Kinderrechte

Kindern eine Stimme geben

Karin Billanitsch23. November 2016
Kinder haben ein Recht auf Spiel nach der Kinderrechtskonvention der UN.
Kinderrechte sollen im Grundgesetz verankert werden, fordert die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Manuela Schwesig (SPD). In Berlin setzen sich Kinder im einem Projekt des Landesverbands Kinder- und Jugendfilm Berlin e. V.. mit ihren Rechten und Bedürfnissen auseinander. Für die Kommunen vor Ort ist es wichtig, kinderfreundliche Strukturen zu entwickeln.

Die Kinder von der Grundschule im Hasengrund in Pankow sind stolz: Sie haben einen Film gedreht. Bis zur Filmpremiere am vergangenen Dienstag in Berlin haben sie viele Stunden gearbeitet, sich Drehbuch und Storyboard ausgedacht und die Geschichte vor der Kamera inszeniert. Es geht um eine Begebenheit, wie sie überall in Deutschland passieren könnte: Ein Investor plant, auf dem Grundstück eines Spielplatzes ein Hotel zu bauen. Nachdem die Kinder davon erfahren, beschließen sie, den Platz zu besetzen und die Bauarbeiten zu stören. Wer will, kann im Artikel 31 der UN-Kinderrechtskonvention nachlesen, worum es ihnen geht: „Die Vertragsstaaten erkennen das Recht des Kindes auf Ruhe und Freizeit an, auf Spiel und altersgemäße aktive Erholung sowie auf freie Teilnahme am kulturellen und künstlerischen Leben.“

Schwesig: Rechte der Kinder im Grundgesetz verankern

Der Film „Der verlorene Spielplatz“ ist einer von 16 Kurzfilmen, der beim Kinderrechte-Filmfestival in Berlin lief. Die neun bis 12-jährigen Mädchen und Jungen erdachten, unterstützt von Filmcoaches, Geschichten, in denen es um Mobbing an der Schule, Trennung der Eltern, Gewalt in der Familie oder eben um einen „verlorenen“ Spielplatz geht. Das Kinderrechte-Filmfestival ist ein Projekt des Landesverbandes Kinder- & Jugendfilm Berlin, der seit über 25 Jahren Film- und Medienprojekte mit Kindern und Jugendlichen realisiert.  Jetzt, im November, war auch der weltweite „Tag der Kinderrechte“. Er erinnert an die UN-Kinderrechtskonvention, die vor 27 Jahren verabschiedet wurde.

Dass Kinder in Deutschland Rechte haben, mag vielen Menschen selbstverständlich scheinen. Doch die rechtliche Situation ist nicht ganz so eindeutig. Deshalb will die SPD Kinderrechte im Grundgesetz verankern. Das kündigte Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) Anfang der Woche an. Zuvor hatten sich die Justizminister von Bund und Ländern kürzlich ebenfalls für die Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz ausgesprochen. Der Deutsche Kinderschutzbund Bundesverband (DKSB) begrüßte diesen Beschluss „als wichtigen Schritt zu einer vollständigen Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland”. DKSB-Präsident Heinz Hilgers setzt sich seit vielen Jahren für stärkere Kinderrechte ein. 

Forderung: Union soll bei Kinderechten Farbe bekennen

„Kinderrechte sind immer noch nicht im Grundgesetz verankert“, stellte Schwesig klar. Dies sei zum einen eine symbolische Frage, so die Ministerin. Es gehe aber auch um konkrete Fragen, wie Gewalt in Familien. Ein Kinderrecht im Grundgesetz wäre eine Verbesserung. Alle Fraktionen im Bundestag wollten dies – bis auf die Union, kritisierte Schwesig. Zuletzt hatte Ministerpräsident Horst Seehofer Ende September verkündet, dass die bayerische Staatsregierung für die Verankerung der Kinderrechte in das Grundgesetz eintrete. Nun hängt es an der Union: „Die Union muss Farbe bekennen und sich entscheiden“, forderte Schwesig. Ansonsten werde auch dieses Thema bei der Bundestagswahl 2017 zur Abstimmung gebracht.

Hilgers hatte bereits im Oktober in einem Offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel appelliert, „ihren großen Einfluss geltend zu machen, damit die CDU ihre Blockadehaltung aufgibt und noch in dieser Legislaturperiode eine Änderung des Grundgesetzes zustande kommen kann“. Der DKSB und andere Verbände fordern, dass die Interessen von Kindern ein größeres Gewicht bei zahlreichen Entscheidungen erhalten. In der Praxis etwa bei der Planung von kindgerechten Wohnvierteln, beim Bau einer Kita oder im Ausländerrecht. Richterinnen und Richter sowie Behörden wären verpflichtet, sich stärker auf das Kindeswohl zu beziehen, argumentieren die Befürworter.

Umsetzung der UN-Artikel auf kommunaler Ebene

Auch der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte kritisiert, dass derzeit Kinder im Grundgesetz nur als Objekte elterlicher Verantwortung vorkämen. „Kinder haben Rechte, und dieses Verständnis sollte auch die deutsche Verfassung, das wichtigste Wertebuch unserer Gesellschaft, klar zum Ausdruck bringen“, so Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte. Kinder seien eigenständige Rechtssubjekte, wie auch der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes immer wieder betone, fügt er hinzu.

Auch für die Kommunen vor Ort ist es wichtig, kinderfreundliche Strukturen zu entwickeln. So hat zum Beispiel die Stadt Dormagen unter ihrem damaligen Bügermeister Heinz Hilgers schon vor 25 Jahren ein „Kinderparlament“ eingeführt. Die Jugendvertretung beteiligt Kinder an allen für sie wichtigen Belangen und sichert ihnen eine demokratische Mitsprache, lautet das erklärte Ziel. In den Sitzungen der Schüler aus allen Grundschulen und den ersten beiden Klassen der weiterführenden Schulen beschäftigen sich die jungen Abgeordneten mit Themen von der Schulwegsicherung bis hin zur Spielplatzgestaltung. „Das Recht auf Partizipation ergibt sich aus Artikel 12 der UN-Kinderrechtskonvention“, erklärte Hilgers während einer Veranstaltung zum Thema Kinderrechte in Dormagen. „Die Vorschläge der Abgeordneten werden von der Verwaltung wie Bürgeranträge behandelt“, so Dormagens Bürgermeister Erik Lierenfeld. So wurden zum Beispiel die Schulhöfe als öffentliche Spielplätze geöffnet.

Siegel für kinderfreundliche Kommunen

Um Kommunen dabei zu unterstützen, eine kinderfreundliche Kommune zu werden und die Artikel der UN-Kinderrechtskonvention auf lokaler Ebene umzusetzen, gibt es den Verein Kinderfreundliche Kommunen e.V. Er ist ein gemeinsames Vorhaben des Deutschen Kinderhilfswerkes und von UNICEF und begleitet Kommunen dabei, einen Aktionsplan zu erstellen. Wer das schafft, erhält ein Siegel, wie etwa Algermissen, Hanau, Weil am Rhein, Regensburg, Senftenberg oder Wolfsburg. Die Kinder im Film können übrigens am Ende ihren Spielplatz retten. Das Wichtigste dabei: Die Grundschüler lernen ihre Rechte kennen und erfahren, dass sie in vielen Belangen eine Stimme haben.

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