Broschüre

Hilfe bei Hass und Hetze

Carl-Friedrich Höck30. März 2020
Hasskriminalität - nicht nur in sozialen Medien - ist für viele kommunalpolitisch Aktive eine Belastung.
Immer öfter werden Kommunalpolitiker*innen beschimpft, bedroht oder gar angegriffen. Eine neue Broschüre gibt den Betroffenen Tipps, was sie dagegen tun können und wo sie Unterstützung finden.

Es sind längst keine Einzelfälle mehr. In der niedersächsischen Gemeinde Estorf hat Bürgermeister Arnd Focke (SPD) zu Jahresbeginn sein Amt aufgegeben, nachdem er von Rechtsextremen bedroht worden war. Ähnliches ist in Sachsen Martina Angermann widerfahren (ebenfalls SPD): Sie hat sich im November 2019 von ihrem Amt als Bürgermeisterin der Gemeinde Arnsdorf zurückgezogen. In Nordrhein-Westfalen hat Kerpens Stadtoberhaupt Dieter Spürck (CDU) im Januar verkündet, nicht erneut zu kandidieren. Zuvor hatte er eine Nachricht im Briefkasten gefunden, dass seine „Kinder es zu spüren“ bekämen, wenn er sich nicht „intensiver für den Hambacher Wald einsetzen“ würde.

Bedrohungen nehmen zu

Umfragen haben belegt, dass kommunale Amts- und Mandatsträger*innen immer öfter beleidigt, bedroht oder attackiert werden. Die Betroffenen fühlen sich oft hilflos, manchmal sogar mit ihrem Problem alleine gelassen. „Die aktuelle Situation schreckt schon Bewerberinnen und Bewerber ab, die sich eigentlich für ihre Kommune engagieren wollen“, sagt der Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes Uwe Brandl.

Nun soll eine Broschüre dazu beitragen das zu ändern. Veröffentlicht wurde sie vom Nationalen Zentrum für Kriminalprävention, das vom Bundesinnenministerium gefördert wird. Die kommunalen Spitzenverbände haben die Publikation unterstützt.

Tipps und Adressen

Ziel war es, den Betroffenen Hinweise zu geben, was sie tun können. Wer hilft bei Bedrohungen? Was schützt vor körperlichen Angriffen? Wo kann man sich beraten lassen und welche Sicherheitsvorkehrungen sind sinnvoll?

So werden etwa Schutz- und Verhaltenshinweise der Polizei zusammengetragen. Sie ersetzen kein polizeiliches Beratungsgespräch, heißt es vorab. Man solle nicht zögern, bei einer unmittelbaren Bedrohung die 110 zu wählen. Im Folgenden wird erklärt, wie man Drohungen richtig dokumentiert, um die Chancen auf eine Strafverfolgung zu verbessern, oder wie man das eigene Haus sicherer machen kann.

Weiterhin werden Unterstützungsangebote im Internet aufgelistet, darunter die Meldestellen „respect!“, Hate Aid oder hassmelden.de. Ansprechpartner*innen findet man natürlich auch offline. Wichtige Behördennummern und gängige Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer oder antisemitischer Gewalt nennt die Broschüre ebenfalls.

Doch auch innerhalb der SPD sollen Betroffene schnelle Hilfe erhalten. „Ich möchte, dass jeder in der SPD weiß, wo ihm geholfen wird, wenn er bedroht wird“, sagte Lars Klingbeil im Interview mit vorwaerts.de. Der Generalsekretär schlägt deshalb eine Anlaufstelle oder eine Hotline im Willy-Brandt-Haus vor.

Bundesrat will Anti-Hass-Gesetz nachbessern

Die zunehmende Hasskriminalität beschäftigt auch den Bundestag. Als Reaktion hat Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) ein Gesetz auf den Weg gebracht, das sich derzeit in der parlamentarischen Beratung befindet. Der Gesetzentwurf sieht härtere Strafen für Beleidigungen und Bedrohungen vor. Soziale Netzwerke sollen verpflichtet werden, strafbare Postings in besonders schweren Fällen selbst an das Bundeskriminalamt zu melden. Menschen, die aufgrund ihrer beruflichen oder ehrenamtlichen Tätigkeiten beleidigt, bedroht oder gestalkt werden, sollen leichter einen Auskunftssperre im Melderegister eintragen lassen können. Vorgesehen ist auch, Kommunalpolitiker*innen unter einen höheren Schutz vor Verleumdungen zu stellen.

Am vergangenen Freitag hat der Bundesrat zu dem Gesetz Stellung genommen und Nachbesserungen gefordert (Drucksache). Nach dem Willen der Länder soll für soziale Medien das Marktortprinzip eingeführt werden: Wer in Deutschland Leistungen anbietet, dürfte die Herausgabe von Daten an Behörden dann nicht mehr mit dem Argument verweigern, dass die Daten im Ausland gespeichert sind. Die Bundesregierung solle zudem die Mehrkosten genauer darlegen, die den Ländern entstehen, um Justizbehörden und Polizei mit dem notwendigen Personal auszustatten. Um die neuen Regeln auch durchsetzen zu können, rechnen die Länder mit deutlich höheren Personalkosten als die Bundesregierung. Diese hatte die jährlichen Mehrkosten der Länder im Justizbereich auf 24 Millionen Euro geschätzt.

 

Infos und Link zur Broschüre:
städtetag.de / (PDF)