Arbeitsmarktpolitik

Keiner soll auf dem Weg zur Ausbildung verloren gehen

Susanne Dohrn 19. Dezember 2017
Olaf Scholz würdigt die Jugendberufsagentur Hamburg: „Sie gehört zu den größten Innovationsleistungen des Hamburger Schulsystems in den letzten Jahrzehnten.“
Die seit fünf Jahren erfolgreiche Hamburger Idee der „Jugendberufsagentur“ wird inzwischen bundesweit kopiert.

Die Zukunft hat viele Namen: Für Schwache ist sie das Unerreichbare, für die Furchtsamen das Unbekannte, für die Mutigen die Chance.“ Die Einsicht stammt von Victor ­Hugo, dem großen französischen Schriftsteller. Sie gilt bis heute. Aus der Zukunft eine Chance für alle zu machen, egal wie gut oder schlecht die Startbedingungen sind, ist das Ziel von Jugendberufsagenturen. Vor fünf Jahren entstand die erste im Hamburger Bezirk Mitte. Von dort aus haben Jugendberufsagenturen ihren Siegeszug angetreten – zunächst in alle Hamburger Bezirke der Stadt und dann bundesweit.

Jugendamt und Jugendhilfe Hand in Hand

„Die Jugendberufsagentur (jba) ist die Helikopter-Betreuung für die Berufsausbildung.“ So formulierte es Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz anlässlich des fünften Geburtstages der Jugendberufsagenturen im September 2017. So wie fürsorgliche Eltern sollen die Jugendberufsagenturen Jugendlichen bis zum Alter von 25 Jahren dabei helfen, den Weg einzuschlagen, der für sie der richtige ist. Dabei ist es egal, ob sie nach Abschluss der Schule nicht wissen, was sie studieren wollen oder welche Berufsausbildung für sie die richtige ist, ob sie weiter zur Schule gehen wollen oder erstmal einen Job suchen, ob sie mit einer Ausbildung schlechte Erfahrungen gemacht haben und sich scheuen, eine neue zu beginnen, oder persönliche Probleme ihnen das Leben schwer machen.

Deshalb arbeiten in Hamburg Jugendamt und Jugendhilfe Hand in Hand und unter einem Dach zusammen. Niemand soll verloren gehen. Niemand wird mehr von einer Behörde zur anderen geschickt, sondern allenfalls von einem Zimmer ins nächste oder von ­einem Flur in den anderen. Dabei gehe es nicht darum, die Jugendlichen bei ihrem Lebensweg zu bevormunden, hebt Olaf Scholz hervor. „Ein Bildungsweg muss selbstbestimmt sein, aber wir dürfen die Schülerinnen und Schüler, und übrigens auch die Eltern, nicht einfach alleine lassen.“

Mit Ausbildungsplatzgarantie

Vor fünf Jahren war das noch anders. Damals rutschten in Hamburg Jahr für Jahr etwa 1.500 Schulabgängerinnen und Schulabgänger von insgesamt etwa 6.500 aus der Bildungskette heraus, ohne dass bekannt war, was aus ihnen wurde. Die wenigen vorhandenen Daten deuteten darauf hin, dass nur zehn Prozent der Hauptschülerinnen und Hauptschüler eine Berufsausbildung begannen. Keiner wusste: Wer schafft es? Wer braucht Hilfe? Wer hat aufgegeben?

„2010/11 war von 1.200 Nicht-Abiturienten unklar, ob sie den Sprung ins Berufsleben geschafft haben. Heute sind es gerade mal 13 Personen, das heißt Schulabgänger nach Klasse 10“, so Olaf Scholz. Kombiniert haben die Hamburger die Jugendberufsagentur mit einer Ausbildungsplatzgarantie. Olaf Scholz: „Wer es nicht über den klassischen Weg schafft, hat das Recht das erste Ausbildungsjahr in einem von inzwischen 50 Ausbildungsberufen an einer Berufsfachschule zu absolvieren. Über 85 Prozent beginnen danach eine betriebliche Ausbildung, alle anderen können ihre Ausbildung bei einem Träger beenden.“

Internationale Beachtung

Die Hamburger Idee hat sich zu einem bundesweiten Erfolgsmodell entwickelt, wie die Zahlen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales belegen. Zu Beginn des Jahres 2017 gab es 289 Kooperationen von Agenturen für Arbeit, Jobcentern und Jugendämtern. Daran sind mehr als 90 Prozent der Agenturen für Arbeit beteiligt. Und etwas mehr als die Hälfte der Jugendberufsagenturen beziehen Schulen über die regulären Angebote der Berufsberatung hinaus ein. Auch international hat das Modell große Beachtung gefunden. Delegationen aus vielen europäischen Ländern, aber auch aus Japan oder Aserbaidschan, haben sich schon über die Jugendberufsagenturen in Hamburg informiert. Seit dem Jahr 2016 lässt die Hansestadt die Wirkung des Modells evaluieren, um herauszufinden, wie sich die Betreuung der Jugendlichen noch verbessern lässt. Erste Ergebnisse sollen 2018 vorliegen.

Olaf Scholz indes ist überzeugt: „Die Jugendberufsagentur gehört zu den größten Innovationsleistungen des Hamburger Schulsystems in den letzten Jahrzehnten.“ Sie sei das Versprechen: „Hamburg kümmert sich. Niemand darf verloren gehen.“