Reform des Sozialstaats

Kompromiss beim Bürgergeld: Worauf sich Ampel und Union geeinigt haben

Kai Doering22. November 2022
Gebäude des Bundesrates: CDU und CSU hatten gedroht, das Bürgergeld in der Länderkammer zu stoppen. Nun ist eine Einigung in Sicht.
Vor der entscheidenden Sitzung des Vermittlungsausschusses am Mittwoch haben sich die Regierungsparteien und die Union auf einen Kompromiss beim Bürgergeld geeinigt. Ob es wie geplant zum 1. Januar in Kraft treten kann, entscheidet sich am Freitag.

Die Zeit drängt. Am Mittwoch muss sich der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat einigen, soll das Bürgergeld wie von der Regierung geplant zum 1. Januar 2023 in Kraft treten. Kurz vor der entscheidenden Sitzung gibt es nun eine Einigung zwischen den Ampel-Parteien und CDU sowie CSU, die das Gesetz im Bundesrat gestoppt hatten.

„Vertrauenszeit“ entfällt, Karenzzeit wird halbiert

„Wir sind auf die Union zugegangen, ohne den Kern des Bürgergelds preiszugeben“, sagte die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, am Dienstag in Berlin. Gemeinsam mit ihrem FDP-Kollegen Johannes Vogel und der Vorsitzenden der Grünen-Bundestagsfraktion Britta Haßelmann hatte sie in den vergangenen Tagen mit Unions-Vertreter*innen verhandelt. Der nun gefundene Kompromiss sei eine „gute Grundlage, um für das Bürgergeld die notwendige Mehrheit zu gewährleisten“, betonte Mast.

Der Vorschlag sieht vor, dass die im ursprünglichen Gesetz vorgesehene „Vertrauenszeit“ entfällt: Während der ersten sechs Monate des Bürgergeld-Bezugs sollten Leistungskürzungen bei Pflichtverletzungen ausgeschlossen sein. Auch beim sogenannten Schonvermögen soll es Änderungen geben. Die Summe (im bisherigen Gesetz stehen 60.000 Euro), die Bürgergeld-Bezieher*innen in der ersten Zeit nicht antasten müssen, wird reduziert, der Zeitraum von zwei Jahren auf ein Jahr halbiert.

„Wir setzen auf Ermutigung und Unterstützung.“

Vor allem den Wegfall der Vertrauenszeit bedauere sie sehr, sagte Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann. „Wir haben darauf verzichtet, um einen Kompromiss zu finden.“ Der Kern des Bürgergelds bleibt aus ihrer Sicht aber auch mit den Änderungen erhalten. „Wir hören auf damit, dass Menschen einfach in irgendeine Tätigkeit vermittelt werden. Der Vermittlungsvorrang entfällt“, betonte Haßelmann. „Wir setzen auf Ermutigung und Unterstützung.“

„Wir schaffen mehr Aufstiegsmöglichkeiten unabhängig von der Herkunft“, hob Johannes Vogel, der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, hervor und betonte die Ausweitung der Zuverdienstmöglichkeiten für junge Menschen, die sich auch weiterhin im Kompromiss zum Bürgergeld finden. „Wir wollen eine Grundsicherung, bei der Eigeninitiative belohnt und nicht bestraft wird.“ Eine einfache Erhöhung der Regelsätze, wie es CDU und CSU zunächst angeboten hatten, „wäre der falsche Schritt gewesen“.

So kann das Bürgergeld zum 1. Januar in Kraft treten

Das Bürgergeld in seiner ursprünglichen Form „wäre der Einstieg in ein Bedingungsloses Grundeinkommen“ gewesen, erneuerte CDU-Partei- und Fraktionschef Friedrich Merz seine Kritik der vergangenen Wochen. Das werde mit dem erzielten Kompromiss verhindert. Die Beibehaltung der Sanktionsmöglichkeiten sei „die weitgehende Ausschöpfung dessen, was das Bundesverfassungsgericht vorgegeben hat“. Den vorliegenden Kompromiss bezeichnete Merz als „aus unserer Sicht zustimmungsfähig“.

Bis es soweit ist, muss am Mittwoch zunächst der Vermittlungsausschuss über den Vorschlag beraten. Findet er hier bis zum späten Abend eine Mehrheit, soll am Freitag zunächst der Bundestag – ohne erneute Debatte – darüber abstimmen, ehe der Bundesrat abschließend zustimmen muss. Wird dieser enge Zeitplan eingehalten, könnte das Bürgergeld zum 1. Januar in Kraft treten.

Dieser Artikel ist zuerst auf vorwaerts.de erschienen.

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