Gleichstellung

Wie Kommunalpolitik für Frauen attraktiver werden kann

21. Februar 2020
Tannaz Falaknaz arbeitet als Junior Expert für die EAF Berlin.
Nur ein Viertel aller Kommunalpolitiker*innen sind Frauen. Die Zahl der Bürgermeisterinnen sinkt. Wie kann Kommunalpolitik wieder attraktiver werden? Antworten gibt Tannaz Falaknaz von der EAF Berlin.

Nur ein Viertel aller kommunalen Mandatsträger*innen sind Frauen und nur jede*r zehnte (Ober-)Bürgermeister*in ist weiblich. Woran liegt das?

Gerade im ländlichen Raum sind traditionelle Rollenvorstellungen oft noch stark verankert und Frauen fühlen sich schlicht nicht angesprochen, wenn es um kommunalpolitische Mandate gibt. Es gibt etwa auch 2020 noch Gemeinderäte, die ohne eine einzige Frau auskommen. Andere Frauen fühlen sich durch die zunehmenden Anfeindungen gegenüber Kommunalpolitiker*innen und dem Rechtsruck, den wir in unserer Gesellschaft erleben, eingeschüchtert. Auch den Spagat zwischen Job und Sorgearbeit zu schaffen und dann noch kommunalpolitisch aktiv zu sein, ist eine große Herausforderung, die viele zurecht scheuen. Daher ist anderes zivilgesellschaftliche Engagement für Frauen viel attraktiver: Sie sind in Pflegeheimen, in Kindergärten oder Initiativen wie Greenpeace oder Amnesty International aktiv.

Ist das auch ein Problem fehlender Vorbilder?

Das ist auf jeden Fall ein Problem. Ich bin 29, in einem Kommunalparlament und damit die Ausnahme. Nicht nur als Frau, nicht nur als junge Frau, sondern als junge Frau mit Migrationshintergrund. Ich finde es sehr wichtig, dass man gerade dann auch zum Vorbild wird. Also nicht auf Vorbilder warten, sondern vorangehen und so anderen den Weg einfacher machen. Natürlich ist das oft auch schwierig, wenn zehn alte weiße Männer in der Kneipe sitzen und über ein Parteiprogramm sprechen. Aber Strukturen können nur dann verändert werden, wenn man sie mitgestaltet.

Sozialdemokrat*innen regieren in 24 der 40 größten Städte Deutschlands, jedoch nur in einer mit einer Oberbürgermeisterin. Was kann die Sozialdemokratie tun, um Frauen kommunalpolitisch besser zu fördern?

Ich habe keinen Tipp, der nur auf die Sozialdemokratie zutrifft. Ich appelliere grundsätzlich an alle Parteien, Frauen nicht nur dann einen Posten zu geben, wenn die Wahlen aussichtslos erscheinen, darauf zu schauen, welche Wahlkreise beispielsweise von Frauen zu gewinnen sind. Frauen überlegen es sich zehnmal mehr, ob sie für ein kommunales Mandat kandidieren. Die Parteien müssen ein Bewusstsein dafür entwickeln, und Frauen explizit ermutigen und unterstützen. Sie müssen sich die Frage stellen, an welchen Stellen männliche Seilschaften und eine männliche geprägte Struktur, Frauen das Engagement unnötig erschweren.

Welche Bedeutung haben gesellschaftliche Rollenbilder, insbesondere mit Blick auf die Wähler*innen?

Untersuchungen zeigen, dass die Geschlechtszugehörigkeit für Wählerinnen und Wähler keine große Rolle spielt. Nur in sehr kleinen Gemeinden wirkt sich das Geschlecht für Frauen leicht negativ aus, während es in Großstädten und Universitätsstädten sogar leicht positiv wirkt. Wenn es um die Bewertung von amtierenden Politikerinnen geht, dann gibt es allerdings schon Unterschiede. Andrea Nahles wurde als aggressiv abgestempelt, weil sie selbstbewusst aufgetreten ist. Bei einem Mann wäre das wahrscheinlich positiv aufgefasst worden.

Braucht es eine Imagekampagne für Kommunalpolitik?

Mir würde eine Reform der Kommunalpolitik helfen.

Inwiefern?

Wir sollten Kommunalpolitik nicht mehr nur als Ehrenamt begreifen, sondern sollten Kommunalpolitiker mit 25 Stunden Arbeitseinsatz pro Woche auch als Abgeordnete sehen. Stünde mehr Geld zur Verfügung, wäre eine andere Art der Öffentlichkeitsarbeit möglich. Mandatsträger könnten mehr Vereine, öffentliche Träger und Initiativen besuchen, generell mehr Termine wahrnehmen. Wie soll ich es Menschen verübeln, dass sie Kommunalpolitik nicht wertschätzen, wenn sie gesellschaftlich nicht wirklich beachtet und nicht richtig entlohnt wird?

Frauen, die sich kommunalpolitisch engagieren, berichten häufig, dass am Ende doch die Männer wichtige Entscheidungen unter sich ausmachen. Braucht es mehr Solidarität unter Frauen, um das zu durchbrechen?

Ich bin nicht für Hinterzimmerpolitik, aber ich finde es immer gut, wenn sich Frauen gerade auch fraktionsübergreifend vernetzen. Denn die Probleme, die wir haben, sind nicht fraktions- oder parteienspezifisch. Es sind gesellschaftliche Probleme. Die kann man nur angehen, wenn man seinen Horizont dahingehend erweitert, dass man auch mit Frauen aus anderen Fraktionen ins Gespräch kommt. Mir fallen bei solchen Treffen immer super spannende Dinge auf. Diese Erfahrungen bestärken mich darin, weiter für das einzutreten, was ich mache.

Sie wollen Studentinnen mit einem Seminar Kommunalpolitik näherbringen. Was ist der Hintergrund?

Wir bieten das Seminar in Kooperation mit der Universität Leipzig und der Universität Frankfurt/Oder an. Es geht darum, Kommunalpolitik für junge Frauen zugänglich zu machen. 20 Studentinnen nehmen daran teil. Die meisten kommen von den beteiligten Universitäten, drei aber auch aus Kassel, Erfurt und Tübingen. Viele kommen das erste Mal mit Politik in Berührung und können herausfinden, ob das etwas für sie ist. Bei Begleitseminaren vor Ort wollen wir Kommunalpolitik sichtbar machen, an verschiedenen Orten in der Stadt.

Was ist das Ziel?

Es geht uns gar nicht darum, dass wir am Ende 20 neue Parteimitglieder haben, die sich kommunalpolitisch engagieren wollen. Sie sollen verstehen, dass es für jeden Menschen Handlungsmöglichkeiten auf kommunaler Ebene gibt. Wir möchten ihnen genug Wissen und Fähigkeiten mitgeben, damit sich die Frauen vor Ort selbst entfalten können.

Warum würden Sie jungen Frauen raten, für kommunale Mandate zu kandidieren?

Für mich als junge Frau gibt es nichts Spannenderes, als selbst im Alltag Spuren zu hinterlassen. Jeder Mensch bringt eigene Sichtweisen mit, und meine Sichtweise als junge Frau mit Migrationshintergrund ist  sehr bereichernd für die Politik. Im Grunde gibt es keinen Grund, nicht Kommunalpolitik zu machen.

Das Interview ist zuerst auf vorwärts.de erschienen und wird mit freundlicher Genehmigung des Berliner vorwaerts Verlags veröffentlicht.

 

 

Zur Person

Tannaz Falaknaz arbeitet für die Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft (EAF), einem gemeinnützigen Verein, der sich für Vielfalt in Führungspositionen einsetzt, als Junior Expert in den Bereichen Politik und Internationales und in den Projekten des Helene-Weber-Kollegs. In der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) in Berlin-Pankow ist die 29-Jährige stellvertretende Fraktionsvorsitzende sowie gleichstellungs- und queerpolitische Sprecherin der SPD.

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