Städtepartnerschaften

Kommunale Partnerschaften mit Palästina fördern

Karin Billanitsch17. November 2016
Albrecht Schröter (2. v. l. während einer Delegationsreise im Oktober 2016 in Palästina.
Die Partnerschaft zwischen Mannheim und Hebron wird vom Entwicklungsministerium gefördert. Geht es nach Jenas Oberbürgermeister Albrecht Schröter, soll es künftig noch mehr deutsch-palästinensische Partnerschaften geben. Er war mit einer Delegation von kommunalen Abgesandten im palästinensischen Autonomiegebiet unterwegs.

Al Sindas bekommt endlich einen Anschluss an das Kanalisationsnetz. Bisher haben 2.500 Einwohner des Stadtteils der Stadt Hebron im Westjordanland ohne einen Kanal gelebt – das Abwasser sammelten die Bewohner in eigenen Abwassertanks, die manuell geleert werden mussten. Dass das Stadtviertel Al Sindas Zugang zum Abwassersystem bekommt, ist der Stadt Mannheim zu verdanken. Mannheim unterstützt die Palästinenser durch das Kooperationsprojekt „Jeder Tropfen zählt –Verbessertes integriertes Abwassermanagement in Hebron durch kommunalen Wissenstransfer.“

Das Projekt wird durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) mit 50.000 Euro finanziell unterstützt. Engagement Global mit seiner Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW) begleiten es organisatorisch. Neben dem Al Sindas-Projekt treffen sich die Fachexperten der Hebroner Abwasserabteilung und des Eigenbetriebs Stadtentwässerung Mannheim, um ihr Fachwissen auszutauschen. Die Stadt Hebron will eine Kläranlage bauen, das Know-how der Mannheimer soll Hebron helfen, einen gut funktionierenden Abwasserbetrieb aufzubauen. Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD) unterstrich anlässlich des Starts des Projekts im April: „In einer Zeit zunehmender Spannungen im Nahen Osten und um sich greifender Perspektivlosigkeit in den palästinensischen Gebieten gibt dieses Projekt Anlass für Zuversicht.“

Anbahnung persönlicher Kontakte auf einer Sondierungsreise

Mannheim - Hebron ist eine von sieben Städte- oder Projektpartnerschaften zwischen deutschen und palästinensischen Städten, die es zur Zeit in Deutschland gibt. Die Verbindung zwischen Köln und Bethlehem war lange die Einzige, mittlerweile gibt es aber Städtepartnerschaften zwischen Jena und Beit Jala, Bergisch Gladbach ebenfalls mit Beit Jala, Xanten ist verpartnert mit Beit Sahour, Nablus mit Nürnberg und Bad Oldesloes Schwesterstadt heißt Jifna. Doch bald sollen es mehr werden. Dafür setzt sich Albrecht Schröter, Jenas Oberbürgermeister ein. Schröter ist im Präsidium des deutschen Städtetags damit beauftragt, trilaterale Partnerschaften zwischen deutschen, israelischen und palästinensischen Kommunen zu befördern. Schröter erklärt gegenüber der DEMO in einem Interview: „Ich bin gerade sehr intensiv unterwegs, mehr deutsch-palästinensische Partnerschaften zu entwickeln.“

Schröter kommt gerade von einer Reise mit weiteren Vertretern von Kommunen aus den palästinensischen Autonomiegebieten zurück. Ramallah, Qalqiliya, die Partnerstadt Beit Jala, Bir Zait und Al-Bireh waren Stationen der mehrtägigen Fahrt. Organisiert wurde die Reise von der SKEW, um persönliche Kontakte anzubahnen und zu initiieren. Denn in vielen Kommunen gibt es noch Vorurteile und Hürden, wie kommunale Projekte unter den politisch schwierigen Vorzeichen überhaupt erfolgreich umgesetzt werden können.

„Die Isolation durchbrechen“

Schröter dämpft zu hohe Erwartungen an das Ergebnis der mehrtägigen Fahrt: „Es war eine Sondierungsreise. Ich glaube, dass die Motivation der Beteiligten für eine Partnerschaft schon da ist, man muss das aber vorsichtig angehen. Man kann nicht erwarten, dass hier sofort Entscheidungen getroffen werden. So etwas muss sich entwickeln können. Es gibt hier drei Stufen, wie bei der Liebe: Man lernt jemanden kennen, dann unternimmt man etwas zusammen, und erst in der dritten Stufe sagt man sich verbindlich zu, eine Beziehung zu führen. Es war eine große Offenheit der Beteiligten da, solche Schritte zu gehen.“

Eines betont der Jenaer Oberbürgermeister besonders: „Der Wunsch palästinensischer Städte nach deutschen Partnerschaften ist sehr hoch.“ Gefragt nach den Gründen führt er aus: „Das Wichtige für die Menschen in Palästina ist zunächst, dass jemand kommt und sieht, sich nicht von Propaganda leiten lässt, sondern die Situation vor Ort erlebt. Man lebt dort sicher, es gibt aus meiner Sicht keine Gefahr für Touristen. Man erlebt Gastfreundschaft, spricht vielleicht auch eine Gegeneinladung aus. Sie wollen kein Geld; es geht um fachliche Beratung. Sie wollen einfach die Isolation durchbrechen.

Projektleiterin nennt konkrete Herausforderungen

Fragt man bei Engagement Global und ihrer Servicestelle SKEW nach konkreten Themen und Herausforderungen, die für potenzielle Partner interessant sind, nennt sie kommunale Kernthemen wie Wasser, Energie und Müllentsorgung, aber auch Themen wie Inklusion, Jugendbeschäftigung, Potenziale durch Jugendaustausch und Förderung von Tourismus oder Kunstprojekten. Wencke Müller, zuständige Projektleiterin bei der SKEW, glaubt, die Reise habe viel in Gang gebracht. „Viele der teilnehmenden Kommunen wurde durch die Reise darin bestärkt, sich intensiver mit palästinensischen Partnern auszutauschen, gemeinsam mögliche Projektideen zu entwickeln, für ein Engagement in der Kommunalverwaltung zu werben, oder sich mit anderen deutschen Städten, die bereits eine Partnerschaft pflegen, verstärkt auszutauschen. Bonn hat beispielsweise einen Thementisch zum Thema ‚Kooperationsmöglichkeiten mit Ramallah’ initiiert.

Forscht man nach, was die Kommunen voneinander lernen können, sagt Wencke Müller: „Es gibt ganz viele Themen und Beispiele, wie deutsche und palästinensische Kommunen gleichwertig und auf Augenhöhe voneinander lernen können.“ Das können etwa Ähnlichkeiten und Unterschiede im Verwaltungsaufbau sein, Strategie- und Nachhaltigkeitsthemen oder Fragen der Public Relations. Auch wie Jugendliche und junge Erwachsene in kommunalen Fragen eingebunden werden könnten, ist ein Thema, zu dem sich Städte und Gemeinden austauschen, ebenso darüber, wie Aufnahme und Integration von Flüchtlingen sehr aktuell ist.

Müller zieht ein Fazit: „Es geht darum, Verständnis füreinander zu entwickeln, sich auszutauschen und gemeinsam zu kommunalen Lösungsansätzen zu kommen. Alle Kommunen der Welt stehen vor derselben Aufgabe: Sie müssen die Probleme vor Ort lösen und die Lebenssituation ihrer Bürgerinnen und Bürger verbessern. Wenn sich Städte international zusammenschließen, können Sie hierzu gemeinsam einen wirksamen Beitrag – auch unter schwierigen politischen Vorzeichen – leisten.“