Flüchtlinge

Was Kommunen gegen rechte Hetze unternehmen können

Carl-Friedrich Höck01. September 2015
Protest gegen Pegida in Dresden
Protest gegen Pegida in Dresden: Breite Gegenbewegungen sind wichtig, um Hetze gegen Flüchtlinge zu unterbinden.
Rechtsextreme versuchen, Vorbehalte gegen Flüchtlinge für sich zu nutzen. Neben den Asylsuchenden werden auch Kommunalpolitiker zur Zielscheibe von Hass und Hetze. Eine Beratungsstelle gibt Tipps, was Kommunen dagegen tun können.

An einem Freitagmittag reicht es Erich Pipa, der Landrat des hessischen Main-Kinzig-Kreises geht an die Öffentlichkeit. In einer Pressekonferenz präsentiert der Sozialdemokrat die Drohbriefe, die ihn erreichen. Am kommenden Sonntag, schreiben die anonymen Briefschreiber, könne man bei einem Fahrradfest „jemanden in der Besucherschar platzieren, der Dich aus dem Weg räumt.“ Der Hintergrund: Pipa hatte sich für die Aufnahme weiterer Flüchtlinge im Landkreis eingesetzt.

Mit Transparenz gegen die Hetze

Dieser Schritt an die Öffentlichkeit war richtig, meint Natalie Ofori: „Nur wenn Transparenz geschaffen wird, kann man Widerstand organisieren.“ Ofori und Miriam Camara koordinieren das Projekt „Aktion Schutzschild“ der Amadeu-Antonio-Stiftung – eine Fachstelle, die Kommunen und Initiativen berät, wie sie Übergriffe auf Flüchtlinge verhindern können. Jede Kommune muss ihren eigenen Weg finden, wissen sie. Doch einige Grundregeln geben sie allen mit auf den Weg. Eine lautet: Gegen Hetze von Rechts sollte man eine breite Gegenbewegung mobilisieren.

Nur stehen viele Kommunalpolitiker vor einem Problem: Unterkünfte für Flüchtlinge müssen oft innerhalb weniger Tage bereitgestellt werden. Da bleibt wenig Zeit, skeptische Bürgerinnen und Bürger einzubeziehen und die neue Situation im Ort zu erklären. Rechtsextreme nutzen das aus, organisieren Proteste und verbreiten Gräuelmärchen über Asylsuchende. „Wenn man als Bürgermeister zu einer Informationsveranstaltung zu einer neuen Flüchtlingsunterkunft geht, muss man sich auf eine aufgeladene Stimmung einstellen“, warnt Miriam Camara. Für solche Fälle rät sie: Sachlich bleiben! „Man muss mit Informationen dagegen halten, den Bürgern aber auch das Gefühl vermitteln, dass man sie und ihre Ängste ernst nimmt.“ Die Botschaft müsse lauten: Wir finden gemeinsam einen Weg. Das funktioniere allerdings nur, wenn man auch Grenzen zieht und rassistische Ressentiments klar als solche benennt und zurückweist.

Die Situation der Flüchtlinge erklären

Indem man die Situation der Asylbewerber und die Gründe ihrer Flucht erklärt, könne man Verständnis wecken und Verantwortungsgefühl hervorrufen, ergänzt Ofori. Das gelinge noch leichter, wenn die Politiker von Anfang an auch andere Respektspersonen aus ihrer Kommune einbinden: Pfarrer oder Vereinsvorsitzende zum Beispiel.

Eine „Kultur des Miteinanders“ fordert auch Ralf Melzer vom „Projekt gegen Rechtsextremismus“ der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES). „Wir wissen aus Studien: Da, wo es gelingt, zwischen Medien, Zivilgesellschaft und Politik ein solches Klima zu schaffen und sich rechten Kräften geschlossen entgegenzustellen, können Erfolge der Rechten eingeschränkt werden.“ Kommunalpolitiker könnten solche Bündnisse fördern, etwa indem sie Gespräche mit lokalen Akteuren suchen, Transparenz schaffen, Räume zur Verfügung stellen und sich parteiübergreifend auf ein gemeinsames Vorgehen verständigen. Wie notwendig solche Initiativen sind, zeigt eine FES-Studie aus dem vergangenen Jahr: Demnach haben 44 Prozent der Deutschen eine negative Haltung gegenüber Asylsuchenden. „Die Rechtsextremen kennen das Potenzial und versuchen, daraus Kapital zu schlagen“, sagt Melzer.

Wichtig sei es, sich frühzeitig vorzubereiten – auch dort, wo bisher noch keine Asylbewerberunterkünfte geplant sind. Konzepte für eine sichere Unterbringung der Flüchtlinge und eine Mobilisierung der Zivilgesellschaft müssten überall in der Schublade liegen, fordern auch Camara und Ofori. Das bedeute nicht nur, Runde Tische zu gründen, sondern auch praktische Fragen zu klären wie: Welche Security-Unternehmen sind vertrauenswürdig?

Sich kennenlernen hilft, den Hass abzubauen

Und der nächste Schritt, wenn die ­neuen Nachbarn eingetroffen sind? Dann sollten Orte der Begegnung geschaffen werden, rät Camara. Zum Beispiel Willkommensfeste oder gemeinsame Projekte von Kirchen, Schulen oder Sportvereinen. „Die Vorstellung einer diffusen Masse von Asylbewerben löst oft Gefühle von Angst oder Unsicherheit aus“, weiß sie. Das ändere sich, wenn man die konkreten Menschen kennenlerne.

Gänzlich verhindern lässt sich dennoch nicht, dass Einzelne gegen Flüchtlinge hetzen oder sie und ihre Unterstützer bedrohen. Auch deshalb seien starke Strukturen gegen Rechts wichtig, sagt der FES-Experte Melzer, damit die Menschen sich nach Drohungen nicht zurückziehen. „Öffentlichkeit kann Schutz bedeuten.“

Landrat Erich Pipa ist übrigens trotz der Drohungen zu dem Radlerfest gekommen. Statt von rechten Demonstranten wurde er dort von Bürger mit solidarischen Transparenten begrüßt. „Ich werde mich nicht einschüchtern lassen“, verspricht der 67-Jährige.

Strategien gegen Rechts

Die Publikation "Vor Ort entscheidet – Kommunale Strategien gegen Rechtsextremismus" der Friedrich-Ebert-Stiftung kann unter diesem Link als PDF heruntergeladen werden. Weitere Infos zum Projekt gegen Rechtsextremismus der FES finden Sie auf fes-gegen-rechtsextremismus.de.

Den Internetauftritt des "Projekts Schutzschild" der Amadeu-Antonio-Stiftung finden Sie hier. Gemeinsam mit Pro Asyl hat die Stiftung mehrere Handreichungen herausgegeben, die Sie als PDF herunterladen können:

10 Punkte für eine kommunale Willkommensoffensive
Die Brandstifter: Rechte Hetze gegen Flüchtlinge
pro Menschenrechte. contra Vorurteile: Fakten und Argumente zur Debatte über Flüchtlinge in Deutschland und Europa
Refugees Welcome. Gemeinsam Willkommenskultur gestalten

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