Studie zur Umsetzung der Kinderrechte

Wie Kinder und Jugendliche ihre Kommunen sehen

Carl-Friedrich Höck17. Mai 2018
Familie auf einem Spielplatz
Familie auf einem Spielplatz (Archivbild): Die UN-Kinderrechtskonvention enthält auch ein Recht auf Freizeit, Ruhe und Spiel.
Mit einer Studie will das Deutsche Kinderhilfswerk herausfinden, welche Defizite es bei der Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention gibt. Erste Umfrageergebnisse offenbaren, wie Kinder und Jugendliche die Angebote ihrer Kommunen bewerten. Ihr Urteil zur Infrastruktur und ihren Beteiligungsmöglichkeiten fällt durchwachsen aus.

Die Rechte der Kinder sind umfangreich. So legt die UN-Kinderrechtskonvention zum Beispiel fest: Kinder haben ein Recht auf Bildung und Schule, auf Freizeit und Spiel und auf eine angemessene Berücksichtigung der eigenen Meinung. Aber wie wird das in Deutschland konkret umgesetzt?

Kinderhilfswerk erarbeitet Index

Das will das Deutsche Kinderhilfswerk (DKHW) herausfinden und auch einen „Kinderrechte-Index“ erarbeiten. Eine Studie soll Indikatoren entwickeln und Daten zusammentragen. Im Herbst soll sie fertig sein. Erste Umfrageergebnisse – erhoben vom Marktforschungsunternehmen Kantar Public – hat das DKHW bereits am Mittwoch veröffentlicht.

Befragt wurden 1.591 Kinder und Jugendliche zwischen 10 und 17 Jahren sowie noch einmal genauso viele Eltern ab 18 Jahren. Das Datenmaterial verrät viel darüber, wie die Befragten über ihre Schulen, aber auch über die Angebote ihrer Kommunen denken.

Mitbestimmung an Schulen, aber nicht in der Kommune

So scheint Mitbestimmung aus Sicht der Kinder vor allem in den Schulen und Familien stattzufinden. 59 Prozent der Heranwachsenden gaben an, in der Familie bei sie betreffenden Angelegenheiten häufig nach ihrer Meinung gefragt zu werden. In der Schule liegt der Wert bei 24 Prozent. Auch in Sport-, Kultur- oder Freizeitvereinen sind es immerhin noch 20 Prozent. Bezogen auf die eigene Stadt oder Gemeinde haben nur noch zwei Prozent der Kinder und Jugendlichen den Eindruck, nach ihrer Meinung gefragt zu werden. Ähnlich miserabel sind die Ergebnisse für die Landes- und Bundesebene (ein und zwei Prozent).

Logo des Deutschen Kinderhilfswerkes
Logo des Deutschen Kinderhilfswerkes auf einem Werbeaufsteller

Interessanterweise bewerten Eltern die Mitbestimmungsmöglichkeiten ihrer Kinder wesentlich besser: Hier liegen die Werte bei 73 Prozent für die Familie, 47 Prozent für den Schulbereich und 48 Prozent für das Vereinsleben. Doch auch nur vier Prozent der Eltern glauben, dass ihre Kinder in der Kommune häufig nach ihrer Meinung gefragt werden.

Anzumerken ist, dass die Methodik an diesem Punkt Schwächen hat: Nach der eigenen Meinung gefragt zu werden bedeutet schließlich nicht zwangsläufig, dass man auch tatsächlich mitbestimmt. Umgekehrt werden tatsächlich existierende Mitbestimmungsmöglichkeiten von den Betroffenen nicht immer als solche wahrgenommen. DKHW-Vizepräsidentin Anne Lütkes sieht allerdings genau hier einen Knackpunkt: Wichtig sei ja gerade, dass die Kinder die Beteiligungsmöglichkeiten auch verstehen.

Gute Werte für Schulen – aber nicht für ihren Zustand

Über die eigenen Schulen wussten viele Kinder und Jugendliche Gutes zu berichten. Jedoch gibt es in der Bewertung „deutliche Unterschiede zwischen den Umgang miteinander und dem baulichen Zustand der Schulen“, stellt Christoph Döbele von Kantar Public fest. So sind 78 Prozent der Meinung, dass alle Kinder „eher“ oder „voll und ganz“ die gleichen Chancen auf einen guten Schulabschluss haben. 75 Prozent bestätigten, dass niemand aufgrund seiner Herkunft schlecht behandelt werde. 63 Prozent sagten aus, an ihrer Schule gebe es Orte, „wo ich mich in den Pausen entspannen kann“. Bedenklich dagegen: 30 Prozent der Schüler sagten aus, in ihren Schulen gebe es keinen Internetanschluss. Weitere zehn Prozent wussten es nicht.

Durchwachsen fiel auch die Bewertung der Schultoiletten aus: Nur 49 Prozent der Kinder meinen, diese seien in einem guten Zustand. Doch was hat dies mit der UN-Kinderrechtskonvention zu tun? Es gebe ein Recht auf Gesundheit und angemessene Lebensumstände, erklärt DKHW-Vizepräsidentin Anne Lütkes. Gute Toiletten seien kein „nice to have“, sondern ein Muss.

Nur jeder Zweite geht in den Park

Noch kritischer als über die Schulen urteilten die Heranwachsenden über die kommunalen Freizeitangebote. Parks und öffentliche Grünflächen besuchen 53 Prozent der Kinder und Jugendlichen mindestens gelegentlich. Einen Jugendclub oder ein Jugendzentrum suchen nur 20 Prozent auf. Von den übrigen 80 Prozent gaben wiederum 20 Prozent an, dass es eine solche Einrichtung gar nicht gebe, und 65 Prozent waren mit dem Angebot nicht zufrieden. Dagegen sind Sportanlagen beliebt, sie werden von 60 Prozent der Kinder und Jugendlichen genutzt.

Nur 31 Prozent sagten aus, dass sie häufig oder gelegentlich einen Spielplatz besuchen. Das lässt sich allerdings damit erklären, dass ein Großteil der 10–17-jährigen Befragten bereits zu alt ist.

Eltern bewerten Angebote teils besser

Auch die Eltern sollten die Freizeitangebote für ihre Kinder bewerten. Als „sehr gut“ oder „eher gut“ bewerten 79 Prozent der Eltern die Grünflächen und 63 Prozent die Sportanlagen. Mit dem Angebot an Büchereien und Museen sind 69 Prozent der Eltern einverstanden. Den Jugendclubs gaben jedoch nur 46 Prozent der Erwachsenen gute Noten, und auch die Tanz-, Theater- und Musikangebote stellen nur 45 Prozent von ihnen zufrieden.

Das all dies mit Kinderrechten zusammenhängt, dürfte kaum jemand wissen. Nur 19 Prozent der Kinder und 23 Prozent der Eltern kennen sich nach eigener Aussage gut mit dem Thema aus. Der überwiegende Teil der Befragten kennt das Thema nur vom Namen her oder hat noch gar nichts davon gehört.

DKHW will Informationsoffensive zu Kinderrechten

Insgesamt zeigten die Umfrageergebnisse „ein relativ durchwachsenes Gesamtbild“, urteilt DKHW-Präsident Thomas Krüger. Die Kinderrechtskonvention sei in Deutschland bisher „nur sporadisch und unzureichend umgesetzt worden“. Es brauche daher eine „Informationsoffensive“, um ein größeres Bewusstsein für das Thema zu schaffen.

„Kinder wollen ernstgenommen werden und sie wollen beteiligt werden“, ist Krüger überzeugt. Dies dürfe man nicht als Kinderspiel betrachten. Deshalb müssten Qualitätsstandards eingeführt werden – wozu das Kinderhilfswerk mit seiner laufenden Studie beitragen will. Neben dem Meinungsbild der Kinder und Eltern sollen in die Untersuchung auch weitere Datensätze einfließen. Etwa qualitative Befragungen und eine Analyse der Bau- und Landesjugendämter.

 

Mehr
Ergebnisse der Umfrage (dkhw.de)
Kinderrechtskonvention als PDF (unicef.de)