Mittel ausgeschöpft

Kommunen reagieren entsetzt auf Antragsstopp für Gigabit-Ausbau

Carl-Friedrich Höck25. Oktober 2022
Glasfaserkabel in einem Graben
14 Bundesländer und die kommunalen Spitzenverbände haben einen Brandbrief an das Bundesverkehrsministerium geschrieben. Dieses hatte überraschend einen Antragsstopp für die Breitbandförderung verhängt, weil die vorhandenen Mittel ausgeschöpft sind.

Mit dem Graue-Flecken-Programm unterstützt der Bund den Glasfaserausbau. Ziel ist es, Gebiete mit schnellem Internet zu versorgen, in denen die Downloadgeschwindigkeit bisher weniger als 100 Megabit pro Sekunde beträgt. Die Nachfrage ist groß: Die für das Jahr 2022 zur Verfügung stehenden Bundesmittel in Höhe von mehr als drei Milliarden Euro wurden bereits ausgeschöpft.

Zukunft der Breitbandförderung nicht geklärt

Als Reaktion darauf hat das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) einen Antragsstopp verhängt, mit Wirkung zum 17. Oktober. Zum Jahresbeginn 2023 soll eine neue Förderrichtlinie in Kraft treten. Wie genau diese ausgestaltet sein wird, ist bisher jedoch unklar.

Die Länder und Kommunen wurden am 18. Oktober über den Sachstand informiert – und haben entsetzt reagiert. Vertreter*innen von 14 Bundesländern und den kommunalen Spitzenverbänden wenden sich nun mit einem gemeinsamen Brief an das Bundesministerium und drängen auf eine schnelle Kurskorrektur. Sie seien „überrascht“ über die Aussagen zum aktuellen Status und zur künftigen Ausgestaltung des Breitbandförderprogramms, heißt es darin. Der Bund scheine den bisherigen Konsens mit den Ländern und kommunalen Spitzenverbänden einseitig aufkündigen zu wollen.

Warnung vor Schnellschüssen

Sie kritisieren eine unzureichende Finanzierung der Breitbandförderung durch den Bund. Die Mittel für 2022 seien deutlich überzeichnet und für 2023 seien noch keine belastbaren Mittel zugesagt. Eine Priorisierung der Projekte sei in der Vergangenheit bereits in Gesprächen zwischen allen Beteiligten ausgeschlossen worden, diese dürfe jetzt nicht „durch die Hintertür wieder eingeführt werden“. Der Antragsstopp müsse aufgehoben werden und die neue Förderung ab Januar 2023 müsse unmittelbar an die bestehende Förderung anschließen, fordern die Briefschreiber*innen.

Sie warnen auch vor einem sogenannten Windhundrennen, wenn für die neue Förderung nicht genügend Geld zur Verfügung stehe. Das könne zu einem ineffizienten Mitteleinsatz führen. Dahinter steht die Befürchtung, dass Kommunen in höchster Eile Anträge stellen, um nicht leer auszugehen – und sich nicht mehr genügend Zeit nehmen, um die Pläne mit Markterkundungsverfahren ausreichend vorzubereiten.

Unterzeichnet wurde der Brief von Vertretern des Deutschen Städtetages, des Deutschen Landkreistages und des Deutschen Städte- und Gemeindebundes sowie von den zuständigen Ministerien der Bundesländer. Nur Hessen und Nordrhein-Westfalen haben sich dem Schreiben nicht angeschlossen.

Durchkreuzte Pläne

„Die überraschende und einseitige Entscheidung des Bundes, im Rahmen des Förderprogramms keine neuen Anträge mehr entgegenzunehmen, entzieht dem Breitbandausbau in den Landkreisen den Boden“, kommentiert Landkreistag-Präsident Reinhard Sager. Damit stelle der Bund seine eigenen Ausbauziele in Frage.

Viele Kommunen sehen nun auch ihre Zeitpläne durch die Ankündigung von Digitalminister Volker Wissing (FDP) durchkreuzt. Wie die sächsischen kommunalen Spitzenverbände mitteilen, ist in Sachsen erst am 6. Juli 2022 eine Landesförderrichtlinie in Kraft getreten, die es ermöglicht, Anträge für den Ausbau sogenannter Hellgrauer Flecken zu stellen. Aktuell befänden sich die meisten Landkreise und Kommunen in der Durchführung und Auswertung von Markterkundungsverfahren, die eigentlich Grundlage für qualifizierte Anträge sein sollten. „Nun stoppt der Bund völlig überraschend den Ausbau der Hellgrauen Flecken, bevor er in Sachsen überhaupt richtig starten konnte”, zeigt sich der Geschäftsführer des Sächsischen Städte- und Gemeindetages Mischa Woitscheck enttäuscht.

Die SPD-Bundestagsabgeordneten Jens Zimmermann und Detlef Müller versprechen: „Wir werden uns dafür einsetzen, als Koalition kurzfristig eine Lösung zu finden, wie bereits eingereichte Förderanträge weitergeführt werden können, damit keine Förderlücke entsteht”. Das Graue-Flecken-Förderprogramm sei ein großer Erfolg, das zeige der Mittelabfluss. Die neue Förderrichtlinie zum Jahresbeginn 2023 werde die neue Gigabit-Strategie umsetzen. „Mit dieser werden deutlich mehr Ausbaugebiete förderfähig werden und der Ausbau wird sich massiv beschleunigen – sowohl in urbanen Gebieten als auch im ländlichen Raum und überall dort, wo der eigenwirtschaftliche Ausbau an seine Grenzen stößt”, erklären die Abgeordneten.

 

Update 26.10.2022:

Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) hat mit einem Informationsblatt Stellung zur Debatte genommen. Es versichert: „Alle bis zum 17. Oktober eingereichten Förderanträge werden bearbeitet und erhalten spätestens im Januar 2023 einen Bescheid.“ Neue Anträge könnten wieder ab Anfang 2023 eingereicht werden, wenn die neue Förderrichtlinie in Kraft trete.

Laut BMDV lag das Fördervolumen im Jahr 2022 deutlich über dem der vergangenen Jahre. 2020 flossen 2,4 Milliarden Euro vom Bund in das Graue-Flecken-Programm, im vergangenen Jahr sogar nur 1,5 Milliarden. „Für 2022 Jahr hat die Bundesregierung Mittel in Höhe von rd. 3,1 Mrd. Euro bereitgestellt. Es handelt sich um das größte Finanzvolumen, das bisher für diesen Zweck in Anspruch genommen wurde. Dennoch sind die bereitgestellten Mittel nun für dieses Jahr bereits ausgeschöpft und deutlich durch eingegangene Anträge überzeichnet. So wurden im Oktober innerhalb nur einer Woche Förderanträge in Höhe von über 450 Mio. Euro gestellt – ein bisher einmaliger Vorgang“, schreibt das BMDV. Deshalb könnten vorübergehend keine neuen Anträge angenommen werden.

Weiter argumentiert das Ministerium, der Glasfaserausbau gehe in Deutschland unvermindert weiter. Mehr als 87 Prozent der Anschlüsse würden eigenwirtschaftlich errichtet und nur jeder achte Anschluss werde mit staatlicher Förderung gebaut. „Mehr Fördermittel führen nicht automatisch zu einem schnelleren Ausbau“, heißt es im Schreiben. Denn geförderte Projekte würden Kapazitäten der Telekommunikationsbranche und der Bauwirtschaft binden, die dann für den eigenwirtschaftlichen Ausbau nicht mehr verfügbar seien. Die Gigabitförderung dürfe den eigenwirtschaftlichen Ausbau nur ergänzen und nicht verdrängen. Auch sei es normal, dass Förderprogramme überzeichnet werden. „Die große Nachfrage zeigt, dass die Förderung erfolgreich läuft.“

Das BMDV geht davon aus, dass das Fördervolumen im Jahr 2023 auf dem Niveau von 2022 gehalten wird. Das Ministerium widerspricht auch der Darstellung der Länder, man habe sich darauf geeinigt, auf Priorisierungen zu verzichten. „Wir haben mit den Ländern in der Gigabitstrategie vereinbart: Kommt es zu einer großen Welle an Anträgen – wie in diesem Oktober –, muss die Förderung sinnvoll gesteuert und für die Gebiete priorisiert werden, in denen der größte Förderbedarf besteht. Das setzen wir im neuen Förderprogramm ab 2023 um.“ Grundlage dafür sei eine Potenzialanalyse, die derzeit erstellt werde und zum Jahreswechsel vorliegen solle. Dort werde dargelegt, wo der eigenwirtschaftliche Ausbau voranschreite, wo der Förderbedarf am größten sei und wo die verfügbaren Fördermittel hingelenkt werden sollen.

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