Interview mit Mainzer OB Michel Ebling

„Der kluge Mix der Verkehrsträger sichert die urbane Mobilität“

Karin Billanitsch11. Februar 2016
VKU-Präsident Michael Ebling
VKU-Präsident Michael Ebling (Archivaufnahme)
Michael Ebling, Oberbürgermeister in Mainz und neuer VKU-Präsident, stärkt den ÖPNV, um die Menschen in der Stadt mobil zu halten. Er sieht außerdem Elektromobilität im kommen, Mieträder und Carsharing.

Herr Ebling, wie kommen Sie eigentlich jeden Tag zur Arbeit?

Mobil wie ich bin, in der Regel mit dem Wagen. Er war bisher ein Hybridmodell, wegen auslaufender Leasingverträge wird es künftig ein Diesel sein.

Marode Straßen, Schlaglöcher nach dem Winter: Klagt die Stadt Mainz auch über zu wenig Geld für Investitionen im Infrastrukturbereich?

Ja, das tun wir auch – wir haben objektiv viel zu wenig Geld und machen nur das Notwendigste. In Mainz ist die Situation der Kommune relativ klassisch, mit steigenden Sozialausgaben zu Lasten der Investivseite. Nach eigenen Schätzungen können wir etwa 20 Prozent dessen, was eigentlich an Infrastrukturinvestition notwendig wäre, um etwa Straßen instand zu halten, abdecken. Was uns hilft, ist die Umsetzung des kommunalen Investitionsprogramms für finanzschwache Kommunen. Noch besser wäre eine langfristig angelegte Unterstützung, die uns hilft, das zu unternehmen, was notwendig wäre.

Welchen Summen erhält Mainz aus dem Investitionsprogramm?

Für die Landeshauptstadt Mainz sind es 25 Millionen Euro aus dem Konjunkturpaket. Das ist eine Menge, die hier zusätzlich mobilisiert wird, die wir etwa für energetische Sanierung verwenden werden.

Welche Fortschritte gibt es in Mainz bei den wichtigsten Verkehrsprojekten? Gibt es Beispiele?

Wir haben gute Beispiele, wir setzen auf einen starken Mix in der Mobilität. Wir sind eine wachsende Stadt. Ein großes Verkehrsinfrastrukturprojekt ist der Ausbau der Straßenbahn – neun Kilometer zusätzliches Gleis. Das ist eine Investi­tion in der Größenordnung von rund 90 Millionen Euro. Das stemmen wir im Wesentlichen über öffentliche Fördermittel, aber auch mit Mitteln der kommunalen Stadtwerke.

Das heißt, ein Schwerpunkt liegt beim Ausbau des ÖPNV?

Ja, wir merken, dass der Autoverkehr prozentual etwas nachlässt, obwohl immer mehr Menschen von der Urbanität angezogen werden. Gerade junge Leute, die in die Stadt gehen, legen offenbar nicht mehr so viel Wert auf das Motto „mein Haus, mein Parkplatz, mein Auto“. Für uns ist die Aufgabe, die Mobilität mit einem guten ÖPNV-Angebot zu unterstützen. Auch ein Radmietsystem haben wir seit zwei Jahren mit sensa­tionellen Nutzerzahlen, die zeigen, dass das auch angenommen wird.

Wie sieht mittelfristig Ihre Vision von der urbanen Mobilität in der Zukunft aus?

Zweifelsohne in einem klugen Mix. Ich bin froh, dass wir diese Entwicklung mit 80 Prozent des Stadtrates im Rücken betreiben können. Wenn man ein Projekt mit 51 zu 49 Prozent im Stadtrat durchsetzen müsste, wäre es zum Scheitern verurteilt. Die Vision ist, in den nächsten Jahren einen starken Mobilitäts-Mix zu haben. Wenn in der wachsenden Stadt alle auf Individualverkehr setzen würden, wäre das eine Katastrophe. Wir hätten weder die investiven Mittel noch wäre das mit Blick auf die Klimaziele sinnvoll. Wir müssen eine Ausdifferenzierung haben, zum Beispiel zukünftig auch der Elektromobilität mehr Raum geben. Das ist ein Thema, das wir im Stadtwerke-Konzern diskutieren. Dazu gehört auch, dass die Stadtverwaltung selbst als gutes Beispiel vorangeht. Wir haben seit einem Jahr den Fuhrpark auf Car-Sharing-Systeme umgestellt. 

Wie geht das vonstatten?

Wir haben eine Vereinbarung mit einem privaten Anbieter geschlossen, der den Fuhrpark vorhält, und dann wird punktgenau abgerechnet.

Sie sind seit dem 1. Januar Oberhaupt der Stadtwerke. Welche ­Pflöcke wollen Sie als neuer VKU-Präsident setzen?

Ich möchte – und damit bin ich wieder ganz eng bei Ihrer Eingangsfrage – den Zusammenhang herausstellen zwischen der Notwendigkeit, auf der kommunalen Ebene zu investieren, und guten Rahmenbedingungen für die wichtige Arbeit der Stadtwerke. Bisher konnten kommunale Unternehmen bei Erfüllung der Aufgaben oftmals Geld verdienen – das den Kommunen wieder zugeflossen ist. Eine der Hauptaufgaben wird sein, dass diese Rahmenbedingungen wieder so sind, dass kommunalwirtschaftliche Unternehmen wirtschaftlich erfolgreich agieren können, die Investitionsfähigkeit vor Ort erhalten bleibt und unsere Haushalte entlastet werden können. Diese Rahmenbedingungen werden latent ­angegriffen.

Auf welche gesetzlichen Regelungen spielen Sie hier konkret an?

Ich spreche insbesondere die Bedingungen in der Energiewirtschaft an, die nicht vorteilhaft sind, weil wir durch die Entwicklung bei der Energiewende und wegen anderer für die Kommunen ungünstiger Regelungen wenig Planungssicherheit bekommen und zudem Ertragseinbrüche zu verzeichnen haben. Beides hemmt aktuell die Investitionsfähigkeit der kommunalen Unternehmen. Mit der Gefahr, dass wir dort ins Hintertreffen geraten, wie wir das ja beispielsweise bei der kommunalen Straßeninfrastruktur schon erleben. Bei dem wichtigen Thema der Netze und der Stromversorgung droht das in ähnlicher Weise. Wenn erst einmal Investitionsstaus entstehen, dauert es volkswirtschaftlich Jahre und Jahrzehnte, das wieder aufzuholen.

Welche Bereiche sind noch berührt?

Wir erleben auch die aktuelle Diskussion um das Wertstoffgesetz. Die Kommunen sind der Abfallentsorger mit hohen Vertrauenswerten, aus gutem Grund. Sie haben die regionale Nähe und erfüllen ihre Aufgabe zuverlässig. Wir müssen uns aktuell mit einem Entwurf des Wertstoffgesetzes auseinandersetzen, der die Kommunen herauszudrängen droht. Die Kommunalwirtschaft erfüllt ihren Zweck nicht für anonyme Unternehmensbeteiligungen, sondern als unser Eigentum vor Ort – und damit für die Bürgerinnen und Bürger.

Plädieren Sie also dafür, dass Bereiche wie Abfallwirtschaft oder etwa Breitbandausbau als Aufgaben der Daseinsvorsorge in öffentlicher Hand bleiben?

Ich bin dafür, dass man den Kommunen immer die Wahlmöglichkeit lässt, welche Geschäftsfelder sie behalten wollen. In Bezug auf das Wertstoffgesetz heißt das konkret: Die Kommunen müssen die Weichen stellen können, es sollte aus der Sachnähe und dem kommunalen Auftrag heraus entschieden werden. Als ein Teil der Daseinsvorsorge kann die Aufgabe dann besonders gerecht und sozial durchgeführt werden, wenn sie in kommunaler Hand bleibt. Dass muss im übrigen nicht heißen, dass das nur zu 100 Prozent Kommunale machen. Aus Gründen, die nur die Kommune zu entscheiden hat, kann sie auch an Private übertragen. Wenn ich an Breitbandversorgung denke, beobachte ich, dass der Begriff kommunale Daseinsvorsorge sich wandelt. Das ist dann nicht mehr 20. Jahrhundert, also Wasser, Strom, Gas und Abfall. Zum 21.Jahrhundert gehört die Frage, dass ich meine Daten schnell transportieren und empfangen können muss. Das ist eine aktuell neu zu definierende Form von Daseinsvorsorge. Auch hier braucht es den Zugang für die kommunalen Unternehmungen.

Wirtschaftlich stehen viele Stadtwerke schwächer da. Wo machen Sie die Hauptursachen fest?

Richtig ist, eine Reihe von Stadtwerken, vor allem solche mit eigener Stromerzeugung, haben eine schlechtere Ertragslage vorzuweisen. Es ist wahnsinnig schwierig geworden, im Bereich der Energieversorgung Geld zu verdienen. Die Energiewende hin zu mehr erneuerbaren Energien treiben die Stadtwerke mit Herzblut voran. Aber zugleich haben sich die Rahmenbedingungen am Strommarkt deutlich zu Lasten der Kraftwerksbetreiber verschlechtert. Eigentlich hocheffiziente Gaskraftwerke verdienen kein Geld mehr. Das setzt viele unter Druck – und die Haushaltssituation vieler Kommunen hat sich verschlechtert.