Rechtsextremismus

„Wir haben ein strukturelles Problem mit Rechten in Bautzen“

Robert Kiesel20. September 2016
Bautzen im Sonnenuntergang. Die Stadt geriet nach Ausschreitungen zwischen Rechtsextremen und Flüchtlingen in die Schlagzeilen.
Seit der Eskalation der vergangenen Woche beherrscht Bautzen die Schlagzeilen. Martin Schneider ist Vorsitzender des SPD-Ortsvereins in der sächsischen Kleinstadt. Er setzt auf Dialog und warnt vor einer Spaltung der Gesellschaft.

Wie ist die Situation in Bautzen aktuell, wie erklären Sie sich die jüngste Eskalation?

Vorangeschickt sei, dass sich die Lage in Bautzen über einen längeren Zeitraum hochgeschaukelt hat. Die jugendlichen Flüchtlinge nutzen den Kornmarkt schon länger als Treffpunkt, vertreiben sich die Langeweile, teilweise auch gemeinsam mit deutschen Jugendlichen. Das kann auch schon mal länger gehen oder lauter werden, zum Unmut einiger Bautzener.  Nach einer rechten Demo inklusive Gegendemo am Freitag kam es dann am Mittwoch zur Eskalation. Die Rechten haben sich sicher dazu verabredet. 80 Personen kommen ja nicht zufällig an einem Ort zusammen.

Erst der Brandanschlag auf eine geplante Unterkunft für Asylbewerber, nun die Ausschreitungen vom Mittwochabend: Hat Bautzen ein Problem mit Rechtsextremen?

Wir haben ein strukturelles Problem mit Rechten in Bautzen, in Ostsachsen und vielleicht sogar im gesamten Bundesland. Dagegen müssen wir vorgehen. Auf der persönlichen Ebene müssen die Gewalttäter auf beiden Seiten konsequent bestraft werden. Das Gewaltmonopol liegt beim Staat. Das muss jetzt deutlich werden.

Ist die Sicherheit der Asylbewerber in Bautzen gewährleistet?

Die Wahrheit ist, dass sich die Sicherheit der Flüchtlinge aktuell nur durch ausreichendes Personal der Polizei gewährleisten lässt. Das darf aber nur ein kurzfristiger Zustand sein. Genau wie die Ausgangssperre für die Asylbewerber ab 19 Uhr. Sie kann keine Dauerlösung sein.

Wie stehen Sie zur der Ausgangssperre für Flüchtlinge, die in zahlreichen Medien scharf kritisiert wird?

Ich halte den Schritt in dieser Situation für legitim und richtig, es wäre aber ein wichtiges Signal der Fairness, wenn auch rechte Aufmärsche dort jetzt verhindert werden. Erstmal muss der Druck aus dem Kessel, die Situation beruhigt werden. Wenn die Rechten das jetzt als Triumph feiern, ist mir das egal. Uns muss es um die Frage gehen, wem die Platte (der Kornmarkt, Anm. d. Redaktion) in sechs Monaten gehört. Ich denke, allen Menschen in Bautzen! Dafür müssen wir aber zunächst von der Aufgeregtheit der vergangenen Tage wegkommen.

Was tun Sie, was tut die SPD-Bautzen, um die Situation vor Ort zu beruhigen?

Wir versuchen mit Dialogangeboten in der Stadt einen gesellschaftlichen Konsens  zur Flüchtlingssituation herauszuarbeiten. Aktuell laufen die „Bautzener Demokratiewochen“ in unserer Stadt. Zukünftig wollen wir einen Runden Tisch organisieren. Wir wollen regelmäßig und langfristig mit den Leuten ins Gespräch kommen. Die Spaltung der Gesellschaft in Bautzen muss abgebaut werden. Das ist unser zentrales Thema. Außerdem rufen wir bundesweit auf, mit der Unterzeichnung unseres „Bautzener Online-Appells gegen Fremdenhass und für faire Flüchtlingspolitik“ das freundliche Gesicht Bautzens zu unterstützen!

 

Dieser Text erscheint mit freundlicher Genehmigung von vorwaerts.de

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