Aufnahme in die Grundsicherung

Jobcenter sind vorbereitet, um Geflüchtete zu beraten

Uwe Roth31. Mai 2022
Foto: Uwe Roth
Menschen aus der Ukraine haben gute Aussicht auf Arbeit.

In den Jobcentern herrscht im Mai große Hektik. Geflüchtete aus der Ukraine können von Juni an Anträge zur Aufnahme in die Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II) stellen. Das soll unkompliziert passieren, aber nicht ungeordnet. Dazu werden mehrseitige Formulare vorbereitet und wird Personal geschult. 

Auch Krankenkassen bereiten sich auf den 1. Juni vor. Denn wer Arbeitslosengeld II beziehen und auf den Arbeitsmarkt möchte, benötigt eine Gesundheitskarte. Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse zu werden, braucht ebenfalls seine Bearbeitungszeit. Pa­rallel suchen Verantwortliche händeringend Menschen mit Kenntnissen der ukrainischen Sprache, die dolmetschen und Behördentexte erklären. Fehlende Deutschkenntnisse sollen die Bearbeitung der Anträge nicht zusätzlich kompliziert machen.

Unkomplizierte soziale und finanzielle Unterstützung

Die beiden stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion ­Dagmar Schmidt und Dirk Wiese, loben den Kabinettsbeschluss: „Wir geben geflüchteten Menschen aus der Ukraine Sicherheit und eine Perspektive. Wir leisten unkompliziert soziale und finanzielle Unterstützung und ermöglichen den einfachen Zugang zum Arbeitsmarkt.“ Mit dem Wechsel zum 1. Juni in den Rechtskreis des SGB II würden die Ukrainerinnen und Ukrainer nicht länger gegenüber Asylsuchenden benachteiligt werden. „Zusammen mit den Jobcentern, die vor Ort aufgrund ihrer Erfahrung am besten handeln können, erhalten alle geflüchteten Ukrainer damit die Unterstützung, die sie brauchen, um hier gut anzukommen“, so die beiden SPD-Abgeordneten.

Die Institutionen sind vorbereitet. Dabei können sie nur schätzen, wie viele der rund 600.000 Menschen, die bisher aus dem Kriegsgebiet nach Deutschland gekommen sind, tatsächlich einen Antrag auf Grundsicherung stellen werden. „Wie wissen nicht, wie viele Menschen in Deutschland bleiben wollen“, sagt ein Sprecher der Agentur für Arbeit in Nürnberg. „Wir dürfen nicht vergessen, dass wir in Deutschland erst mal humanitär gefordert sind. Es geht zuerst um die finanzielle Versorgung, die Wohnung und Sicherheit.“ Erst im nächsten Schritt folge die berufliche Integration. Er warnt davor, die Geflüchteten als potenzielle Reserven für den Arbeitsmarkt zu betrachten: „Die Frauen und Kinder kommen nicht nach Deutschland, um unseren Arbeitskräftebedarf zu decken“, stellt er fest.

Doch grundsätzlich gilt: Geflüchtete aus der Ukraine haben die gleichen Ansprüche wie alle Empfängerinnen und Empfänger von Leistungen nach dem SGB II. Das betrifft laut Arbeitsagentur sowohl die finanziellen Leistungen als auch die berufliche Qualifizierung und den Zugang zu Sprachkursen. „Hier gibt es keine Unterscheide.“ Aktuell gelten die Regelungen zum Vereinfachten Zugang zur Grundsicherung. Das bedeutet, dass Vermögen nur dann geprüft wird, wenn es erheblich ist, und die tatsächlichen Kosten der Unterkunft übernommen werden.

Wer einen Aufenthaltstitel hat und seinen Platz im deutschen Sozialsystem gefunden hat, hat keine schlechte Chancen, mit seiner mitgebrachten beruflichen Qualifikation eine Arbeit zu finden. Deutschkenntnisse sind keine Voraussetzung für eine Arbeitserlaubnis. Doch ohne geht es für viele Berufe nicht. Deshalb steht in den Jobcentern der Sprachkurs vor der beruflichen Qualifikation.

Anerkennung der Berufsabschlüsse ist zentraler Schlüssel

Deren Ziel ist, die Menschen passend zu ihrer Ausbildung und ihrer Qualifikation dauerhaft zu integrieren. Voraussetzung ist, dass deren Berufsabschlüsse anerkannt werden. Das bestehende Förderprogramm „Integration durch Qualifizierung“ (IQ) setzt darauf, die Chancen zum Zugang auf den Arbeitsmarkt für Menschen mit Migrationshintergrund zu verbessern. „Die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse ist ein zentraler Schlüssel bei der qualifikationsadäquaten Integration von Geflüchteten aus der Ukraine“, stellt der Sprecher der Agentur für Arbeit fest. Die Jobcenter kooperierten dazu mit den IQ-Beratungsstellen.

Der Anteil der Hochschulabschlüsse ist in der Ukraine höher als in Deutschland. Allerdings werden viele Qualifikationen, die in Deutschland im dualen Ausbildungssystem erworben werden, dort an Hochschulen vermittelt. „Im Vergleich zu vielen anderen Migrantengruppen können wir aber von einem hohen Bildungsniveau sprechen.“ 
Das treffe auf einen Arbeitsmarkt in Deutschland, „der eine hohe Arbeitsnachfrage von den akademischen Tätigkeitsfeldern bis hin zu Helfer- und Anlerntätigkeiten hat“. Wer studieren möchte, kann sich nach einem Studienplatz umschauen. „Ein ausländischer Schulabschluss kann in Deutschland ­anerkannt werden“, sagt der Sprecher mit Verweis auf Informationen der ­Kultusministerkonferenz.

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