Krankenhauspolitik

Krankenhäuser bereiten sich auf die Omikron-Welle vor

Karin Billanitsch11. Januar 2022
Die Krankenhäuser bereiten sich auf die Omikron-Welle vor. Unklar ist laut Deutscher Krankenhausgesellschaft, wie sie sich auf die Hospitalisierungen auswirken wird.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) fordert ein Online-Meldesystem für die Krankenhäuser für die Einlieferung von Covid-Kranken. Die Ampel-Regierung solle zudem jetzt zügig gesundheitspolitische Weichen für eine Reform stellen.

Es gibt keine Entspannung. Die Kurve der Sieben-Tage-Inzidenz steigt, der Wert der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche liegt aktuell bei fast 390. „Das ist genau das, was alle erwartet haben, was wir auch international sehen“, sagt Gerald Gaß. Manche Virologen sprächen ja sogar von einer Wand. Damit sei gemeint, dass die Kurve so stark ansteigt, dass man sie als Wand ansehen könne, so der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft in Berlin. Noch erlebt Deutschland das noch nicht in dieser Dimension, aber „alle rechnen auf jeden Fall damit, dass die Inzidenzen steigen, heute liest man über Schätzungen von einer Inzidenz von 1.000, möglicherweise sogar 1.500.“

Gaß: „Bereiten uns auf Ansturm vor“

Wie ist die Lage in den Krankenhäusern, wie bereiten sie sich auf eine 5. Welle der Omikron-Variante vor? „Wie sich das letztlich auf die Hospitalisierung, also auf die Krankenhäuser und deren Hospitalisierung auswirkt, ist im Moment nicht abschließend zu sagen“, erläutert Gaß bei einer Online-Pressekonferenz in Berlin. Erfahrungen aus dem Ausland können laut Gaß nicht eins zu eins auf Deutschland übertragen werden – weil es Unterschiede in den Rahmenbedingungen gibt: der Impfquote, der Kontaktbeschränkungen, um Beispiele zu nennen.

Dennoch bereiten sich die Krankenhäuser vor auf einen großen Ansturm von Patienten. „Wir beobachten natürlich auch die Entwicklung der Hospitalisierungsinzidenz“, erklärt Gaß. Diese gibt es seit September als Indikator, der anzeigt, wie viele Patienten pro 100.000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen mit einer Corona-Infektion ins Krankenhaus eingeliefert worden sind. Das soll die Belastung der Krankenhäuser zeigen und der Politik als Steuerungsinstrument dienen.

Meldeprobleme bei Einlieferungen von Covid-Patienten

Doch anscheinend geben diese Daten keine belastbaren Auskünfte: „Man muss deutlich sagen, dass diese Daten Lücken haben“, so Gaß. Es gebe keine Möglichkeit, die Daten online zu melden, es müssten Formulare ausgefüllt, Faxe an Gesundheitsämter geschickt werden – dort wiederum neu erfasst und dann ans RKI übermittelt werden. „Jeder kann sich vorstellen, dass das zu einer maximalen Verzögerung der Datenmeldungen und zu enormen Datenlücken führt.“ Er forderte, schnellstmöglich ein Online-Meldesystem einzurichten.

Seit März 2020 arbeiten die Krankenhäuser in einer Art Ausnahmezustand, die Regelversorgung war nicht mehr so wie vor Corona möglich, bei geplanten Operationen gibt es Wartezeiten. Personal fällt erschöpft aus, Mitarbeiter kündigen oder gehen in Teilzeit, weil die Belastung zu groß geworden ist. So beschreibt der Chef der Krankenhausgesellschaft die Situation. Genaue Zahlen dazu legte er nicht vor. „Wir werden alle Anstrengungen unternehmen müssen, … diese Personalausfälle nicht nur zu kompensieren und mehr Menschen zurückzugewinnen.

Debatte um Pflege-Prämie

Die Ampel-Koalition hat bereits eine Pflegeprämie für 2022 beschlossen. Der Personenkreis, der ihn bekommen soll, ist unklar: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD hatte in einem Interview mit dem RND gesagt, „der Pflegebonus sollte vor allem Pflegekräften bezahlt werden, die in der Corona-Pandemie besonders belastet waren“.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft lehnt aber eine Differenzierung in „wertvolle und weniger wertvolle“ Beschäftigte strikt ab. Etwa, um nur die Pflegekräfte auf Intensivstationen zu belohnen. „Damit spalten wir die Belegschaft und werten einen Teil der Mitarbeiter ab, die wir dringend brauchen“, so Gaß. Die DKH fordert von der Politik, stattdessen einen Steuerfreibetrag für Pflegekräfte in den Krankenhäusern und in der Langzeitpflege auszuloben, rückwirkend ab 2021 und 2022. Um den Pflegeberuf insgesamt attraktiver zu machen, schlägt die Deutsche Krankenhausgesellschaft ein Bündel von Maßnahmen vor: darunter eine Steuerbefreiung von Zuschlägen, familienfreundliche Arbeitszeiten, Erleichterungen bei der Gewinnung von ausländischen Fachkräften, akademische Entwicklungsperspektiven und weniger Bürokratie, um einige zu nennen.

Mit Blick auf Quarantäneregeln sagte Gaß: „Natürlich müssen wir im Fall großer Belastung abwägen zwischen der Aufrechterhaltung der Versorgung und einem maximalen Infektionsschutz. Wir werden dort mit Augenmaß vorgehen und die Möglichkeiten nutzen, Personal aus der Quarantäne zurückzuführen mit einem negativen PCR-Test.” Wenn die Situation eskalieren würde, müsse man sicherlich auch darüber nachdenken, positiv Getestete ohne Symptome im Infektionsbereich einzusetzen – aber nur in Absprache und freiwilliger Zustimmung.

Gaß: „Reform der Krankenhausfinanzierung notwendig“

Über die Pandemie hinaus gedacht ist laut DKG eine grundlegende Reform des Krankenhausfinanzierung anzustreben. Notwendig sei laut Gaß eine Umgestaltung des Finanzierungssystems, hin zu einer nachhaltigeren Finanzierung, nicht nur eine rein leistungsbezogene Finanzierung. Es brauche gezielte Sonderprogramme des Bundes für Digitalisierung und um Transformationsprozesse zu finanzieren. Leitbild sollen „regionale Versorgungsnetzwerke“ sein. Teile der vollstationären Versorgung könnten ambulant erfolgen, die ambulante Versorgung gestärkt werden. Weil es zum Beispiel ambulante Versorgungslücken gibt, müssten Krankenhäuser geöffnet werden können. Gaß forderte auch, eine sektorenübergreifende Versorgungsplanung zu entwickeln. Wichtig dabei ist die Umsetzung von so genannten Hybrid-DRGs, die es – vereinfacht gesagt – ermöglichen, gleiche medizinische Leistungen abzurechnen, unabhängig davon, ob sie ambulant oder stationär erfolgt sind. Laut Koalitionsvertrag plant die Ampel-Regierung solche Hybrid-DRGs. DRG (Diagnosis Related Group) bezeichnet das Fallpauschalen-System zur Abrechnung im Gesundheitswesen.

Im Koalitionsvertrag haben die Regierungspartner „einen Bund-Länder-Pakt“ für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung angekündigt. Nun müsse kurzfristig dazu eine Regierungskommission eingesetzt werden.

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