VKU-Verbandstagung

Kommunale Unternehmen wollen Zeitenwende mitgestalten

Carl-Friedrich Höck06. März 2023
VKU-Präsident Dr. Ulf Kämpfer auf der VKU-Verbandstagung
Der befürchtete Energienotstand ist im Winter ausgeblieben. Zeit zum Durchschnaufen bleibe den kommunalen Unternehmen trotzdem nicht, resümierte Präsident Ulf Kämpfer zum Auftakt der VKU-Verbandstagung. Sie müssten drei große Veränderungen mitgestalten: Dekarbonisierung, Demografie und Digitalisierung.

Die öffentliche Aufmerksamkeit für die Arbeit der Stadtwerke ist in den vergangenen Monaten enorm gestiegen. Entsprechend groß ist das Interesse der Bundespolitik an der Tagung des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU), die am Montag in Berlin begonnen hat. Gleich fünf Mitglieder des Bundeskabinetts haben sich angekündigt, um mit den Energie-, Wasser-, Entsorgungs- und Stadtreinigungsbetrieben ins Gespräch zu kommen. Bundeskanzler Olaf Scholz, Finanzminister Christian Lindner, Wirtschaftsminister Robert Habeck, Umweltministerin Steffi Lemke, Verkehrs- und Digitalminister Volker Wissing – und auch Oppositionsführer Friedrich Merz: Sie alle wollen auf der VKU-Tagung sprechen.

„Vieles in Frage gestellt”

Auftaktredner war aber am Montag der Kieler Oberbürgermeister und VKU-Präsident Ulf Kämpfer. Seit rund 100 Tagen ist er im Amt. Es hätte „keine spannendere und verantwortungsvollere Zeit“ geben können, um Präsident zu werden, lautete sein erstes Zwischenfazit.

Dass Deutschland so gut durch den Winter gekommen ist, war keineswegs von allen erwartet worden. Doch der befürchtete Energienotstand ist trotz des Krieges in der Ukraine ausgeblieben. Kämpfer kommentierte am Montag: Das „Magische Dreieck“ aus Nachhaltigkeit, Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit von Energie sei ins Wanken geraten. „Vieles war in Frage gestellt“. Plötzlich sei es darum gegangen, wo man Fracking-Gas herbekomme und welche Kohlekraftwerke noch genutzt werden könnten. Letztlich habe man die Situation erfolgreich bewältigt: „Wir hatten alle Befürchtungen: Der Winter wird kalt und der Herbst wird heiß. Aber am Ende hatten wir es in Deutschland warm und trocken.“ Auch auf anderen Feldern hätten sich die kommunalen Versorger als verlässlich erwiesen: „Der Müll wurde abgeholt, wir hatten fließend Wasser.“

„Keine Transformation ohne den VKU”

Dennoch merkte Kämpfer an: „Es gibt kein wirkliches Durchschnaufen.“ Die Krisen seien noch nicht überstanden. Der VKU-Präsident mahnte an, ein anderes großes Thema nicht aus dem Blick zu verlieren: Die notwendigen Transformationen. Eine Verkehrs-, Klima- und Energiewende sei noch dringlicher geworden. Nie wieder dürfe man sich von autoritären Regimen und Diktaturen erpressbar machen, wenn sie drohen, den Gashahn abzudrehen.

Die Rolle der kommunalen Unternehmen sei hierfür zentral, betonte Kämpfer. „Es wird keine Transformation in Deutschland ohne den VKU geben können. Auf uns kommt es an“. Das gelte besonders für die kommenden zwei bis drei Jahre. Denn nun würden richtungsweisende Entscheidungen getroffen: Zum Atomausstieg, dem Fracking oder dem Verbrenner-Aus zum Beispiel. Die kommunalen Unternehmen müssten wissen, woran sie sich ausrichten können. „Wir brauchen Planungs- und Investitionssicherheit“, sagte der Kieler Oberbürgermeister in Richtung Bundespolitik.

Die anstehenden Veränderungsprozesse bezeichnete Kämpfer als „die drei großen Ds“: Dekarbonisierung, Demografie und Digitalisierung. Ersteres bezeichnet die Umstellung der Wirtschaft, um den Ausstoß von Kohlenstoff zu senken. Bis 2045 will Deutschland klimaneutral sein, bis 2030 den Anteil der Erneuerbaren Energien auf 80 Prozent erhöht haben. Auch wenn das Ziel möglicherweise nicht ganz erreicht werde, lohne es sich, „um jeden Monat und jedes Jahr zu kämpfen, die wir den Klimawandel und die Energiewende früher hinbekommen“, mahnte der VKU-Präsident an.

Wassermangel und Digitalisierungsrückstand

Er erinnerte auch daran, dass die Versorgung mit gesundem Trinkwasser geschützt werden müsse. Hunderte Kommunen hätten im vergangenen Jahr einen Wassernotstand gehabt. In seinem Bundesland Schleswig-Holstein gebe es Gemeinden, die sich über Brunnen versorgt hätten, die nun trockengefallen seien. Gleichzeitig siedelten sich in Deutschland Unternehmen wie Tesla oder Intel an, „die gigantische Mengen an Wasser verbrauchen“. Die Hersteller müssten stärker in die Verantwortung genommen werden, forderte Kämpfer.

Bei der Digitalisierung seien andere Länder Deutschland meilenweit voraus, kritisierte der Verbandspräsident – und nannte die Ukraine als Beispiel. Im estnischen Tallinn werde längst nicht mehr über Glasfaserausbau gesprochen, dort sei bereits die Verwaltung digitalisiert.

Zu schaffen macht den kommunalen Unternehmen laut Kämpfer auch der demografische Wandel. Es gebe Boomregionen, die wachsen, und ländliche Regionen, die radikal schrumpfen. Dort sei es dann zum Beispiel eine Herausforderung, die Wassernetze für die weniger werdenden Nutzer*innen aufrechtzuerhalten. Das größte Problem sei aber der Fachkräftemangel, weil es an Ingenieur*innen fehle und an Handwerker*innen, die etwa eine Wärmepumpe installieren können. „Wir müssen Handwerkerberufe attraktiver machen“, so Kämpfer. Und weil das alleine nicht ausreichen werde, „müssen wir digitalisieren, skalieren, automatisieren, damit die Dinge auch mal einfacher gehen.“ Hoffnung mache ihm, dass immer mehr junge Menschen den Ressourcenschutz wichtig fänden. Für die kommunalen Unternehmen könne das eine Trumpfkarte im Werben um Fachkräfte sein.

Die Lösung, um all den genannten Problemen zu begegnen, sei die Daseinsvorsorge, schloss Kämpfer seine Rede. Er ermunterte die Politik ausdrücklich, sich bei der Transformation ehrgeizige Ziele zu setzen. „Die Zeitenwende hat gerade erst begonnen, und sie wird jetzt ausbuchstabiert und umgesetzt.“ Der VKU sei mittendrin – „zum Glück”.

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