Vor Ort

Was Kommunalpolitiker Bundespräsident Steinmeier zu sagen haben

18. März 2022
Bundespräsident Steinmeier (r.) im Gespräch
„Ortszeit Deutschland“ heißt eine neue Reihe von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Zu Beginn seiner zweiten Amtszeit möchte er mit Vertretern der Kommunen und ihren Ehrenamtlichen ins Gespräch kommen. Angesichts einer dreifachen Krise aus Pandemie, Klimawandel und Ukraine-Krieg gibt es viel zu besprechen.

Seit zwei Jahren ist alles anders in der Kommunalpolitik. Die Corona-Pandemie mit ihren Folgen, der Klimawandel und seit dem 24. Februar der Krieg in der Ukraine mit der größten Flucht- und Migrationsbewegung seit Ende des Zweiten Weltkrieg lassen die Kommunen mit einer „dreifachen Krise“ kämpfen. So sagt es Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.

Anlass seiner Analyse ist der Auftakt zur neuen Gesprächsreihe des Staatsoberhaupts. Unter dem Titel „Ortszeit Deutschland“  nimmt er sich Zeit, um mit Vertreterinnen von Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft in den Kommunen zusammenzukommen. Den Auftakt hat eine dreigeteilte Diskussion im Schloss Bellevue gemacht. Über das „Zusammenhalten in Krisenzeiten“, „Beispiele aus der aktuellen Flüchtlingshilfe“ sowie „Perspektiven nach der Pandemie“ diskutieren Vertreterinnen und Vertreter von Spitzenverbänden, Kommunen, Vereinen und Verbänden – darunter auch viele Sozialdemokraten.

Die Kraft der Zivilgesellschaft

Einerseits sind die Menschen nach zwei Jahren Pandemie erschöpft. Doch das ist nur eine Seite der Medaille, denn der knapp vier Wochen alte Krieg in der Ukraine hat die Menschen zusammenrücken lassen. Diese größte Flucht- und Migrationsbewegung seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat dafür gesorgt, dass die Zivilgesellschaft ihre Kraft entfaltet: Menschen stellen Städten und Gemeinden Wohnraum zur Verfügung, sammeln Hilfsgüter, organisieren Transporte.

Knapp 200.000 Geflüchtete sind bis Mitte März nach Deutschland gekommen. Und ein Ende ist nicht abzusehen. Vor diesem Hintergrund sind sich die Kommunalvertreter einig: Dies ist erst der Anfang einer länger andauernden Bewegung. Einer der für die Integration plädiert, ist Peter Demmer, sozialdemokratischer Oberbürgermeister der saarländischen Kreisstadt Saarlouis. Integration dürfe indes nicht heißen, die Ukrainischen Geflüchteten gegenüber anderen Gruppen wie Syrer und Afghanen zu bevorzugen.

Werbung fürs Ehrenamt

Foto: Netzwerk Junge Bürgermeister*innen/Bleicker

Demmer und seine Kollegin Julia Samtleben, SPD-Bürgermeisterin der schleswig-holsteinischen Gemeinde Stockelsdorf, machen sich für die Stärkung des Ehrenamtes stark. „Kein Land der Erde hat so viel Ehrenamt“, sagt die Norddeutsche, „das ist eine ganz wichtige Aufgabe für Deutschland.“ Auch Demmer hebt hervor, wie hoch auch für Geflüchtete die Integrationskraft der Vereine im ländlichen Raum ist.

Doch es geht eben nicht nur ums Ehrenamt, im Gegenteil: Geflüchtete zu integrieren verlange eine gute Verzahnung von Haupt- und Ehrenamtlichen. Auf beiden Seiten sei es wichtig darauf zu achten, dass die Menschen durchaus am Rande ihrer Leistungsfähigkeit seien. Diese Erfahrung haben alle Menschen in den Rathäusern und kommunalen Gremien gemacht.

„Kommunen bluten aus“

Doch gerade auf Seiten des Hauptamtes gibt es ganz viel Nachholbedarf. Dies gibt Michael Salomo, SPD-Oberbürgermeister von Heidenheim an der Brenz, dem Bundespräsidenten in einem dringlichen Appell mit auf den Weg: „Wir müssen die Ausbildungszahlen im öffentlichen Dienst deutlich erhöhen.“ Dies gelte für den höheren und gehobenen Dienst. Hier würden der Bund und die Länder durch die Studienplätze an den Verwaltungshochschulen die Linie beziehungsweise Kapazitäten vorgeben. Doch diese seien erheblich zu wenig. „Wir dürfen die hauptamtlichen Strukturen nicht vernachlässigen“, sagt Salomo, „die kleinen und mittleren Kommunen bluten personell aus.“

Der Heidenheimer macht die Misere an einem konkreten Beispiel klar: Was nütze es, beispielsweise Konzepte für zusätzliche Wohnungen vorzulegen, wenn es in den kommunalen Verwaltungen niemand gebe, der darüber entscheiden könne, weil die Stellen im Bauamt nicht besetzt werden könnten?

Mehr Geld für Kommunen

Kleine und mittlere Kommunen als attraktive Arbeitgeber sei auch eine Frage des Geldes. Hier müsse unbedingt etwas geschehen. Die beiden Oberbürgermeister aus Mönchengladbach und Krefeld, Felix Heinrichs  und Frank Meyer, setzen sich deshalb für mehr Geld ein. Alleine Krefeld schiebe aus den vergangenen Jahrzehnten und die Corona-Pandemie einen Berg von Schulden vor sich her. Meyer fürchtet durch die Auswirkungen des Krieges weitere Schulden.

Hilfe für die Kommunen bedeute letztlich mehr Spielraum, um das Ehrenamt und somit die Zivilgesellschaft zu stärken – und zwar nicht nur in Vereinen und Verbänden, im Sport, in der Kultur. Ehrenamt bedeute auch, sich in der Kommunalpolitik zu engagieren. Im Orts- oder Gemeinderat, in den Ausschüssen und anderen Gremien werde letztlich die Basis für die Demokratie geschaffen, sind sich die Kommunalen einig.

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