Plattdeutsche Sprache

Die kleine Renaissance

03. Januar 2017
Moin Moin – in Norddeutschland ein üblicher Gruß.
Laut einer aktuellen Umfrage sprechen mehr Menschen Plattdeutsch als noch vor zehn Jahren. Immerhin „47,8 Perzent vun de Minschen in Noorddüütschland verstaht Platt goot oder sehr goot.“ Auf lokaler Ebene gibt es zahlreiche Bemühungen zum Erhalt der Sprache.

Rhede ist Vorreiter im Emsland: als erste Kommune im Emsland wird sie künftig zweisprachige Ortsschilder anbringen:  Rheen an de Ämße wird ergänzend auf den Tafeln stehen. Noch vor weihnachten soll der Ratsbeschluss umgesetzt werden. Für die Kommune ist es ein Beitrag zur Erhaltung der Sprache. 

Platt-Umfrage

Julia Schulte to Bühne dürfte diese Aktion gefallen: Die Geschäftsführerin findet nämlich auch, dass Platt „lebendig, schön und leicht“ klingt. Und dass die Sprache aussterbe beziehungsweise schon tot sei, stimme nicht mehr, im Gegenteil. Platt erlebe zurzeit so etwas wie eine kleine Renaissance. Wie viele Menschen noch des Plattdeutschen mächtig sind, haben das Institut für Niederdeutsche Sprache (INS) und das Institut für Deutschen Sprache durch eine repräsentative Telefonumfrage ermitteln lassen. Daran beteiligten sich gut 1600 Interviewpartner aus den Bundesländern Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein. Die letzte Erhebung stammt aus dem Jahr 2007.

Präsentiert wurden die Ergebnisse kürzlich in Berlin. Einige Befunde sind auf der Internetseite des Instituts nachzulesen – natürlich auf Platt: „47,8 Perzent vun de Minschen in Noorddüütschland verstaht Platt goot oder sehr goot.“ Und: „15,7 Perzent vun de Minschen in Noorddüütschland snackt Platt goot oder sehr goot.“ Bei der bislang letzten Untersuchung im Jahr 2007 gaben nur 46 Prozent an, Platt gut oder sehr gut zu verstehen. Auch der Anteil der Plattschnacker war mit 14,3 Prozent geringer.

Diese Zahlen sind für Schulte to Bühne der Beleg dafür, dass sich Wettbewerbe und Aktionen wie „Plattsounds“ und „Platt is coll“, die Förderung von Plattdeutsch schon im Kindergarten und andere Idee positiv auf die Entwicklung der Sprache auswirken. Ausgedacht hat sich das alles der Landschaftsverband Stade. Er hat in den vergangenen Jahren ein ganzes Bündel von Veranstaltungen und Angeboten geschnürt – mit einigem Erfolg.

Platt-Referenten in Schulen unterwegs

Außer dem Musikwettbewerb „Plattsounds“ und „Platt is cool“ mit der Zielgruppe Jugendliche gibt es beispielsweise die „Plattdüütsch Schatzkist“. Auf der Internetseite www.landschaftsverband-stade.de steht, dass die Schatzkiste „eine aktuelle plattdeutsche Mediensammlung“ zum Einsatz in Kindertagesheimen, Schulen und Einrichtungen der Erwachsenenbildung wie den Volkshochschulen sei. Zum Paket des Landschaftsverbandes gehört überdies das Jugendtourneetheater „Wellenbreker“.

Seit Ende der 1990er Jahre hat sich viel getan, um das Platt nicht komplett untergehen zu lassen. So sind im Auftrag des Landschaftsverbandes sogenannte Obleute in den Schulen unterwegs, um Platt zu unterrichten. Auch die Freudenthal-Gesellschaft ist dabei. Sie bezahlt Platt-Referenten für ihren Einsatz in Schulen und Kindertagesstätten. „Das wird gut angenommen“, sagt Hans-Joachim Schmidt, Mitglied des Heimatvereins Fintel und langjähriger Vorsitzender der Freudenthal-Gesellschaft. Die aktuellen Zahlen des INS kommentiert er so: „Wir haben einen leichten Trend nach oben.“

Die rechtliche Grundlage zum Plattdeutsch-Unterricht in den niedersächsischen Schulen bildet der Erlass „Die Region und ihre Sprache im Unterricht“ des Kultusministeriums. Danach begrüßt die Landesregierung ausdrücklich, dass das Plattdeutsche wieder Einzug in die Schulen hält. Allerdings hat die Sache einen Haken: Bei dem Erlass handelt es sich um eine Kann-Regelung. Den Schulen steht es frei, Platt ins Lehrprogramm aufzunehmen. Dies geschieht im Rahmen von Arbeitsgemeinschaften.

Problem: Lehrer fehlen

Bevor sie mit Leben erfüllt werden können, stehen Schulen, Eltern und nicht zuletzt die Schüler vor dem nächsten Problem. Schmidt sagt: „Es sind keine Lehrkräfte vorhanden.“ Die gleichen Erfahrungen haben Susanne Euhus und Elisabeth Steinkamp gemacht. Euhus ist stellvertretende Vorsitzende des Kultur- und Heimatvereins Visselhövede und zuständig für das Plattdeutsche, Steinkamp kümmert sich als Beisitzerin des Heimatvereins Sottrum um die Pflege der Sprache. Die Visselhövederin ist Grundschullehrerin und bietet für die Klassen 3 und 4 eine Arbeitsgemeinschaft an der Kastanienschule an. Dies lasse sich nur mithilfe von pensionierten Kollegen realisieren. Sie müssten die Sprache auch noch selbst sprechen.

Ähnlich sieht es Steinkamp, selbst ehemalige Lehrerin: „Wer soll das machen?“ Um das Platt nicht aussterben zu lassen, stellen sie beziehungsweise der Heimatverein seit 20 Jahren den „Plattdeutschen Nachmittag“ für die Grundschulen der Samtgemeinde auf die Beine. In den vier bis sechs Wochen davor üben die Kinder nach Auskunft von Steinkamp Sketche und Lieder.

Zurück gehen die Aktionen unter anderem auf Heinrich Benjes. Der bekannte und beliebte Autor plattdeutscher Bücher und Geschichten war im Hauptberuf Schulleiter in der Samtgemeinde Sottrum. Trotz des leichten Aufwärtstrends sieht Benjes „unser herrliches Kulturgut im Bestand bedroht“. Das Plattdeutsche schwinde „im Umgang mehr und mehr“. Und: „Es gibt nur noch einen kläglichen Rest von der Vielfalt, die mal da war.“

Getan könne etwas für das Platt außer an den Schulen und Kitas auch in den Volkshochschulen. In Rotenburg war der Literat selbst über viele Jahre aktiv. Dort unterrichtet Ute Voss inzwischen Plattdeutsch. Michael Burgwald, Leiter der Rotenburger Kreisvolkshochschule (KVHS), bezeichnet ihn als „klein, aber fein“. Sei er im Angebot, gebe es immer Interessenten. Laut Burgwald würde die KVHS gerne weitere Kurse anbieten. „Aber es hakt bei den Dozenten.“

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