Corona-Krise

Wie gut das Gesundheitssystem für Covid-19 gerüstet ist

Carl-Friedrich Höck23. März 2020
Rettungswagen vor einer Berliner Klinik
Trotz „Kliniksterben“ sind die deutschen Krankenhäuser vergleichsweise gut aufgestellt. Ein neues Gesetz soll helfen, damit die Kliniken auch die Corona-Krise überstehen. Unterdessen reagieren Kommunen mit „Drive-In-Tests“ auf die Pandemie.

#Flattenthecurve – die Kurve flach halten! Das ist das Motto, unter dem die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie stehen. Das Tempo der Neuinfektionen soll gedrosselt werden, damit nicht mehr Menschen gleichzeitig medizinisch behandelt werden müssen, als die Kapazitäten des Gesundheitssystems hergeben. Aber wie steht es um die Kliniken in Deutschland?

Fast jedes dritte Krankenhaus ist kommunal

Die aktuellsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes stammen aus dem Jahr 2017. Danach gibt es in Deutschland 1.942 Krankenhäuser. Fast jedes dritte (29 Prozent) befindet sich in öffentlicher Trägerschaft, wird also in der Regel von einer Kommune betrieben. 34 Prozent werden von Kirchengemeinden, Stiftungen oder Vereinen unterhalten. Und 37 Prozent der Kliniken sind private Einrichtungen.

Noch wichtiger ist die Zahl der verfügbaren Betten. Sie beträgt in Deutschland 497.200. Kommunale Einrichtungen sind im Schnitt etwa dreimal so groß wie private. Deshalb steht fast jedes zweite Bett (48 Prozent) in einem öffentlichen Krankenhaus.

Somit tragen die Städte und Landkreise entscheidend dazu bei, dass Deutschland im internationalen Vergleich relativ gut dasteht. Mit etwa sechs Betten pro 1.000 Einwohner*innen verfügt die Bundesrepublik zwar über weniger als Japan (13) oder Südkorea (12), liegt aber deutlich vor anderen europäischen Ländern wie Italien (3). Diese Zahlen sind allerdings schon älter und stammen aus unterschiedlichen Jahren. Sie sind also nur bedingt vergleichbar und geben nicht den aktuellen Stand in der Corona-Pandemie wieder. (Quellen: Destatis und Statista.)

Noch reicht die Zahl der Intensivbetten

Im Kampf gegen Corona ist besonders entscheidend, wie viele Menschen im Notfall intensivmedizinisch behandelt werden können. Laut den Zahlen von 2017 stehen in deutschen Krankenhäusern 28.000 Intensivbetten bereit, im Jahr 2017 waren sie zu 79 Prozent ausgelastet. 20.000 Betten haben eine Beatmungsmöglichkeit.

„Es gibt jetzt im Moment ausreichend Kapazitäten für schwerkranke Corona-Patienten“, teilt die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) auf ihrer Internetseite mit. Doch die gegenwärtige Situation sei eine „nie dagewesene Herausforderung“. Die Grippe-Epidemie von 2017/18 habe aber gezeigt, dass die Krankenhäuser mit solchen Herausforderungen umgehen können. Damals starben in Deutschland mehr als 25.000 Menschen aufgrund einer ungewöhnlich starken Grippewelle.

Die DKG verweist darauf, dass jedes Krankenzimmer, das über ein eigenes Bad verfügt, in ein Isolierzimmer umgewandelt werden kann. Außerdem würden nun planbare Operationen verschoben, um weitere Kapazitäten auf den Intensivstationen freizumachen. „Zusätzlich laufen in allen Krankenhäusern, unterstützt durch zentrale Maßnahmen des Bundesministeriums für Gesundheit, Bestrebungen, mittelfristig weitere Beatmungsplätze zu schaffen und zusätzliche Beatmungsgeräte anzuschaffen.“ Die DKG geht davon aus, dass die Intensivkapazitäten innerhalb der bestehenden Strukturen um 20 Prozent aufgestockt werden können.

Darüber hinaus gibt es auch Bemühungen, neue Strukturen zu schaffen. In Berlin soll innerhalb weniger Wochen ein Behandlungszentrum für Corona-Fälle errichtet werden. 1.000 Betten soll es umfassen und auf dem Messegelände entstehen.

Regierung spannt Rettungsschirm für Kliniken

Paradox ist: Während die Krankenhäuser gebraucht werden wie selten zuvor, fragen sich viele Klinikleitungen, ob ihr Betrieb die Coronakrise wirtschaftlich übersteht. Weil geplante OPs verschoben und Betten präventiv freigehalten werden, gehen Einnahmen verloren. Die Bundesregierung plant nun ein Krankenhaus-Entlastungsgesetz, also einen Rettungsschirm für Kliniken, mit dem Einnahmeausfälle kompensiert werden sollen. Zudem will der Bund jedes neu geschaffene Intensivbett mit einem Bonus von jeweils 50.000 Euro bezuschussen.

Ohnehin ist die Zahl der Krankenhäuser in den letzten 20 Jahren schon deutlich zurückgegangen: von 2.242 im Jahr 2000 auf die genannten 1.942. Das sogenannte Kliniksterben hat besonders den ländlichen Raum getroffen. Auch die Zahl der Betten ist im genannten Zeitraum stark gesunken. Das Gesundheitssystem wurde auf Effizienz getrimmt. Weil die Patient*innen sich im Schnitt aber immer kürzer in den Kliniken aufhalten, ist die Auslastungsquote der Betten stabil geblieben. Zudem wurde mehr Personal eingestellt, vor allem im ärztlichen Dienst, was eine intensivere Behandlung ermöglichte.

Drive-In-Tests statt Arztbesuche

Eine weitere Herausforderung für das Gesundheitssystem besteht darin, ausreichend Tests durchzuführen bei Menschen, die sich womöglich mit dem neuartigen Coronavirus (Sars-CoV-2) infiziert haben. Ursprünglich galt: Wenn ein begründeter Verdacht besteht, soll man telefonisch den Hausarzt kontaktieren und sich dann von ihm testen lassen.

Doch angesichts der rasanten Ausbreitung des Virus wären die niedergelassenen Ärzt*innen vielerorts überfordert, wenn sie bei jedem Verdachtsfall einen Hausbesuch abstatten müssten.

In mehreren Kommunen haben sich die Krisenstäbe deshalb entschieden, eigene Teststationen aufzubauen. Diese funktionieren teilweise wie ein Drive-In: Die Patient*innen sollen nach vorheriger Anmeldung mit dem eigenen Auto vorfahren. Vor Ort wird dann ein Abstrich gemacht, der anschließend in ein Labor geschickt wird. So wird das Risiko einer Ansteckung minimiert, weil es keine gemeinsam genutzten Warteräume gibt. Solche Testzentren gibt es zum Beispiel in Düsseldorf, Hannover, Jena, Duisburg oder Unterföhring bei München. Um der Nachfrage gerecht zu werden, dürften die Testzentren nur auf ärztliche Anordnung genutzt werden.

Laut Medienberichten haben jedoch die ersten Landkreise die Tests bereits ganz eingestellt: nämlich Wetterau und Werra-Meißner in Hessen. Man wolle die vorhandenen medizinischen Kapazitäten nicht auf eine Maßnahme verschwenden, die medizinisch folgenlos sei, berichtet der Nordkurier. Das ursprüngliche Ziel, die Ausbreitung des Virus einzudämmen und zu kontrollieren, sei nicht mehr zu halten. „Das Virus ist unter uns“, heißt es auf der Homepage des Wetterau-Kreises.