E-Commerce im Einzelhandel

Wie Händler im digitalen Zeitalter bestehen können

Norbert Tessmer03. März 2017
Einkaufsbummel in Berlin
Der klassische Einkaufsbummel führt durch die Innenstadt, aber immer mehr Menschen shoppen im Internet. (Symbolfoto, aufgenommen in Berlin.)
In Coburg werden Einzelhändler ermutigt und unterstützt, stationären Handel und Inlinehandel erfolgreich zu verknüpfen: Wie Coburg auf dem Weg zur digitalen Einkaufststadt ist.

Was brauchen Händler, um im digitalen Zeitalter mit ihren Ideen, Vorstellungen und Unternehmungen zu bestehen? Was bedeutet Multi-Channeling, Big Data, Voice Interfaces oder was ist ein Virtual Mirror? Schon die Flut an Fremdwörtern hinterlässt bei so manchem Einsteiger ins digitale Business nichts als Fragezeichen in den Augen. Doch genau diese Hürde gilt es zu überwinden, das wurde im Laufe der Roadshow-Veranstaltung „Erfolgreich im eCommerce – Ideen, Know-How und Networking für den lokalen Handel“, die kürzlich im Rahmen des Modellprojektes „Digitale Einkaufsstadt Coburg“ stattfand, schnell klar. Denn eine Tatsache erscheint unausweichlich: Das Internet und die damit verbundenen Möglichkeiten und Herausforderungen werden wir nicht mehr los.

Lokaler Einzelhandel im Gespräch mit Digital-Exeperten aus der Region

Es ist besser, sich darauf einzulassen, als die Augen davor zu verschließen. Auch das haben viele Coburger Unternehmer erkannt. Das Interesse an der Veranstaltung war dementsprechend groß und der Saal im Gesellschaftshaus Leise am Markt voll besetzt. Lokale (Einzel)-Händler kamen mit Experten und erfahrenen „Digitalen“ aus der Region ins Gespräch, tauschten Erfahrungen aus und ließen sich von Erfolgsgeschichten inspirieren. „Ziel der Veranstaltung ist es, die Potenziale der Digitalisierung und die für ein Geschäft daraus erwachsenden Herausforderungen und Chancen selbst zu erkennen“, erklärte Karin Engelhardt, Leiterin der Stabsstelle für E-Government der Stadt Coburg. Mit ihrem Team organisierte sie die Veranstaltung, auch mit der fachlichen Unterstützung der „Initiative Intelligente Vernetzung“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie und in Kooperation mit der Industrie- und Handelskammer zu Coburg, der Wirtschaftsförderungsgesellschaft der Stadt Coburg und der Sparkasse Coburg-Lichtenfels.

Der Autor Norbert Tessmer ist Oberbürgermeister von Coburg. (Foto: privat)

Coburg ist längst auf dem Weg zu einer Digitalen Einkaufsstadt. Seit 2015 ist die Vestestadt Teil eines Modellprojekts, in dem mit Hilfe digitaler Strategien die Händler ermutigt und unterstützt werden, den Online- und den stationären Handel erfolgreich und effizient zu verknüpfen. Bereits seit 2001 baut die Stadt „Stein für Stein“ auf, um die digitale Daseinvorsorge immer weiter zu entwickeln. Dabei ist ein „stetiges Veränderungsmanagement“ unerlässlich. Coburg übernimmt deutschlandweit eine Vorreiterrolle, das bestätigte auch Thilo Zelt, Leiter der Initiative Intelligente Vernetzung und Moderator des Nachmittags. Seit Anfang 2016 werden konkrete Konzepte zu der Idee „Digitale Einkaufsstadt Coburg“ ausgearbeitet, um die Innenstadt zu beleben und den Einzelhandel zu stärken.

Eigene Strategie entwickeln

Doch wie kann sie aussehen, die perfekte Lösung, die für jedes Unternehmen im Handel passt? „Eine einzige Lösung wird es nicht geben“, erklärte Thomas Bendig, Forschungskoordinator des Frauenhofer-Verbundes für Informations- und Kommunikationstechnologie, der die Zukunft des Handels beleuchtete. Wichtig bei allen Vorhaben ist, dass der Mensch im Mittelpunkt steht, nicht die Technologie, so der Experte. Händler sollten ihre geschäftliche Situation genau analysieren, um eine eigene Strategie zu entwickeln. Angefangen bei Einträgen auf Facebook oder Newslettern, die per WhatsApp an Kunden versendet werden, bis hin zum Omni-Channel, einer Weiterentwicklung des Multi-Channel-Vertriebs, bei dem sämtliche Absatzkanäle bedient werden.

Schließlich gilt: Nicht für jeden Händler steckt die Lösung seiner digitalen Zukunft in der Schaffung eines kompletten Online-Shops. Wichtig sei es, auf irgendeine Weise im Netz präsent zu sein, Angebote zu machen, um Kunden zu erreichen und zu halten. Das beweist das Ergebnis einer im Rahmen des Modellprojektes durchgeführten Umfrage: Ein Drittel der Befragten gab auch für Coburg an, sich vor einem Einkauf in der Innenstadt zunächst im Internet über Geschäfte, deren Erreichbarkeit, lokale Veranstaltungen sowie Servicethemen zu informieren.

Eine Plattform, viele Händler

Helfen können hier Plattformen wie das Digitale Schaufenster „GoCoburg“ , auf dem sich aktuell 36 Coburger Händler, Dienstleister und Gastronomen mit ihren Angeboten präsentieren. Content-Marketing heißt das Stichwort, bei dem mit Hilfe von Fotos, Videos und Texten Inhalte digital erlebbar gemacht werden.

Veranstaltungs-Kekse
Analoge „Cookies“ zur Stärkung der Veranstaltungsteilnehmer des Roadshowtermins am 30. November 2016 in Coburg. (Foto: Stadt Coburg)

„Das funktioniert wie eine Art verlängertes Schaufenster. Wir transportieren hier Emotionen und erzählen Geschichten. Alle daran angedockten Social-Media-Kanäle tragen außerdem zum Informations­fluss bei“, erklärte Andreas ­Kücker, Geschäftsführer der Coburger Agentur Klickfeuer und Betreiber von „GoCoburg“. Er riet den anwesenden Händlern, sich nicht vor der Digitalisierung zu verschließen, sondern „einfach einmal etwas auszuprobieren und Spaß daran zu haben“. Möglichkeiten gebe es dank Facebook, WhatsApp, Instagram, Twitter, Pinterest oder einer Gemeinschaftsplattform wie „GoCoburg“ viele. Auch Peter Schödlbauer ist den Weg der Digitalisierung mit seinem im Bayerischen Wald ansässigen Modehaus, einem lokal verwurzelten Familienbetrieb in dritter Generation, in den vergangenen Jahren konsequent gegangen. Heute ist er sowohl mit seinem Modehaus als auch mit seinem Online-Shop, auf dem er Hemden, Blusen und Corporate Fashion anbietet, sehr erfolgreich. Kunden können digital Beratungstermine ausmachen oder Ware reservieren lassen. Seine rund 50 Mitarbeiter nehmen regelmäßig an Schulungen teil, um sich digital fit zu machen. „Grundsätzlich ist Beratung wichtig. Aber wir haben festgestellt, dass nicht alles zu uns passt, was uns von Fachleuten empfohlen wurde. Man darf sich nichts überstülpen lassen, sondern muss selbst wissen, was man erreichen möchte“, so der Unternehmer.

„Stationärer Handel stirbt nicht aus“

Das Einkaufen per App zum Spielerlebnis machen oder mit Hilfe von Sensordaten genau wissen, wann und wo sich potenzielle Kunden im Laden aufhalten? Drei Coburger Existenzgründer, Studenten und Absolventen der Hochschule Coburg, präsentierten eindrucksvoll mit ihren Geschäftsmodellen in den Bereichen „Gamification“ und „Augmented Reality“ neue Ideen, um Kunden zukünftig noch stärker zu binden und nachhaltig interessant zu bleiben.

Die gute Nachricht kam abschließend von Prof. Roland Hertrich von der Hochschule Coburg, nach dessen Einschätzung der stationäre Handel auf Grund der digitalen Konkurrenz im Internet keineswegs ausstirbt, wie in der Vergangenheit oft prognostiziert wurde. „Wenn die stationären Händler in Zukunft on- und offline alle Möglichkeiten wahrnehmen, könnten sie die Gewinner sein“, prognostizierte der Experte, „bauen Sie keine Gegensätze zwischen dem stationären und dem Online-Geschäft auf“. In Coburg sei bereits jeder Einzelhändler online gelistet, etwa die Hälfte verfüge über eine eigene Homepage. Aber nur jeder siebte Einzelhändler bietet auf seiner Seite eine Beratung an, das wiederum zeigt eine Studie der Hochschule Coburg.

Der Text ist in der Regionalausgabe Bayern der DEMO erschienen und wird mit freundlicher Genehmigung der SGK Bayern veröffentlicht.
 

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