Saubere Kommune

„Höhere Bußgelder allein bringen zunächst wenig“

Karin Billanitsch02. Dezember 2019
Thomas Patermann, Sprecher des Vorstands der Duisburger Wirtschaftsbetriebe.
Ein Gespräch mit dem Sprecher des Vorstands der Wirtschaftsbetriebe Duisburg Thomas Patermann über den Erfolg von Sauberkeitskampagnen, Erfahrungen mit der gelben Tonne, den Kampf gegen wilden Müll und Strategien zur Abfallvermeidung

In Duisburg hängen großflächige Plakate der Wirtschaftsbetriebe Duisburg, auf denen steht: „Dein Kaffeebecher ist bald leer, der Abfalleimer schreit: Gib her!“. Was hat es damit auf sich?
Wir wollten mit dieser Aktion das Bewusstsein wecken für eine saubere und damit liebens- und lebenswerte Stadt. Wir haben einen Wettbewerb gestaltet, diesmal unter dem Titel: „Dichten für Duisburg“. Daran konnte jeder Duisburger und jede Duisburgerin teilnehmen, mittels eines Reimgenerators auf unserer Internet-Seite.

Weggeworfene Kaffeebecher sind ein großes Problem, aber auch Zigarettenkippen oder Kaugummis. 20 Euro Strafe müssen Müllsünder in Duisburg bezahlen – 55 in München. Plädieren Sie für schärfere Strafen?
Die Diskussion gibt es bei uns auch: Müssen die Strafen hochgesetzt werden oder nicht? Ich bin der Auffassung, höhere Bußgelder allein bringen zunächst wenig. Es ist fast unerheblich, ob das Bußgeld 20 oder 60 Euro beträgt, wenn das nicht in der Praxis geahndet wird. Es ist ganz wichtig, dass auch die Ordnungsbehörden mit so viel Personal ausgestattet werden, dass sie den Vollzug organisieren können und gut mit den Abfallwirtschaftsbetrieben vor Ort zusammenarbeiten. Ich schließe für die Zukunft zwar keine Erhöhungen aus, aber, wie gesagt, beides muss ineinandergreifen.

Ein Müllwerker in der Duisburger Innenstadt. Die Wirtschaftsbetriebe haben eine Sauberkeitskampagne gestartet. Foto: WBD.

Sind in Duisburg sogenannte Müllsheriffs unterwegs, die auf illegal entsorgten Müll achten?
Ja, das nennt sich bei uns schlicht Abfallaufsicht. Müllsheriff klang uns zu martialisch. Das Ordnungsamt achtet ganz bewusst darauf, ob jemand einen Kaugummi oder einen Coffee-to-go-Becher wegwirft. Das geht allerdings nur, wenn man dafür wirbt, dass das auch eine Aufgabe des Ordnungsamts ist, die wahrgenommen wird.

Sind dafür beim Ordnungsamt zusätzliche Stellen geschaffen worden?
Ja. Aktuell sind für 2020 noch einmal zehn zusätzliche Stellen eingerichtet worden.

Oft entstehen in Großstädten wilde Müllkippen, die dann teuer entsorgt werden müssen. Was unternehmen Kommune und die Wirtschaftsbetriebe Duisburg (WBD) dagegen?
Ich möchte vorweg etwas einschieben, das aus meiner Sicht eine Grundlage bildet, um das Thema „wilde Kippen“ anzugehen: Zunächst muss jede Kommune ihren Bürgerinnen und Bürgern einen sehr guten Service anbieten. Hier sind zwei Punkte wichtig: einmal das Thema Recyclinghöfe, zum anderen das Thema Sperrmüllsammlung. Damit die Ausrede „ich konnte das nicht entsorgen“ wegfällt, muss sichergestellt werden, dass es eine genügende Zahl von Recyclinghöfen gibt – mit ordentlichen Öffnungszeiten, die auch in den Abend hineingehen und auch samstags relativ lang sind. Zweitens muss auch der Sperrgutservice kurze Vorlaufzeiten haben, sodass man nicht lange auf seinen Termin warten muss, und eine gute Erreichbarkeit, beispielsweise über digitale Medien. Das sind die Voraussetzungen, die jeder schaffen muss, damit die Grundlage gelegt ist.
Nun zu Ihrer Frage: Bei dem Thema „wilde Kippen“ setzen wir auf drei Säulen: Das eine ist bürgerschaftliches Engagement. Wir haben einen Verein, „Offensive für ein sauberes Duisburg“, der Aufräumaktionen macht und auch zur Sensibilisierung beiträgt. Die zweite Säule ist die Vorgabe, wilde Kippen innerhalb kurzer Zeit wegzuräumen, damit nicht noch mehr abgelagert wird. Deshalb gibt es seit längerer Zeit ein sogenanntes „48-Stunden-Dreck-weg-Versprechen“. Das heißt, dass jeder, der uns den Standort einer wilden Kippe meldet, die im öffentlichen Raum liegt, davon ausgehen kann, dass sie spätestens innerhalb von 48 Stunden entsorgt ist. Das halten wir auch fast zu 100 Prozent ein. Die dritte Säule ist der ordnungsrechtliche Teil: Wir schauen, dass wir Verursacher finden können, was nicht immer gelingt – aber bisweilen schon. Dann sind die Bußgelder deutlich höher als die eben genannten. Das können mehrere 100 Euro mit Entsorgungskosten sein, die wir dann auch in Rechnung stellen.

In Duisburg gibt es seit 2012 eine Wertstofftonne, die die gelbe Tonne abgelöst hat. Wie sind die Erfahrungen?
Positiv. Den Bürgerinnen und Bürgern ist aus meiner Sicht kaum zu erklären, warum Verpackungen in die gelbe Tonne dürfen, aber Nicht-Verpackungen aus den gleichen Materialien nicht eingeworfen werden können. Sie verstehen nicht, dass man danach sortiert, ob die Verwertung einer Verpackung von den Inverkehrbringern bezahlt worden ist – oder eine „Nicht-Verpackung“ eben nicht bezahlt worden ist. Sie fragen sich stattdessen, welche Stoffart das ist und welcher Verwertungsweg. Die Sorge, die bei den Dualen Systemen da war und auch heute noch da ist, ist die Störstoffquote bei der Wertstofftonne. Deshalb haben wir von Anfang an sporadisch kontrolliert, ob auch wirklich nur Verpackungen und stoffgleiche Nichtverpackungen eingeworfen werden. Die Gefahr ist natürlich da – aber ihr kann man begegnen.  

Das Verpackungsgesetz räumt den Kommunen mehr Spielräume gegenüber den Systembetreibern ein, doch das anvisierte Wertstoffgesetz kam nicht zustande. Ist die neue Regelung dennoch gelungen?
Nur zum Teil. Die Intention des Gesetzgebers war gut und ich bin auch sicher, sie war ernst gemeint. Allerdings ist in der Praxis festzustellen, dass es vor Ort dann doch schwierig ist, die Interessen der Kommunen durchzusetzen.

Wo liegen die größten Probleme?
In der Regel immer in der Umstellung vom Sacksystem auf Behälter. Eigentlich ist im Gesetz vorgesehen, dass die Kommune das bestimmen kann. Die Dualen Systeme erschweren allerdings in vielen Gebieten dann doch die Umstellung. Das zweite Problem sind immer noch die Unterflurbehälter ...
… also ein unterirdischer Behälter mit oberirdischem Einwurf zum Sammeln von Abfällen oder Wertstoffen
… auch da gibt es erhebliche Probleme, so dass das Gesetz zwar vom Ansatz her gut gemeint ist, aber wenn Stadträte und Kreistage Beschlüsse fassen, heißt das noch nicht, dass sie umgesetzt werden.

Für die Mitbenutzung der kommunalen Papier-Pappe-Karton-Sammlung durch die Dualen Systeme gibt es nach langen Verhandlungen eine Einigung. So sollen sich etwa die Entgelte am reinen Masseanteil der Verpackungen aus PPK orientieren, nicht am Volumen. Funktioniert das in der Praxis?
Es ist noch zu früh, den Kompromiss zu bewerten. Es gibt unterschiedliche Auffassungen im kommunalen Lager, ob das ein guter Kompromiss ist oder nicht. Es geht im Wesentlichen um den Volumenfaktor, der umstritten ist. Wir sind im Moment in einer Situation, in der das Vermarktungsrisiko im Rahmen dieses Kompromisses komplett bei den Kommunen liegt, weil die Papiererlöse bei den Kommunen landen, sie im Gegenzug aber auf die Berechnung nach dem Volumen der Verpackungen verzichtet haben. Jetzt hängt es ganz stark von der konkreten Situation vor Ort ab: Wie hoch sind wirklich die Sammlungskosten? Wie sind die Verwertungswege? Hat man hohe Vermarktungserlöse aus Papier oder nicht?

Der beste Müll ist der, der gar nicht erst entsteht, sei es Plastikmüll oder Restmüll. Was halten Sie von einer Strategie, Müll zu reduzieren, im Idealfall auf null? Gibt es schon gemeinsame Überlegungen dazu mit der Stadtspitze?
Es ist ein verfolgenswertes Ziel, aber realistisch gesehen wird es uns nicht gelingen, Müll komplett zu vermeiden. Wir müssen auch unterscheiden, welche Einflussmöglichkeiten auf kommunaler Ebene bestehen. Ein wesentlicher Punkt ist natürlich das Thema Produkt- und Produzentenverantwortung. Da muss aus meiner Sicht deutlich nachgeschärft werden. Das ist aber eher eine Diskussion auf europäischer Ebene – was aber nicht heißen soll, dass wir auf kommunaler Ebene die Hände in den Schoss legen und nur auf Berlin und Brüssel zeigen. Wir nutzen unsere Möglichkeiten. Ich denke da im Wesentlichen an Repair-Cafés, Gebrauchtmöbelhäuser, Tauschbörsen, Unterstützung von Aktivitäten zur Vorbereitung zur Wiederverwendung. Das machen wir hier auch in Duisburg.

Gibt es Aufklärungskampagnen? Schließlich entscheidet der Bürger, was er aus dem Regal nimmt – oder was er einfach wegwirft.
Ja! Ein Schwerpunkt bei uns sind Kinder- und Jugendliche. Wir haben einen außerschulischen Lernort aufgebaut. Zu einem unserer Recyclinghöfe können Schulklassen hingehen und sich von unserer Abfallberatung aufklären lassen. Draußen ist ein Parcours mit verschiedenen Stationen aufgebaut: Abfallvermeidung und Wiederverwendung, Gebrauchtmöbel und Gebrauchtwarenhäuser. Das ist sehr gut angenommen worden. Wir haben die Abfallberatung personell noch einmal verstärkt und arbeiten sehr intensiv mit der Verbraucherzentrale zusammen. Das Thema Abfallberatung hat aus meiner Sicht zuletzt eine Renaissance erfahren.

Das geht sicher einher mit der aktuellen Klimaschutz-Diskussion, die überall läuft. Auch Abfallwirtschaftsbetriebe können einen Beitrag leisten, Stichwort CO2-Ausstoss. Welche Maßnahmen gibt es hier?
Der Fokus liegt bei uns auf der Fahrzeug-Flotte, die im Stadtgebiet unterwegs ist. Sie ist derzeit noch fast ausschließlich mit Diesel angetrieben. Hier haben wir eine Grundsatzentscheidung getroffen, alle Kleinfahrzeuge in den nächsten Jahren auf Elektroantrieb umzustellen und bei den großen Fahrzeugen auf Wasserstoff zu setzen. Wir werden im nächsten Jahr den ersten Abfallsammelwagen mit Brennstoffzelle haben. Gleichzeitig werden wir über eine Förderung des Bundes ein elektrisches Sammelfahrzeug bekommen, so dass wir beide Technologien testen können. Das machen wir auch mit Blick auf Bestrebungen in der Stadt, neue Stadtquartiere möglichst insgesamt CO2-neutral umzugestalten.