Umweltschutz

Kein Glyphosat in den Kommunen

Karin Billanitsch05. Dezember 2017
Der Löwenzahn findet einen Weg. Wie "ordentlich" muss ein Weg aussehen? Davon hängt auch der Einsatz von Pestiziden ab.
Bisher haben sich 90 Städte und Gemeinden entschieden, ihre Grünflächen ohne Pestizide oder mindestens ohne Glyphosat zu bewirtschaften. Der BUND unterstützt diese Aktivitäten und hat einen Ratgeber "Die pestizidfreie Kommune" erarbeitet. Er zeigt Alternativen auf.

Von der Stadt Saarbrücken im Südwesten bis Schenefeld im Landkreis Pinneberg im Norden haben sich bereits rund 90 Städte und Gemeinden dafür entschieden, auf Pestizide oder mindestens Glyphosat bei der Pflege ihrer Grün- und Freiflächen zu verzichten. In Kommunen werden diese chemischen Substanzen häufig eingesetzt, um Straßen, Wege und Plätze frei von unerwünschtem Bewuchs durch Kräuter und Gräser zu halten. Auch auf Beeten, Begrünungen, Parks und Rasenflächen kommen Insektizide oder Fungizide zum Einsatz, zum Beispiel in Rosengärten gegen Pilzkrankheiten und Blattläuse.

Alternativen zu Glyphosat

Das umstrittene Unkrautgift Glyphosat ist seit Tagen in den Schlagzeilen, nachdem Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) auf europäischer Ebene im Alleingang – gegen das Votum von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD)  – zugestimmt hat, dass es weitere fünf Jahre europaweit in der Landwirtschaft eingesetzt werden kann. Seine Zulassung wäre Ende 2017 ausgelaufen. Doch es gibt Alternativen zum Einsatz von Pestiziden. Darauf will der Bund für Umwelt und Naturschutz in Deutschland (BUND) aufmerksam machen und hat einen „Ratgeber pestizidfreie Kommune“ erarbeitet.

Umweltschützer machen es mitverantwortlich für ein massives Artensterben – insbesondere weil es in der industriellen Landwirtschaft in großen Mengen eingesetzt wird. Zudem steht es im Verdacht, für den Menschen krebserregend zu sein. Die SPD im Bundestag will jedenfalls die Anwendung von Glyphosat beenden: „Wir wollen eine Initiative ergreifen, die national das Ausbringen von Glyphosat und Präparaten, wo Glyphosat enthalten ist, verhindert, sagte Fraktionschefin Andrea Nahles.

„Verantwortung für Mensch und Kommune“

„Das Totalherbizid vernichtet alle Wildkräuter und entzieht dadurch Insekten die Nahrungsgrundlage und den Lebensraum“, mahnt der BUND. Das Insektensterben wiederum gefährde auch andere Tierarten und letztlich die Lebensmittelproduktion für Menschen, denn rund zwei Drittel der Kulturpflanzen seien auf Bestäuber angewiesen. Umso wichtiger, dass „Kommunalpolitiker mit einem Bekenntnis zur pestizidfreien Kommune ihrer Verantwortung für Menschen und Umwelt“ nachkommen, sagt Corinna Hölzel vom BUND. Hölzel: „Sie zeigen, es geht auch ohne Glyphosat.“

Die Pestizidexpertin Hölzel will Alternativen aufzeigen: „Blütenreich und ohne Gift das sollte das Motto aller Städte und Gemeinden sein.“ Städte würden viele Funktionen erfüllen: „Sie sind Orte der Erholung wie Umweltbildung, Rückzugsgebiete für bedrohte Insekten wie Wildbienen und sogar Lebensmittel wie Obst Gemüse und Honig werden in Städten produziert – Gifte haben in dieser Umgebung nichts zu suchen.“ Zum Beispiel könnten Kommunen ganz konkret mechanische und thermische Geräte statt chemischen Unkrautvernichtern einsetzen. Unerwünschte Pflanzen auf und an Wegen, Plätzen und Straßen könnten durch starke Hitzeeinwirkung abgetötet werden, so die Expeerten vom BUND. Neben Abflamm- und Infrarot­ge­räten gibt es dazu auch Maschinen, die mit heißem Schaum oder heißem Dampf arbeiten. Allerdings weisen die Experten vom BUND darauf hin, dass alle thermischen Lösungen haben einen hohen Energiebedarf hätten sowie die Geräte teuer seien.

Auch deshalb verwenden mehr Kommunen laut BUND mechanische Verfahren. Verschiedene Hersteller böten eine Reihe von Systemen dafür an, etwa Kehrmaschinen mit speziellen Radialbesen mit härteren Borsten aus Kunststoff oder Metall, Fugenkratzer, Absaugsysteme, Mähgeräte und Freischneider, heißt es.

Kommunen, die bei der Bewirtschaftung und Pflege ihrer Flächen keine chemisch-synthetischen Pestizide einsetzen wollen, können dazu einen Beschluss im Rat fassen, Der BUND hat dazu auch eine Beschlussvorlage erarbeitet, die im Internet abrufbar ist.

Hindernisse auf dem Weg

In der Broschüre werden Kommunen genannt, die ganz oder teilweise pestizidfrei sind, einige von ihnen sogar schon seit über 20 Jahren, darunter etwa Saarbrücken, Göttingen, Witten an der Ruhr oder Eckernförde. Dazu gibt es im Internet eine interaktive Karte mit vielen weiteren Kommunen. Allerdings gibt es auch Hindernisse auf dem Weg, wie der BUND in einer Informationsblatt  einräumt: In der Regel seien mehr Arbeitskräfte und anfänglich auch Weiterbildungen notwendig, heißt es. Beete oder Grünanlagen mit exotischen, anfälligen Bepflanzungen könnten so nicht mehr aufrechterhalten werden. Sie sollten durch einheimische, bienenfreundliche Stauden ersetzt werden, die gut ohne Pestizide auskommen, appelliert der BUND.

Corinna Hölzel betont: „Wichtig ist in jedem Fall die Information darüber, damit die Bürger nicht denken „Aha, hier passiert ja gar nichts mehr, der Weg wird nicht gepflegt oder die Anlage wird sich selbst überlassen.“ Ein Schild könnte etwa darauf hinweisen, dass hier Wildbienen wohnen. Auch hält der BUND eine Debatte über ein neues Schönheitsideal für sinnvoll – denn davon, wie „ordentlich“ ein Weg aussehen soll, hängt auch ab, wie viel Unkraut am Ende beseitigt werden muss – oder eben wachsen darf.

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