Konjunkturpaket

Kai Niebert: „Gut für's Klima, wenn die Umsetzung stimmt“

Benedikt Dittrich05. Juni 2020
Die Maßnahmen im Konjunkturpaket sind zwar kein ausreichender Beitrag Deutschlands, um die Klimakrise zu stoppen, aber sie sind ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, meint Kai Niebert.
Im Konjunkturpaket stecken wichtige Impulse für den Klimaschutz, lobt Nachhaltigkeitsforscher Dr. Kai Niebert. Der Präsident des Deutschen Naturschutzrings fordert aber gleichzeitig eine zügige Umsetzung – und eine europäische Perspektive.

Dr. Kai Niebert, ist das Konjunkturpaket zur Bewältigung der Corona-Krise Rückschritt oder Fortschritt mit Blick auf den Klimaschutz in Deutschland?

Die Maßnahmen im Zukunftspaket sind zwar kein ausreichender Beitrag Deutschlands, um die Klimakrise zu stoppen, aber sie sind ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Die Überwindung der schwersten ökonomischen Krise der deutschen Nachkriegsgeschichte bietet nun die Chance für einen naturverträglichen Wiederaufbau der Wirtschaft innerhalb der planetaren Belastungsgrenzen. Die Koalition scheint endlich erkannt zu haben, dass Klimaschutz und die Rettung von Arbeitsplätzen kein Widerspruch sind. Gute Arbeit, gutes Leben und Wohlstand sind vereinbar. Man erkennt die sozialdemokratische Handschrift im Konjunkturpaket.

An welchem Punkt wäre denn noch mehr notwendig?

Das Zukunftspaket ist in gewisser Hinsicht historisch. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik hat sich mit der Absage an eine Kaufprämie für Verbrennungsmotoren nicht die fossile Autolobby durchgesetzt. Der Aufbruch in einen nachhaltigen Wohlstand wird damit deutlich erleichtert. Wichtig ist nun, durchzusetzen, dass tatsächlich nur zukunftsfähige Mobilität gefördert wird und nicht durch die Hintertür scheinhybriden Verbrennern ein Schlupfloch gewährt wird.

Die Förderung sauberer Motoren gibt aber noch keine Verkehrswende. Die im Zukunftspaket vereinbarten 2,5 Milliarden Euro für den öffentlichen Nahverkehr sind deutlich weitsichtiger: Damit muss ein Ausbau der Infrastruktur stattfinden, denn nur wenn Menschen wissen, dass sie mit dem ÖPNV sicher und pünktlich ans Ziel kommen, steigen sie um.

Persönlich hätte ich eine Mobilitätsprämie für sinnvoller erachtet. Überlassen wir es doch den Leuten, ob sie sich ein E-Auto oder ein E-Bike kaufen – mit dem man in der Stadt sogar deutlich schneller vorankommt.

Aus Angst vor Infektionen haben die Menschen den ÖPNV aber bewusst gemieden und haben stattdessen sich ins Auto oder aufs Fahrrad gesetzt.

Das ist nur teilweise richtig: Nach dem Lockdown sind deutlich weniger Menschen ins Auto gestiegen, dadurch hat sich insbesondere die Luftqualität in den Städten messbar verbessert. Ein Lockdown ist jedoch keine sinnvolle Maßnahme zur Umweltrettung. Natürlich muss man sich fragen: Wie viel Mobilität brauchen wir wirklich? Wie viele Dienstreisen müssen mit dem Flieger von Berlin nach Wien, Frankfurt oder Paris gemacht werden? Da hat die Digitalisierung uns jetzt einen großen Schub gegeben.

Die zweite Frage ist: Wie bin ich auf den Strecken unterwegs, auf denen ich unterwegs sein muss? Richtig, ist dass es einen Schub in der Individualmobilität – und zwar zum Fahrrad. Nur, wenn wir diesen Trend stärken und nebem dem ÖPNV den Fahrradverkehr stärken, werden wir den Verkehrskollaps gerade in den Städten verhindern.

Deswegen ist es so wichtig, jetzt den Schritt in die wirkliche Verkehrswende zu gehen. Es kann nicht unser Ziel sein, dass in 15 Jahren so viele E-Autos wie jetzt Verbrenner auf dem Markt sind. Das Konjunkturprogramm ist nicht das Programm zur Verkehrswende, da fehlen noch viele Elemente. Aber es stecken einige richtige Impulse drin. Es profitiert ja auch jeder von der Senkung der Mehrwertsteuer, der sich jetzt ein neues Fahrrad kauft.

Auch die Wasserstofftechnologie soll jetzt gefördert werden. Ist Wasserstoff wirklich so wichtig für den Klimaschutz?

Das was wir in den vergangenen Jahren in Deutschland als Energiewende gesehen haben, war eigentlich eine Stromwende. Es ging bisher darum, dass der Strom, der aus der Steckdose kommt, grüner wird. Diesen Weg müssen wir ausbauen: Wir brauchen auch eine Wärmewende und vor allem grünes Gas – Wasserstoff. In der Luftfahrtindustrie ist es aktuell unmöglich, Menschen sinnvoll mit batteriebetriebenen Flugzeugen um die Welt zu befördern. Für diese Herausforderungen kann Wasserstoff der klimafreundliche Energieträger sein, wenn er denn richtig hergestellt wird. Wasserstoff aus Methan gewonnen produziert weiterhin CO2, aber man kann auch überschüssigem Strom aus Wind- oder Sonnenenergie nutzen, um aus Wasser Wasserstoff gewinnen.

Die entscheidende Frage ist aber immernoch: Warum?

Weil Wasserstoff ein guter Energieträger und Speicher ist und der Bedarf riesig ist. Allein die Dekarbonisierung der chemischen Industrie bräuchte den gesamten Strom, der heute in Deutschland produziert wird. Die Energie dafür muss irgendwo nutzbar gemacht werden. Neben der klimaneutralen Produktion schreit diese Strategie außerdem danach, die Energiewende europäisch zu denken. Es wäre ein riesiges Solidarprojekt, die Energiewende europäisch gemeinschaftlich zu betrachten und den Sonnenstrom da zu produzieren wo noch mehr Sonne scheint als in Süddeutschland und den Windstrom dort zu produzieren, wo ähnlich hohe Kapazitäten wie an der Nordseeküsten sind. In Verbindung mit dem European Green Deal kann da ein Schuh draus werden.

Für die Bewältigung der Coronakrise geben wir jetzt viel Geld aus. Schaden wir damit nicht wieder den nachfolgenden Generationen, weil wir ihnen neue Schulden aufbürden?

Die Milliarden, die in dem Zukunftspaket stecken, sind Investitionen, die kommenden Generation zu Gute kommen. Deswegen finde ich das gerechtfertigt. Das würde ich übrigens auch für den Kinderbonus oder die Ausweitung des Kurzarbeitergelds sagen. Es geht am Ende nicht nur um die planetaren Belastungsgrenzen, sondern auch um die sozialen Belastungsgrenzen. Nur wenn beides sinnvoll erreichbar ist, haben wir eine Chance, den Zusammenhalt in der Gesellschaft zu stärken.

Ich habe aber einen Vorschlag zur Gegenfinanzierung der 130 Milliarden: Wir leisten uns in Deutschland nach wie vor 57 Milliarden an umweltschädlichen Subventionen. Eine geringere Dieselsteuer, Dienstwagenprivilegien oder die Befreiung von der Kerosin-Abgabe zum Beispiel. Würde man diese Subventionen umbauen, müsste nicht jeder Euro, der beispielsweise in die Elektromobilität fließt, gegen einen Euro für die Diesel-Subventionen kämpfen.

Der Artikel ist zunächst auf vorwaerts.de erschienen und erscheint mit freundlicher Genehmigung des Berliner vorwaerts Verlags.

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