Drohende Schließung von Galerie-Karstadt-Kaufhof-Filialen

Innenstädten könnten Jobs und Attraktivität verloren gehen

Uwe Roth03. November 2022
Die Karstadt-Kaufhof-Krise ist seit 2009 Dauerthema für die SPD vor Ort. Nach den jüngsten Plänen des Managements, ein Drittel der Läden schließen zu wollen, bangt sie erneut um Arbeitsplätze. Noch ist nicht klar, welche Filialen dichtgemacht werden.

Die Kommunalpolitik zeigt sich nach der Ankündigung der Unternehmensspitze, mit der Galerie-Karstadt-Kaufhof-Gruppe erneut in die Insolvenz zu gehen, zwischen Bangen und Hoffen. Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) hat sich vorerst für Letzteres entschieden: „Wir gehen davon aus, dass Potsdam als starke Tourismus-Destination und Standort mit einiger Kaufkraft eine gute Position hat“, ließ er seinen Sprecher dem „Tagesspiegel“ ausrichten. Dabei stand laut diesem Bericht die Filiale bereits 2020 zur Disposition. Gründe, diese eventuell aufzugeben, sei die hohe Miete und weniger der fehlende Umsatz gewesen. Schubert wendete die Schließung in intensiven Gesprächen mit dem Management ab. Und diesmal?

Der sich über die Jahre hinziehende Verfall der Handelskette beschäftigt auch die Landtage. Lisa Gnadl ist die stellvertretende Vorsitzende und arbeitsmarktpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag. Sie zeigte Verständnis für „die Enttäuschung und auch den Zorn bei den mehr als 17.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Galeria Karstadt-Kaufhof“. Die Solidarität ihrer Fraktion gehöre den Beschäftigten. Sie seien am stärksten davon betroffen, „dass der Eigentümer und die Geschäftsleitung des Unternehmens seit Jahren kein funktionierendes Geschäftsmodell vorweisen können“.

Innenstädte im Umbau-Modus

Vor nicht einmal zwei Jahren hat das Unternehmen bereits ein Schutzschirmverfahren durchlaufen, „bei dem die Beschäftigten erhebliche Zugeständnisse gemacht sowie Lieferanten, Vermieter und andere Gläubiger auf Forderungen von rund zwei Milliarden Euro verzichtet haben“, so die hessische SPD-Politikerin. Die Hauptverantwortung für einen sozialverträglichen Sanierungsprozess liegt aus ihrer Sicht beim Eigentümer, der seiner unternehmerischen Verantwortung gerecht werden müsse – und zwar vor allem im Sinne der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Gleichzeitig wird die Diskussion darüber laut, ob die Schließung großer Warenhäuser andere Gründe haben könnte als nur mangelhaftes Management oder nicht eingelöste Versprechen, ausreichend in die Zukunft des Unternehmens zu investieren. Jüngere Kundschaft bleibt aus, weil diese lieber in den Online-Shopping-Malls einkaufen geht. Die geburtenstarken Jahrgänge kommen ins Rentenalter und haben geringere Konsumbedürfnisse. Viele auch weniger Geld für den Einkauf.

Oberbürgermeister Markus Lewe aus Münster, Präsident des Deutschen Städtetages, nahm Stellung zu den jüngsten Plänen, wohl jede dritte Filiale schließen zu wollen. Er betonte, dass der Kampf gegen den Online-Handel sowie die drohende Verödung der Innenstädte nicht verloren sei: „Der Umbau der Innenstädte läuft seit Jahren. Vielerorts sind neue Angebote entstanden, die nicht mehr nur dem klassischen Einkaufen in der Stadt dienen. Ein Wachstumsmarkt sind etwa nachhaltige und regionale Produkte“, beschreibt er kommunale Rettungsversuche, eine vielerorts drohende Verödung von Innenstädten zu umgehen.

Städte probieren mit Erfolg neue Konzepte aus

Für mehr Abwechslung in zentralen Lagen sorgen nach seiner Beobachtung zudem Pop-up-Stores, Co-Working-Spaces oder Handwerksbetriebe. Einige Städte hätten erfolgreich ehemalige Kaufhausstandorte umgebaut und dort zum Beispiel Bibliotheken oder Hochschulstandorte angesiedelt. Das könne zentrale Lagen beleben und für mehr Laufkundschaft sorgen, wovon der Einzelhandel profitiere. Laut dem Städtetag wären „weitere Schließungen von Filialen der Kaufhauskette Galeria für die betroffenen Städte ein tiefer Einschnitt“. Mit den Kaufhäusern würden wichtige Orte der Versorgung und Begegnung verloren gehen. Kaufhäuser in Innenstädten und Stadtteilzentren wirkten heute noch als Kundenmagnet und zögen viele Menschen an. „Davon profitieren im Umfeld andere Händler und Gastronomiebetriebe und deren Beschäftigte.“

Die Hoffnung für ein Überleben der Kaufhauskette stirbt zuletzt. Das zeigt ein Blick in die Vergangenheit: Im Mai 2009 kämpfte die SPD in der Stadt Lüneburg für ihre örtliche Filiale. Die Vorsitzende der SPD Hiltrud Lotze sagte damals: „Lüneburg ohne Karstadt, das kann ich mir nicht vorstellen. Karstadt hat für die Attraktivität unserer Innenstadt als Einkaufszentrum der Region eine außerordentliche Bedeutung. Außerdem stehen die Arbeitsplätze von rund 240 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf dem Spiel.“ Die Filiale existiert tatsächlich heute noch.

weiterführender Artikel