Nach Einführung des Bürgergelds

Im Jobcenter steht berufliche Förderung jetzt im Fokus

Uwe Roth05. Januar 2023
Zeitenwende in den 407 Jobcentern: Aus ALG II ist zu Jahresbeginn das Bürgergeld geworden. Manche sprechen gar von einem Paradigmenwechsel. Nicht wegen des höheren Regelsatzes, sondern wegen der Art, die Menschen zu fördern.

Name und Schriftzug sind gleich. Doch die Jobcenter sind verschieden organisiert: 104 sind vollständig in kommunaler Hand, die übrigen sind Mischbehörden. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) sowie ein kommunaler Träger (Stadt oder Landkreis) teilen sich darin die Aufgaben nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II. Die Landkreise und kreisfreien Städte mit einem Jobcenter in Eigenregie haben den Übergang von Hartz IV zum neuen Bürgergeld weitgehend individuell gestaltet. Markus Mempel vom Deutschen Landkreistag sagt dazu: "Die kommunalen Jobcenter haben sich schon früh mit dem Bürgergeld-Gesetzentwurf befasst und sich mit den Inhalten auseinandergesetzt, als das Gesetz noch nicht verabschiedet war.“ Die Neuerungen auf der monetären Seite seien von der Umsetzung her weniger gravierend als im Bereich der Eingliederung, stellt er fest. Aus den Jobcentern ist allerdings zu hören, dass das Verwaltungskostenbudget zu knapp bemessen sei und der Bund hier nachlegen müsse.

Komplexer umzusetzen ist hingegen der Auftrag aus dem Bürgergeld-Gesetz, den Menschen als Zahlungsempfänger in den Hintergrund zu stellen und stattdessen deren berufliche Bildung in den Vordergrund zu rücken. Es gehe darum, Leistungsberechtigten mit „einem positiven Menschenbild“ zu begegnen, nach den Potenzialen Ausschau zu halten und diese zu stärken, so Mempel. Zum 1. Juli startet Phase zwei des Bürgergeldgesetzes. Von da an werden Ausbildung und Umschulung mit einem Weiterbildungsgeld belohnt. Jetzt zum Jahresanfang griffen unter anderem die höhere Regelleistung und die Bagatellgrenzen bei Rückforderungen unter 50 Euro.

Etat der Jobcenter: 10,15 Milliarden Euro

Maßnahmen, um Menschen den Zugang zum ersten Arbeitsmarkt zu ermöglichen, werden als Leistungen zur Eingliederung bezeichnet. Dazu kommen die Verwaltungskosten. Insgesamt umfasst das Budget für die Jobcenter im nächsten Jahr 10,25 Milliarden Euro. Zuletzt hatte der Bund das Budget noch einmal um 400 Millionen Euro plus optional 100 Millionen für die Betreuung der Ukraine-Geflüchteten aufgestockt.

Vanessa Thalhammer von der Bundesagentur für Arbeit sagt dazu: „Damit können wir einerseits die zusätzliche Förderung von Weiterbildung mit der Weiterbildungsprämie und dem Weiterbildungsgeld sowie die Teilhabe am Arbeitsmarkt und das Coaching finanzieren und andererseits die Personalkosten.“ Die vorgesehenen Mittel seien zwar „knapp bemessen“. Doch weiter stellt sie fest: „Zunächst sollte das beschlossene Budget allerdings ausreichen.“ Auch die BA beklagt, „dass die Arbeitslast in den Jobcentern aktuell sehr hoch ist“. Seit dem Sommer seien 600.000 ukrainische Geflüchtete in die Grundsicherung aufgenommen worden, gleichzeitig werde das Bürgergeld eingeführt. „Wir können nicht seriös abschätzen, inwiefern durch lange Bearbeitungszeiten beim Wohngeld oder hohe Energiepreise mehr Menschen ins Jobcenter kommen. Wir tun alles dafür, den Menschen weiterhin schnell zu helfen“, versichert Thalhammer für ihre Behörde.

Verständlichkeit hat nicht höchste Priorität

Aus Sicht der Arbeitsagentur ist der Umstellungsprozess noch in vollem Gang: Thalhammer weist darauf hin, „dass wir als BA das Gesetz in Verwaltungshandeln übersetzen müssen“. Fachliche Weisungen, Arbeitshilfen und IT-Fachverfahren würden derzeit aktualisiert. Die Kolleginnen und Kollegen bereiteten sich derzeit „intensiv darauf vor, die neue gesetzliche Grundlage umsetzen zu können. Die bestehenden Informations- und Kommunikationsformate passen wir auch an und entwickeln diese weiter“. Das Bürgergesetz fordert für die Kund*innen der Jobcenter eine verständliche Information. Sie sollen verstehen, was sie unterschreiben. Für die meisten Mitarbeitenden der Jobcenter ist das eine große Herausforderung. Sie sind es gewohnt, Verwaltungstexte vor allem unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit zu verfassen.

Bei der Bundesagentur für Arbeit steht die schriftliche Reform noch aus: „Die Bescheide werden im Hinblick auf die rechtlichen Änderungen sowie die Bezeichnung Bürgergeld nach und nach angepasst – behalten aber im Wesentlichen zunächst ihre bekannte Gestalt“, sagt die BA-Sprecherin. „Die Menschen sollen sich deshalb nicht irritieren lassen, wenn sie noch nicht sofort einen neuen Bescheid bekommen, auf dem Bürgergeld steht. Der BA sei klar, „dass die Bescheide manchmal sehr formalistisch wirken. Wir wollen hier ansetzen und Bescheide verständlicher formulieren“.

Positive Effekte durch das Bürgergeld

Generell begrüßt die BA die Neuausrichtung des SGB II. Den Menschen bringe das Bürgergeld positive Effekte, wie beispielsweise den stärkeren Fokus auf Bildung und die Nachhaltigkeit der Vermittlung. „Dieser neue Ansatz wird sich auch in den täglichen Beratungsgesprächen zwischen unseren Arbeitsvermittlern und unseren Kundinnen und Kunden widerspiegeln“, so Thalhammer. Es sei gut, dass wichtige Forderungen der BA berücksichtigt worden seien, etwa die längere Fördermöglichkeiten bei Umschulungen (auf drei Jahre statt zwei Jahre), das Weiterbildungsgeld, der Wegfall des Vermittlungsvorranges und die Einführung einer Bagatellgrenze.

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