bundesrat zustimmen muss. Deshalb sollen sich laut Koalitionsvertrag zunächst die Länder auf eine gemeinsame Position einigen. Ziel ist ein aufkommensneutrales Modell, das die Werte gerechter, also aktueller und differenzierter, abbildet, zugleich aber wenig Aufwand bei der Umstellung und laufenden Bewertung der immerhin rund 35 Millionen deutschen Grundstücke und Gebäude verursacht.

Mühsame Verhandlungen der Länder

Im Juni 2015 haben sich immerhin 15 Länder (außer Bayern) auf ein Modell geeinigt, das allerdings im Juli vom Bundesfinanzministerium als unausgereift an die Länder zurückgewiesen wurde. Seitdem verhandeln die Länder wieder im Stillen. Möglicherweise wird bei der Finanzministerkonferenz im Juni 2016 ein neues Modell vorgestellt.

Für zusätzlichen Handlungsdruck sorgte im Oktober 2014 ein Beschluss des Bundesfinanzhofs, der die Orientierung an den alten Einheitswerten für die Zeit ab 2009 für verfassungswidrig hält. Er hat diese Frage dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt, das endgültig entscheiden muss. Federführender Richter ist in Karlsruhe Michael Eichberger, der 2015 mit den Klagen zur Erbschaftssteuer blockiert war und sich 2016 hauptsächlich um das Verfahren zum Atomausstieg kümmern muss. Voraussichtlich wird wohl frühestens 2017 eine Entscheidung zur Grundsteuer fallen. So wie es aussieht, wird die Politik wohl die Vorgaben des Verfassungsgerichts abwarten, bevor sie eine Reform beschließt.

Naturschützer wollen eine Bodensteuer

Ulrich Kriese, dem siedlungspolitischen Sprecher des NABU, ist es ganz recht, dass sich das Fenster der Gelegenheit nicht so schnell schließt. Denn der NABU will gemeinsam mit einem Bürgermeisterbündnis die Diskussion in eine ganz neue Richtung lenken. Während es bei der Grundsteuer bisher auf den gemeinsamen Wert von Boden und Gebäuden ankommt, favorisiert der NABU eine reine Bodensteuer. Dies soll die Eigentümer animieren, bebaubare Grundstücke im Innenbereich zu bebauen. Wenn der Wert des Gebäudes bei der Steuer nicht berücksichtigt würde, wäre dies ein Anreiz, Grundstücke nicht brach liegen zu lassen. So soll die Landschaftszersiedelung im Außenbereich verlangsamt werden.

Bisher haben knapp fünfzig Bürgermeister den Aufruf „Grundsteuer zeitgemäß” unterzeichnet. Bekanntester Kopf ist der Grüne Boris Palmer, OB von Tübingen. Unter den Erstunterzeichnern sind auch die Sozialdemokraten Anton Knapp (Hüfingen, Baden-Württemberg) und Jürgen Lübbers (Samtgemeinde Barnstorf, Niedersachsen). Unterstützt wird das Bündnis unter anderem von mehreren Umweltverbänden, dem Deutschen Mieterbund, aber auch vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW).

Im Bundestag hat die Bodensteuer bisher kaum Anhänger

Unter den Fraktionen im Bundestag und unter den Bundesländern gibt es bisher keine ausdrücklichen Befürworter einer reinen Bodensteuer. Die Vorstellung, dass die in der Regel wertvolleren Gebäude bei der Berechnung der Grundsteuer gar keine Rolle spielen sollen, ist wohl psychologisch und für die politische Akzeptanz ein Hemmnis. Auch ist die ökologische Lenkungswirkung der Grundsteuer begrenzt – solange es den Konsens gibt, dass eine Reform aufkommensneutral sein soll. Immerhin ist eine reine Bodensteuer einfacher zu administrieren, weil die streitanfällige Bewertung von Gebäuden entfällt.

Veranstaltungshinweis zur Bodensteuer-Debatte

Die Friedrich-Ebert-Stiftung lädt am 23. Mai, 18 Uhr in Berlin zur Diskussion: „Mit Grundsteuer und Bodenrecht Bauland aktivieren”. Weitere Informationen dazu gibt es unter diesem Link.