Deutscher Kommunalkongress in Berlin

Herausforderungen für Kommunen

Karin Billanitsch19. Juni 2017
„Moderisieren, digitalisieren, sozial gestalten“ – mit diesem Motto war der Kommunalkongress des Deutschen Städte- und Gemeindebundes überschrieben. Der kommunale Spitzenverband forderte eine Reformoffensive in Deutschland. Ein wichtiges Thema war die Digitalisierung mit ihren Chancen und Risiken. Zudem wurde Uwe Brandl zum neuen Präsidenten des Spitzenverbandes gewählt.

Eine Reformoffensive hat der Deutsche Städte- und Gemeindebund gefordert. „Wir müssen unser Land modernisieren, digitalisieren und sozial gestalten“, sagte der Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Roland Schäfer, Bürgermeister in Bergkamen, anlässlich des Deutschen Kommunalkongresses in Berlin. Deutschland werde ohne grundlegende Veränderungen auf Dauer keine „Wohlstandsinsel in einer immer schwierigeren Welt“ sein können, gab sich Schäfer überzeugt.

Digitalisierung in den Kommunen

Ein zentraler Punkt – so Schäfer – ist die Digitalisierung. Sie werde die Gesellschaft, die Wirtschaft, die Arbeit und die Verwaltungen schnell und grundlegend verändern. „Darauf müssen wir uns vorbereiten“, forderte Schäfer und fuhr fort: „Bei den sozialen Netzwerken haben wir die Erfahrung machen müssen, dass innerhalb weniger Jahre einige wenige Unternehmen weltweit den Markt beherrschen. Wir wollen keinen Digitalkapitalismus, sondern eine soziale digitale Marktwirtschaft.“ Er sieht ein „Digitalgesetzbuch“ als notwendig an, in dem die Leitlinien für diese Prozesse beschrieben und festgelegt werden.

Schäfer wies darauf hin, dass die Kommunen und Ihre Stadtwerke über sehr viele Daten der Bürgerinnen und Bürger verfügen und diese sichern und zuverlässig verwahren, aber auch nutzen wollen. „Vom Alter, über die Wohnung, den Energie- und Wasserverbrauch, den Abfall und die Zahl der zugelassenen Fahrzeuge, alles ist bei den Kommunen gespeichert. Dort muss es dauerhaft und sicher bleiben und im Interesse der Bürgerinnen und Bürger genutzt werden.”

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries sieht Chancen und Risiken

Auch Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) widmete einen guten Teil ihrer Rede bei dem Kommunalkongress dem Thema der Digitalisierung. „Unbestritten birgt die Digitalisierung ein hohes Potenzial für Wirtschaft und Menschen“, sagte sie. Es entstünden neue Marktchancen und neue Arbeitsplätze, neue Möglichkeiten der Kommunikation und des Konsums. Sie wies aber auch auf Schattenseiten der Entwicklung hin: „Der boomende Online-Handel führt dazu, dass immer mehr stationäre Einzelhandelsgeschäfte in ihrer Existenz bedroht sind“, sagte die Ministerin.

Der Einzelhandelsverband schätzt, dass von den 400.000 Einzelhändlern bis 2020 rund 50.000 aufgeben müssen. Entsprechende Konsequenzen drohen den Kommunen: Immer mehr Leerstände, verödende Innenstädte und unzureichende Versorgung. Nicht zuletzt um diesen Tendenzen entgegenzuwirken und neue Chancen im sich wandelnden Handel zu entdecken, wurde die „Dialogplattform Einzelhandel“ ins Leben gerufen. Aktuell seien, so Zypries, nun Handlungsempfehlungen veröffentlicht worden. Die Broschüre „Neue Perspektiven für den Einzelhandel“ kann im Netz heruntergeladen werden.

Es gebe viele Kommunen, die mit guten Beispielen aufwarten könnten, sagte Zypries weiter. Etwa in Wuppertal, wo schon vor Jahren eine gemeinsame Plattform entwickelt worden sei für den Einzelhandel. „Das Verschmelzen von Online und offline findet immer stärker statt.“ Was die digitale Stadt der Zukunft angeht, gibt es Leuchttürme: So erwähnt Zypries hier etwa „Smart Country Rhein-Neckar“, wo ein Bündel von Maßnahmen angestoßen worden ist. Sie verweist auch auf Darmstadt, die Gewinnerin des Wettbewerbs „Digitale Stadt“. Der Digitalverband Bitkom hatte ihn in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Städte- und Gemeindebund (DStGB) initiiert. Unterstützt von Unternehmen wird Darmstadt nun zu einer digitalen Modellstadt ausgebaut.

Planungssicherheit bei der Integration gefordert

Darüber hinaus hat Hauptgeschäftsführer Dr. Gerd Landsberg darauf aufmerksam gemacht, dass die Bundesmittel für die Integration von Flüchtlingen 2018 auslaufen. Weil die Kommunen für ihre Aufgaben in der Integration Planungssicherheit bräuchten, sei es notwendig, zu Beginn der neuen Legislaturperiode die Finanzierung langfristig sicherzustellen. „Integration ist eine kommunale Aufgabe, die Finanzierung aber müssen Bund und Länder gemeinschaftlich tragen“, so Dr. Landsberg.

„Auch die Beschränkung des Familiennachzuges läuft nur bis zum 31. März 2018“, sagte Landsberg. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund rechnet im Jahr 2017 mit ca. 200.000 geflüchteten Personen in Deutschland. Das zeigt, dass die Flüchtlingsproblematik eine wichtige politische Herausforderung für Deutschland, aber insbesondere für die Kommunen bleibt“, sagte Dr. Landsberg. Er merkte an, dass es bisher nur in geringem Umfang gelungen sei, die Flüchtlinge in Arbeit zu bringen. Im März 2017 waren laut DStGB 138.000 Flüchtlinge sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Geringe bzw. mangelhafte Sprachkenntnisse sowie fehlende formale Berufsabschlüsse erschwerten die schnelle Integration in Beschäftigung. Landsberg forderte eine stärkere Einbindung der Wirtschaft. Er plädierte auch dafür, eine zusätzlich öffentlich geförderte Beschäftigung zu schaffen. Denn über eine solche Arbeit werde auch die Integration gefördert, so Landsberg abschließend.   

Neue Personalie an der Verbandsspitze

Neuer Präsident des Deutschen Städte- und Gemeinbundes wird zum 1. Januar 2018 der bisherige Vizepräsident Dr. Uwe Brandl, Erster Bürgermeister der Stadt Abensberg. Dr. Brandl ist seit 2003 auch Präsident des Bayerischen Gemeindetages. Der aktuelle Präsident Roland Schäfer, Bürgermeister der Stadt Bergkamen, wird zum gleichen Zeitpunkt Vizepräsident des DStGB.

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