DEMO-Kommunalkongress

„Kommune als Ankerpunkt in einer in Unordnung geratenen Welt“

Karin Billanitsch21. Juni 2018
Andrea Nahles auf dem DEMO-Kommunalkongress 2018
Andrea Nahles auf dem DEMO-Kommunalkongress 2018
Die SPD-Parteivorsitzende Andrea Nahles hat an SPD-Kommunale appelliert, den Begriff der Heimat nicht allein den „Seehofers dieser Welt zu überlassen.“ Die kommunale Stimme soll stärker in der Partei Gehör finden.

„Wenn wir über einen handlungsfähigen Staat reden, müssen wir über die kommunale Ebene reden“, sagt Andrea Nahles vor über 300 Kommunalpolitikern auf dem diesjährigen DEMO-Kommunalkongress in Berlin. Die Frage eines funktionierenden handlungsfähigen Staats sei eines der zentralen Zukunftsthemen, die auf dem letzten Parteitag der SPD beschlossen wurden, so die Parteivorsitzende – und hier sei die kommunale Ebene wichtig. 

Ein sozialdemokratischer Begriff von Heimat

Diese Ebene finde in der „Form eines Begriffes gerade sehr gut Beachtung“ stellt Andrea Nahles fest – und zwar als Heimat. Ein Begriff, den sie auch mit Sozialdemokratie verbinden könne, obgleich er früher „etwas Betuliches hatte“. Nahles bekennt sich dazu, heimatverbunden zu sein, stellt aber zugleich die Frage, was das aus sozialdemokratischem Verständnis heraus bedeutet: Eine solche Heimat „entsteht nicht von selbst. Sie braucht bezahlbare Wohnungen, sie braucht funktionierende ärztliche Versorgung, sie braucht guten öffentlichen Nahverkehr.“ Sie nennt gepflegte Parks und Anlagen als Zeichen der Wertschätzung des Ortes und eine Polizei, die vor Ort ist. 

„Das alles kann zu einem guten Begriff von Heimat, gleichzeitig aber auch zu einem handlungsfähigen Staat fusioniert werden“, betont Nahles. In einer völlig in Unordnung geratenen Welt suche jeder für sich einen Ankerpunkt. Und der Ankerpunkt könne gerne auch eine gut funkionierende Kommune sein, in der man sich wohlfühlt. Deshalb appelliert sie an das kommunalpolitische Publikum, „es nicht den Seehofers dieser Welt zu überlassen, Heimat zu einem Ort zu machen, wo nur Leute sich wohlfühlen, die bestimmten Vorstellungen der CSU  entsprechen. Heimat ist für mich ein Ort, wo auch jemand, der neu dazukommt, sich wohlfühlen soll.“ Dafür erntet die SPD-Vorsitzende Applaus. 

„Außenpolitik wird in Berlin gemacht, nicht in München“

Nahles zieht einen weiten Bogen hin zum Thema Europa und zur Außenpolitik und bekennt sich dazu, Europäerin zu sein. Die Sozialdemokraten hätten in der Bundesregierung gerade alle Hände voll zu tun, dass sie dieses Europa auch verteidigen – und zwar gegen den eigenen Koalitionspartner, sagte sie mit Blick auf den schwelenden Streit über den Umgang mit Flüchtlingen an den Grenzen. Sie wolle ein funktionierendes Europa und Verabredungen mit den europäischen Partnern in allen wichtigen Fragen. Alleingängen erteilte sie eine Absage. „Es ist für mich klar, dass wir nur mit Europa Antworten finden.“ 

Sie räumte auch ein, dass die Dublin-Regelungen nicht mehr funktionabel sind. „Aber wir wollen nicht – weil die bayerische Landtagswahl zu Panikattacken führt – die Freizügigkeit abschaffen und flächendeckende Binnengrenzen einführen, mit Kontrollen, die die Wirtschaft lahmlegen würden.„ Sicherheit gehe auch anders: Am besten mit und nicht gegen Deutschlands europäische Partner.

Vertiefung der Europäischen Union

Nahles macht klar, dass es jetzt um die Vertiefung der Europäischen Union gehe. Sie hebt mit Blick auf die aktuellen deutsch-französischen Vorschläge unter anderem das Eurozonenbudget hervor. Erhebliche Summen sollen für Investitionen in den Bereichen Digitalisierung, Qualifizierung der Arbeitnehmer und Forschung gehen. Sie lobt das Konzept: „Gut so. Nicht nur Agrarsubventionen, sondern Investitionen in die Zukunft.“ Davon werden, ist sie überzeugt, auch die Kommunen profitieren.

Als wichtigstes Thema, das in den Kommunen dringend gelöst werden muss, nennt sie das bezahlbare Wohnen. Die Mietsteigerungen dürften, so Nahles, die Mietsteigerungen nicht auffressen. Sie verwies auf erste Schritte der Regierung, unter anderem die Grundgesetzänderung, die dem Bund weiter ermöglicht, den Wohnungsbau fördern. Sie sieht es als Erfolg, dass es künftig einen eigenen Ausschuss zum Thema Stadtentwicklung, Kommunen und Wohnen geben wird.

Kommunale Stimme hören

Andrea Nahles will auch, das macht sie auf dem DEMO-Kongress deutlich, die kommunale Sichtweise in der Partei wieder stärker hörbar machen: Sie brauche die Kommunalpolitiker in vielen Punkten. „Für mich gehört Klarheit schaffen zu den wesentlichen Punkten bei der Erneuerung der SPD. Ob es um Mobilität, Arbeit oder Klimaschutz geht, es ist mir wichtig, die kommunalpolitischen Stimmen zu hören im Kanon der Stimmen in der SPD.” Oft sei der gesunde Realismus der Kommunalpolitik hilfreich. Sie kündigt an, den Kommunalbeirat als Vorsitzende weiter anzuführen und zu reaktivieren. Das soll bereits in der kommenden Woche in den Gremien der Partei beraten werden.

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