Medizinische Versorgung

Kommunale Großkrankenhäuser fordern Reformen

Carl-Friedrich Höck20. September 2021
Berliner Vivantes-Klinikum am Urban (Archivaufnahme): Kommunale Großkrankenhäuser klagen über unzureichende Finanzierung.
In der Corona-Pandemie haben kommunale Großkrankenhäuser besonders viel geleistet. Doch finanziell gehörten sie zu den Verlierern, beklagen sie. Nun drängen sie auf eine Strukturreform.

Die gute Nachricht vorneweg: Trotz der anhaltenden Corona-Pandemie ist die Situation in den Krankenhäusern derzeit „beherrschbar und im Rahmen der normalen Auslastung kein Problem“. Das sagt Nils Dehne, Geschäftsführer der „Allianz Kommunaler Großkrankenhäuser” (AKG), im Gespräch mit der DEMO. Auf den Intensivstationen lägen vor allem ungeimpfte und zunehmend auch jüngere Menschen. Dass die Impfkampagne wirkt, bestätigt auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG). Mehr als 90 Prozent der Intensivpatient*innen mit Covid-19 seien ungeimpft, teilte die DKG am 10. September mit.

Aufwendige Behandlung von Corona-Patient*innen

Sorgen bereitet den Kommunalen Großkrankenhäusern aber die wirtschaftliche Situation. Diese sei infolge der Pandemie „schon sehr aufgewirbelt worden“, berichtet Dehne. Die Versorgung der Corona-Patient*innen sei extrem aufwendig. Die anfallenden Kosten würden durch die Vergütung – basierend auf Fallpauschalen – nicht immer gedeckt. Wer viele Corona-Infizierte behandelt hat, war laut Dehne wirtschaftlich benachteiligt gegenüber Kliniken, die nur Betten leer gehalten und Leerstandspauschalen kassiert haben.

Somit sieht Dehne die kommunalen Krankenhäuser „als Verlierer der Krise“. Denn private Unternehmen betrieben eher kleine und spezialisierte Kliniken. Die großen und breit aufgestellten Kliniken seien oft in der Hand der Kommunen. Dort stünden auch viele der Intensivstationen und Beatmungsgeräte, die in der Pandemie so dringend gebraucht wurden.

Kommunen müssen Verluste ausgleichen

Die Pandemie verstärkt somit eine Entwicklung, die den Kommunen schon länger Sorgen bereitet. Sie müssen immer höhere Zuschüsse für die Kliniken tragen. Eigentlich sieht das Gesundheitssystem vor, dass die Krankenkassen die Betriebskosten finanzieren und die Bundesländer für die Investitionskosten aufkommen. Der Deutsche Städtetag wirft den Ländern jedoch vor, nicht genügend Geld für Investitionen bereitzustellen. Und das bundeseinheitliche Vergütungssystem gewährleiste nicht, dass erforderliche Leistungen komplett refinanziert werden. „Die Kommunen springen in die Bresche, um das Rückgrat der Krankenhausstruktur für die Daseinsvorsorge in Deutschland zu erhalten“, erklärt der Städtetag in einem im Juni 2021 veröffentlichten Papier.

Die kommunalen Träger seien besonders betroffen, „da sie auch Aufgaben übernehmen, aus denen andere Krankenhäuser aus wirtschaftlichen Gründen aussteigen“. Es bestehe aber die Gefahr, dass sich zunehmend Städte aus der Trägerschaft von Großkrankenhäusern zurückziehen. Dabei hätten doch gerade die kommunalen Kliniken in der Pandemie ihre wirtschaftlichen Interessen zugunsten des Gemeinwohls zurückgestellt, so der Städtetag. Der Verband appelliert an Bund und Länder, die erforderlichen Mittel bereitzustellen, damit es auch in Zukunft kommunal getragene Großkrankenhäuser gibt.

Ruf nach Reform der Krankenhausstruktur

Nun meldet sich die Allianz Kommunaler Großkrankenhäuser – ein Zusammenschluss von 20 Einrichtungen aus ganz Deutschland – gemeinsam mit der Krankenkasse AOK zu Wort und fordert eine Strukturreform. Dazu solle auch die Investitionskosten-Finanzierung durch die Bundesländer neu aufgestellt werden, heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung vom vergangenen Freitag.

Das Konzept von AKG und AOK sieht eine klar definierte und abgestufte Rollenverteilung zwischen den Krankenhäusern vor. Der Grundsatz lautet: „Krankenhaus ist nicht gleich Krankenhaus.“ Schon in der Pandemie war es so, dass in etwa der Hälfte der Krankenhäuser fast 90 Prozent der Corona-Patient*innen versorgt wurden. AKG und AOK argumentieren: In einzelnen Regionen habe gerade diese abgestimmte Konzentration dazu geführt, dass systematisch medizinische Erkenntnisse gesammelt werden konnten und es nicht zu einer großflächigen Verbreitung der Infektionen in den Krankenhäusern gekommen sei. Leistungen müssten stärker gebündelt werden, sowohl in Krisen- als auch normalen Zeiten.

Ambulant und stationär verzahnen

AKG und AOK fordern: Die Länder sollen neben der Basis- und Notfallversorgung auch gezielt die Spezialisierung von Kliniken fördern, in denen komplexe und neuartige Behandlungen auf hohem Niveau durchgeführt werden können. Ergänzend könne auch der Bund Fördermittel einsetzen. Auf der anderen Seite sollen der ambulante und der stationäre Sektor besser verzahnt werden, was für Entlastung sorgen könnte. Ein Positionspapier von AGK und AOK plädiert für „die Umwandlung geeigneter Standorte in bedarfsgerechte Versorgungseinrichtungen mit Übernachtungsmöglichkeit“.

Darüber hinaus wünschen sich AKG und AOK ein bundesweites Monitoring- und Verteilungssystem. Damit soll in Krisenzeiten die Verteilung der Patient*innen, aber auch von Material und Kapazitäten gesteuert werden. Zudem soll die öffentliche Hand dauerhaft einen Vorrat von Beatmungsgeräten, Schutzkleidung und Arzneimitteln finanzieren. „Große kommunale Krankenhäuser bieten sich besonders dafür an, diese Lager effizient zu führen und die Reservekapazitäten verlässlich vorzuhalten“, meint der AGK-Vorstandsvorsitzende Matthias Bracht.

Krankenhäuser im SPD-Zukunftsprogramm

Zur Krankenhausstruktur enthält das Zukunftsprogramm der SPD für die Bundestagswahl unter anderem die folgenden Aussagen:

„Wir wollen die Kommerzialisierung im Gesundheitswesen beenden, denn sie wirkt sich negativ auf die Versorgung der Patient*innen und die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten aus. Gewinne, die aus Mitteln der Solidargemeinschaft erwirtschaftet werden, sollen verpflichtend und weitestgehend wieder in das Gesundheitssystem zurückfließen. Wir stärken die Kommunen bei der Einrichtung und beim Betreiben der integrierten medizinischen Versorgungszentren. Das System der Fallpauschalen werden wir auf den Prüfstand stellen, die Pauschalen überarbeiten und wo nötig abschaffen. Die Grundkosten der Krankenhäuser und der integrierten medizinischen Versorgungszentren werden wir angemessen finanzieren. Bei der Stärkung des Gemeinwohls spielen öffentliche Krankenhäuser eine zentrale Rolle.

Den individuellen Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen werden Fallpauschalen nicht gerecht. Sie führen dazu, dass Kinderkliniken außerhalb der Ballungsräume sich nicht rechnen und geschlossen werden. Deshalb werden wir die Finanzierung der Kinder- und Jugendmedizin neu strukturieren. Wir werden auch die ambulante und integrierte psychotherapeutische Versorgung für Kinder, Jugendliche und Erwachsene stärken, damit sie niedrigschwellig und ohne lange Wartezeiten allen zugänglich ist.

Insgesamt werden wir für eine bedarfsgerechte Grundfinanzierung der Kliniken, den Erhalt der Versorgung inklusive den Ausbau der integrierten Versorgungszentren in den ländlichen Regionen sowie eine integrierte, bessere Notfallversorgung sorgen.”

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