Arbeit

Heil: „Bündnisse für Ausbildung schmieden“

Benedikt Dittrich12. März 2021
Gleichzeitig besorgt und optimistisch: Detlef Scheele (links), Vorsitzender der Bundesagentur für Arbeit, und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil zu der Arbeitsmarktentwicklung ein Jahr nach dem ersten Lockdown.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil will 2021 zu einem „Jahr der Ausbildung“ machen – damit der erhoffte Wirtschaftsaufschwung nach der Corona-Krise nicht durch einen Fachkräftemangel ausgebremst wird. Er sorgt sich um den Nachwuchs, der bald dringend gebraucht werden könnte.

Ein Jahr Corona, ein Jahr nach dem ersten Lockdown. Ein Jahr, in dem der Arbeitsmarkt in Deutschland von Kurzarbeit geprägt war. Zeitweise befanden sich nach Berechnungen der Bundesagentur für Arbeit mehr als sechs Millionen Menschen in Kurzarbeit. Doch sowohl Bundesarbeitsminister Hubertus Heil als auch Detlef Scheele, Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit, blicken optimistisch zurück: Massenarbeitslosigkeit konnte trotz der Krise verhindert werden.

Die Ausweitung der Kurzarbeit habe nicht wie teilweise befürchtet dazu geführt, dass die Menschen zeitverzögert arbeitslos wurden. Im Gegenteil: Beschäftigte konnten vielerorts ihre Stellen behalten, in vielen Branchen wird inzwischen wieder Vollzeit gearbeitet. Deswegen schauen sowohl Heil als auch Scheele trotz zweitem Lockdown ebenso optimistisch nach vorne; in die Zeit, in der sich Deutschland aus der Krise herauskämpft, die Wirtschaft wieder wächst, die Arbeitslosigkeit zurückgeht.

Heil: "Bewährungsprobe kommt 2021"

Doch gerade bei dieser eigentlich positiven Perspektive werden bei dem sozialdemokratischen Arbeitsminister die Sorgenfalten tiefer. Die Katastrophe habe man in 2020 abgewendet, sagt Heil am Freitag, aber: „Die Bewährungsprobe kommt im Jahr 2021.“ Der aktuelle Ausbildungsjahrgang bereite ihm große Sorgen, sagt der Niedersachse. Denn es gebe gerade zu wenige Berufspraktika, zu wenige Möglichkeiten der Berufsorientierung, zu wenige Ausbildungsplätze.

Hinzu kommt eine große Unsicherheit in den Schätzungen, wie BA-Chef Scheele ergänzt: „Wir kommen nicht in die Schulen.“ Deswegen wisse man nicht genau, wie viele Jugendliche tatsächlich einen Ausbildungsplatz suchen. Auch einen zusätzlichen Nachholeffekt hält Scheele für denkbar: Es könnte Schüler*innen geben, die womöglich nur noch in der Schule sitzen, weil sie aktuell keinen Ausbildungsplatz finden. Diese könnten parallel zum regulären Jahrgang dann vorzeitig von der Schule abgehen und zusätzlich auf einen ohnehin schon stark eingeschränkten Ausbildungsmarkt strömen. Eine „Generation Corona“ befürchtet der Arbeitsmarktexperte zwar nicht, allerdings: „Auch ein Jahrgang Corona ist schwer in die Ausbildung zurückzuholen, wenn er einmal weg ist.“

„Jahr der Ausbildung“ gegen Konjunkturbremse

Während Betriebe gegenwärtig noch überlegen, ob sie überhaupt ausbilden wollen oder können, ruft der Arbeitsminister deswegen am Freitag das „Jahr der Ausbildung“ aus: „Jetzt nicht auszubilden und dann später über einen Fachkräftemangel zu klagen, wäre keine gute Idee.“ Dafür kämpft Hubertus Heil mit Ausbildungsprämien, Schutzschirmen, Sozialpartnerschaften und Übernahme-Möglichkeiten für Azubis, sollte ihr Ausbildungsbetrieb in die Insolvenz schlittern. Vor allem die Prämien will er gerne verdoppeln, um finanzielle Risiken für Betriebe abzufedern – noch in diesem Monat hofft er dafür auf einen positiven Beschluss im Kabinett. „Ich bin zuversichtlich, dass wir zu einer Einigung kommen“, so Heil, man sei sich im Grunde schon „sehr einig“ mit den anderen Ministerien.

Geld alleine werde sicherlich das Problem nicht lösen, „aber es wird helfen“. Außerdem appelliert Heil er an Kommunalpolitiker*innen und Arbeitgeber*innen, überall wo möglich „Bündnisse für Ausbildung“ zu schmieden. Seine größte Befürchtung: Wenn der Wirtschaftsaufschwung im Folgejahr einsetzen sollte, könnte dann durch einen zusätzlichen Fachkräftemangel die Konjunktur unnötig ausgebremst werden. Denn wenn nicht jetzt, in diesem Jahr, ausgebildet werde, würden genau diese Menschen fehlen, um neue Jobs zu besetzen. „Das sind die Fachkräfte von morgen“, warnt Heil eindringlich in der Bundespressekonferenz.

Krise traf vor allem Geringqualifizierte

Es ist auch eine weitere Erkenntnis aus der Krise, dass diejenigen, die in sozialversicherungspflichtigen Berufen, mit höherer Qualifikation arbeiten, im Schnitt besser durch die Krise gekommen sind, häufiger ihre Arbeit behalten haben, seltener arbeitslos wurden. Detlef Scheele jedenfalls erklärt den Anstieg der Arbeitslosigkeit vor allem damit, dass Menschen in Zeitarbeitsfirmen, mit geringer Qualifikation oder mit lediglich befristeten Arbeitsverträgen besonders häufig arbeitslos wurden. Ihre Verträge liefen einfach aus, ohne Sozialversicherungspflicht hatten diese Menschen auch keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld.

Diese trafen dann, so führt Scheele weiter aus, auf einen gedämpften Arbeitsmarkt – es gab nur wenige neue Stellenangebote in den Krisenmonaten. Ein Effekt, der sich inzwischen aber normalisiert habe. Gegenwärtig liegt die Abreitslosenquote bei rund 6,3 Prozent und 2,9 Millionen Arbeitslosen – im Februar 2020 waren rund eine halbe Million Menschen weniger arbeitslos.

Auch die Langzeitarbeitslosigkeit ist in den vergangenen Monaten wieder deutlich angestiegen. „Da blutet einem das Herz“, so Heil, „weil wir gerade vor der Krise es geschafft haben, diese Zahl richtig gut runterzubekommen“. Das sei nun ungleich schwieriger, ergänzt Scheele: „Das sind die Leidtragenden dieser Krise.“ Für diese plädieren sowohl Heil als auch Scheele deswegen für mehr Flexibilität bei Umschulungen, womöglich durch weitere Prämien. „Aber deswegen ist auch der soziale Arbeitsmarkt wichtiger denn je“, meint Heil mit Blick auf die Bemühungen der vergangenen Jahre, „der Weg zurück in Arbeit ist steiniger geworden“.

Der Text ist zuerst auf vorwaerts.de erschienen. 

 

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