Nach Russlands Angriff

Kommunen erwarten Geflüchtete aus der Ukraine

Carl-Friedrich Höck24. Februar 2022
Am 24. Februar 2022 demonstrieren Menschen vor dem Bundeskanzleramt für Solidarität mit der Ukraine.
Wegen des Krieges in der Ukraine rechnen Kommunen mit ukrainischen Geflüchteten auch in Deutschland. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Dunja Kreiser warnt Verwaltungen vor Cyber-Angriffen. (Aktualisiert um 15:45 Uhr)

Die Kommunen sehen Handlungsbedarf, um sich auf Geflüchtete einzustellen, die aus der umkämpften Ukraine nach Deutschland kommen. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes Gerd Landsberg sagte dem Handelsblatt: „Wir erwarten eine enge Abstimmung zwischen Bund, Ländern und Kommunen, um ausreichend Zeit für eine umfassende Vorbereitung zu bekommen.“

Dazu gehöre eine „Revitalisierung“ der Erstaufnahmeeinrichtungen der Länder. Auch müssten die notwendigen finanziellen Mittel bereitgestellt werden.

Keine konkreten Schätzungen

Bisher ist jedoch völlig unklar, wie viele Ukrainer*innen tatsächlich nach Deutschland fliehen werden. Das Handelsblatt berichtet von einer Schätzung der EU-Kommission, wonach zwischen 20.000 und einer Million Menschen in die EU kommen werden. Die Ukraine grenzt an die EU-Staaten Polen, Slowakei, Ungarn und Rumänien. Polen dürfte zunächst besonders betroffen sein, weil schon jetzt 1,3 Millionen Ukrainer*innen dort leben.

DStGB-Hauptgeschäftsführer Landsberg rechnet damit, dass Geflüchtete mittelfristig auch in andere EU-Länder kommen. Umso bedeutsamer sei ein EU-weiter Verteilungsschlüssel. Laut dem Handelsblatt-Artikel befindet sich das Bundesinnenministerium bereits im Austausch mit den Bundesländern, um sich eine Übersicht über die Aufnahmekapazitäten zu verschaffen.

Städte stehen „an der Seite ihrer ukrainischen Partner”

Der Präsident des Deutschen Städtetages Markus Lewe erklärte am Donnerstagmittag, man sei „tief betroffen angesichts des völkerrechtswidrigen Angriffs auf die Ukraine“. Die deutschen Städte stünden in dieser schweren Zeit an der Seite ihrer ukrainischen Partnerstädte.

Lewe weiter: „Wir erwarten in den nächsten Wochen, dass der russische Einmarsch viele Menschen in den betroffenen Regionen zur Flucht zwingen wird. Die Anrainerstaaten, die EU und Deutschland müssen sich darauf einstellen humanitäre Hilfe zu leisten.

Die Städte seien bereit, den betroffenen Menschen Unterkunft und Schutz zu gewähren. Zuerst seien Bund und Länder gefordert, für die geflüchteten Menschen die Erstaufnahme zu organisieren. „Zudem erwarten die Städte, rechtzeitig über die aktuelle Lage informiert zu werden“, appelliert Lewe an Bund und Länder. Sie müssten sich für die Flüchtlingsaufnahme eng mit den Kommunen abstimmen.

Warnung vor Cyber-Attacken

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Dunja Kreiser erwartet ebenfalls Fluchtbewegungen nach Deutschland. Die ukrainische Bevölkerung werde versuchen, sich in Sicherheit zu bringen, sagt die Innenpolitikerin. „Familien werden das Nötigste packen und Schutz vor den russischen Angriffen suchen. Wer würde es an Ihrer Stelle nicht tun?“

In einer am Donnerstag verbreiteten Erklärung bittet Kreiser alle Verwaltungschef*innen eindringlich, sich auf die neue Situation einzustellen. Das Innenministerium sei bereits mit den Ländern in Kontakt getreten, um über Aufnahmekapazitäten zu sprechen.

Eine Gefahr drohe auch durch verstärkte Cyber-Angriffe. „Wladimir Putin wird versuchen, die Kommunikationskanäle auf jegliche Art zu attackieren“, ist die Innenpolitikerin überzeugt. Sie rät allen Verantwortlichen in Politik, Wirtschaft und Verwaltung, alle erdenklichen Schutzmaßnahmen zu ergreifen.

Giffey will über Folgen für Berlin sprechen

Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) erwartet, dass der russische Angriff auf die Ukraine Folgen für die deutsche Hauptstadt haben wird. Dem RBB sagte sie: „Wir haben uns für die nächste Woche vorgenommen, über konkrete Auswirkungen zu sprechen, wie wir uns vorbereiten können, besonders auch für den Fall, dass Menschen natürlich fliehen vor dieser Situation.“ Man müsse auch die Frage stellen, welche Auswirkungen der Krieg auf die Energieversorgung der Stadt habe.

Aktuell leben rund 145.500 ukrainische Staatsbürger*innen in Deutschland, davon fast zwei Drittel Frauen. Die meisten von ihnen haben einen unbefristeten Aufenthaltsstatus, wie der Mediendienst Integration berichtet. Im Jahr 2021 gab es 811 Asylanträge von Ukrainer*innen in Deutschland. Die meisten Anträge wurden abgelehnt, die Schutzquote liegt bei 4,1 Prozent.

 

Mehr Daten zu Asylanträgen in Deutschland:
Asylgeschäftsstatistik BAMF

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