Wahlen 2019

Guter Start für Kitakinder

Uwe Roth24. April 2019
Bei den Kommunalwahlen in Baden-Württemberg setzt die SPD stark auf gebührenfreie und gute Kitas und Kindergärten. Frühkindliche Bildung sei ein öffentlicher Auftrag und keine Einkommensfrage, meint Hermann-Josef Pelgrim, Oberbürgermeister von Schwäbisch Hall.

Kindertagesstätten sind Bildungseinrichtungen. Hermann-Josef Pelgrim unterstreicht diesen Satz und setzt große Hoffnung in das Gute-Kita-Gesetz. Der 59-Jährige ist seit mehr als 20 Jahren SPD-Oberbürgermeister der Stadt Schwäbisch Hall im Nordwesten von Baden-Württemberg und beobachtet aus nächster Nähe, wie aus dem klassischen Kindergarten eine Stätte mit gewachsenem pädagogischen Anspruch wird. Die Eltern zahlen für die allgemeinbildenden Schulen kein Schulgeld. Warum also sollen sie für den Besuch einer Kindertageseinrichtung bezahlen? „Frühkindliche Bildung ist ein öffentlicher Auftrag und keine Frage vom Einkommen der Eltern“, stellt er fest. Weg von der Betreuung – hin zur Bildung, darüber bestehe in Schwäbisch Hall Konsens.

Das Thema steht überall in Baden-Württemberg ganz oben: vor allem mit Blick auf die anstehenden Kommunalwahlen. Das betont Andreas Stoch, Vorsitzender der SPD-Baden-Württemberg, gegenüber der DEMO. Stoch sieht das Volksbegehren der SPD als „landesweite Klammer für diesen Kommunalwahlkampf.“

Die Finanzen im Blick

Ende des Jahres 2018 hat der Gemeinderat in Schwäbisch Hall einstimmig einen Beschluss gefasst, die Kita-Gebühren abzuschaffen. Als Zieldatum wurde das Jahr 2020 festgelegt. Der Zeitplan hängt indes auch davon ab, „ein Modell zu entwickeln, mit welcher Geschwindigkeit die Finanzierung gewährleistet werden kann“, so Pelgrim. Das werde die nächste Haushaltsberatung ergeben. Die erste Schätzung liegt bei einem jährlichen Mehraufwand von 2,5 Millionen Euro. Die monatlichen Elternbeiträge liegen derzeit fürs erste Kind, das älter als drei Jahre ist, zwischen 127 Euro für sechs Stunden bis 274 Euro für elf Stunden. Dazu kommt eine Verpflegungspauschale von bis zu 100 Euro. Für Kleinkinder (unter drei Jahre) zahlen Eltern zwischen 170 und 514 Euro. Die U3-Versorgung mit Betreuungsplätzen liegt bei knapp 50 Prozent.

Pelgrim ist als Verwaltungschef für die Finanzen verantwortlich. Er weiß, wie schnell eine Kommune in die Bredouille geraten kann, wenn das größte Unternehmen der Stadt als Gewerbesteuerzahler schwächelt. Anfang der 2000er Jahre war das passiert. Davon hat sich Schwäbisch Hall längst erholt. Die Stadt hat 40.000 Einwohner und gehört zu den am stärksten wachsenden Mittelstädten Baden-Württembergs. „Wir haben eine dynamische Entwicklung bei den versicherungspflichtigen Arbeitsplätzen, so dass wir bereits seit Jahren eine Vollbeschäftigung haben.“ Die Anzahl der Kinder wächst entsprechend überdurchschnittlich – fast 400 waren es 2018.

Hoffen auf das „Gute-Kita-Gesetz“

Pelgrim bleibt dennoch vorsichtig und hat zunächst eine Anhebung der Kita-Gebühren um sechs Prozent beantragt. Aber die SPD-Fraktion wollte das nicht. Im laufenden Jahr wendet die Stadt 17,2 Millionen Euro für Kindertageseinrichtungen auf. 2017 waren es noch 13,9 Millionen Euro. 1,7 Millionen Euro kommen an Elternbeiträgen zusammen. In einem Jahr soll eine neue Kita mit 120 Plätzen eingeweiht werden. Kosten knapp sechs Millionen Euro. OB Pelgrim stützt den Beschluss des Gemeinderats, wie er bekräftigt. Und er setzt seine Hoffnung auf das Gute-Kita-Gesetz der Bundesregierung, das seit Jahresbeginn gilt. Bis einschließlich 2022 will der Bund 718 Millionen Euro nach Baden-Württemberg überweisen. Pelgrim hofft, dass möglichst viel davon bei den Kommunen ankommt, und diese das Geld weitgehend eigenständig ausgeben können.

Wie es gemacht wird, macht die wirtschaftsstarke Nachbarstadt Heilbronn vor. Seit mehr als zehn Jahren sind die Gebühren für Ü3-Kinder abgeschafft. OB Harry Mergel (SPD) ist überzeugt, dass sich die vier Millionen Euro Mehraufwand jährlich bezahlt machen. Kollege Pelgrim stellt fest: „In der jetzigen Struktur in Baden-Württemberg können sich nur steuerstarke Städte so eine Entwicklung erlauben.“ Soziale Brennpunkte kennen beide Städte nicht. Kommunen, die davon betroffen sind, haben nicht das Geld für eine Gebührenbefreiung. „Doch gerade für einkommensschwache Eltern wären solche Betreuungsangebote wichtig“, sagt Pelgrim und stellt fest: „Deshalb bleibt die Kita-Betreuung eine öffentliche Aufgabe, die gesamtstaatlich zu bewältigen ist, und keine einzelner Kommunen.“ Er hofft, dass das von der Landes-SPD angestrengte und von der Landesregierung wegen verfassungsrechtlicher Bedenken abgelehnte Volksbegehren, die Kita-Gebühren im Land abzuschaffen, doch noch zum Tragen kommt. „Aber egal, wie es endet. Das darf uns nicht davon abhalten, hier dann eigene Wege zu finden.“