Tourismus

Industriekultur mit Aussicht

Silke Hoock 01. Juli 2019
Tiger & Turtle
Tiger & Turtle, ein begehbares Kunstwerk auf der Heinrich-Hildebrand-Höhe in Duisburg, bietet Besuchern eine gute Rundum-Sicht.
Wie wichtig stillgelegte Industriestandorte und deren Erhalt für das Ruhrgebiet sind, zeigt das Beispiel Duisburg.

Wer das Ruhrgebiet und seine ehemaligen Industriestandorte kennenlernen will, der kommt an der Route der Industrie­kultur nicht vorbei. Sie erschließt auf ­einer 400 Kilometer langen Straßenroute und in einem radtouristischen Netz von 1.250 Kilometern Länge das industrie­kulturelle Erbe dieser Region. Zu sehen gibt es auf der Route des Regionalverbands Ruhr 25 bedeutende Industriedenkmäler wie den Landschaftspark Duisburg-Nord, das Gasometer Oberhausen, das Welterbe Zollverein in Essen, die Jahrhunderthalle Bochum oder die Kokerei Hansa in Dortmund sowie 17 Aussichtspunkte und 13 Arbeiter-Siedlungen.

Imposante Motive und Platz für Spektakel

Wie wichtig stillgelegte Industriestandorte und deren Erhalt für die Städte sind, lässt sich am Beispiel Duisburgs ablesen. Die Stadt wirbt massiv für ihre „Schätze“ und es lohnt sich, wie Oberbürgermeister Sören Link (SPD) erklärt: „Unsere Industriekultur begeistert. Jährlich strömen Millionen Menschen nach Duisburg, um den Landschaftspark Duisburg Nord, den Innenhafen, oder die Landmarke Tiger & Turtle zu erleben.“ Diese Orte locken die Menschen aus der ganzen Welt – nicht nur wegen ihrer imposanten Optik. Vielmehr finden hier Klavierfestivals und Rocknächte, Sportwettbewerbe, Kulturspektakel und ausgefallene Messen statt. Es kommen Fotografen und Naturfreunde, Familien und Firmenangestellte.

Für den britischen „Guardian“ zählt der Landschaftspark Duisburg Nord, der in diesem Jahr sein 25-jähriges Bestehen feiert und pro Jahr eine Millionen Besucherinnen und Besucher fasziniert, sogar zu den zehn schönsten Parks der Welt. In zwei Jahrzehnten wandelte sich ein stillgelegtes Hüttenwerk zu einer Großstadt­oase. „Industriekultur ist inzwischen der Kern unserer touristischen Vermarktung“, sagt Sören Link. Die Übernachtungszahlen in Duisburg seien nicht zuletzt auch deshalb in den vergangen drei Jahren um mehr als 20 Prozent auf 565.000 im Jahr 2018 gestiegen.

285 Millionen Euro Umsatz

Besucher der sogenannten Ankerpunkte der Route sorgen für Millionen-Umsätze und Arbeitsplätze. Das ergab auch eine Studie aus dem Jahr 2018 des Instituts dwif-Consulting aus München, die der Regionalverband Ruhr (RVR) in Auftrag gegeben hatte. Ziel der Untersuchung war es, die ökonomische Bedeutung der Ankerpunkte für die Metropole Ruhr zu beziffern und den jährlichen Aufwendungen für Sicherung und Instandhaltung gegenüberzustellen.

Demnach besuchten 2017 mehr als sieben Millionen Menschen die 25 Highlights der Route der Industriekultur und erzeugten einen Bruttoumsatz von rund 285 Millionen Euro. Der Tourismus zur Route der Industriekultur löste Beschäftigungseffekte von mindestens 6.150 Arbeitsplätzen aus.

Meilensteine der Entwicklung

Doch wann gingen die Städte des Ruhrgebiets wie Duisburg, Gelsenkirchen, Oberhausen oder Dortmund dazu über, die verwaisten Industrieanlagen als Tourismusmagnete zu begreifen? Ein wichtiger Impuls ging 1989 von der Internationalen Bauausstellung Emscher Park, kurz IBA, aus. „Damals machte man sich zum ersten Mal ernsthaft Gedanken darüber, welche Chancen der Strukturwandel in unserer Region bietet. Die Umwandlung von ehemaligen Industriegeländen in Parks mit Freizeitcharakter war seinerzeit eine revolutionäre Idee, die in Duisburg mit dem Landschaftspark Duisburg Nord mustergültig umgesetzt wurde“, erklärt Duisburgs OB Sören Link. Das Jahr 2010, als erstmals eine ganze Region – Ruhr – den Titel „Kulturhauptstadt Europas“ trug, bezeichnet er als einen weiteren Meilenstein.

Im Rahmen des Trägerschaftsvertrags zwischen Land NRW und RVR werden jährlich 9,5 Millionen Euro in die Sicherung und Instandsetzung der Groß-Standorte der Route investiert. Diesem Aufwand, darüber gibt die dwif-Consulting-Studie ebenfalls Auskunft, standen 2017 Einnahmen aus dem Tourismus von mehr als dem Doppelten gegenüber: Aus dem generierten Bruttoumsatz von 285,2 Millionen flossen Einnahmen in Höhe von 26,9 Millionen Euro in die Steuertöpfe des Bundes, des Landes und der Kommunen zurück. Von den 7,26 Millionen Besucherinnen und Besuchern der Route der Industriekultur waren 2017 über die Hälfte Tagesreisende, etwa ein Drittel Einheimische und knapp 17 Prozent Übernachtungsgäste.
Neben den Ankerpunkten selbst profitieren insbesondere Gastgewerbe, Einzelhandel und Dienstleistungen von den Bereichen Unterhaltung, Freizeit, Sport sowie der Öffentliche Personennahverkehr und das Taxigewerbe von den Ausgaben der Besucher.

Weitere Informationen
ruhr-tourismus.de/de/industriekulturruhr/route-der-industriekultur.html
landschaftspark.de/