Bündnis moderne Mobilität

Kritik an starren Tempo-Regeln: Städte fordern Modellversuche

Carl-Friedrich Höck03. Juni 2021
Tempo 30 festzulegen ist für Kommunen oft mit hohem Aufwand verbunden.
Die Kommunen wünschen sich mehr Entscheidungsspielräume bei Verkehrsthemen wie Tempo 30. Das machte Städtetags-Präsident Jung nach einem Treffen von Bund, Ländern und Kommunen deutlich. Er will modellhaft neue Wege ausprobieren – Verkehrsminister Scheuer zeigt sich dafür offen.

Der Deutsche Städtetag dringt auf mehr Flexibilität bei Verkehrsthemen. Man wolle den Verkehr in den Städten effizienter, klimaschonender und sicherer machen, sagte Städtetags-Präsident Burkhard Jung bei einem Treffen des „Bündnisses moderne Mobilität“ aus Bund, Ländern und Kommunen. Jung weiter: „Dafür brauchen wir aber vor Ort noch mehr Entscheidungsspielräume, etwa um die Verkehrssicherheit durch ortsangepasste Geschwindigkeiten zu verbessern. Das wollen wir in Modellversuchen unter Realbedingungen.“

Gesetze passen nicht auf spezielle Situationen vor Ort

Das Bündnis moderne Mobilität wurde 2019 ins Leben gerufen. Ihm gehören das Bundesverkehrsministerium, die Verkehrsminister*innen der Länder und die kommunalen Spitzenverbände an. Am Mittwoch kamen Vertreter zu einem sogenannten High-Level-Treffen zusammen, um die bisherigen Ergebnisse zu besprechen.

Dabei ging es auch um die Geschwindigkeitsdebatten in den Kommunen. Burkhard Jung erklärte, nach langer Diskussion hätten die Städte erreicht, dass sie Tempo 30 vor Schulen und Kindertagesstätten einführen können – das sei nun auf Bundesebene gesetzlich verankert. Doch zufrieden sind die Kommunen noch nicht, was Jung an einem Beispiel erläuterte: „Wenn der Eingang zur Schule in der Nebenstraße um die Ecke liegt, dann muss man schon Handstände machen, um die Hauptverkehrsstraße, die an der Schule vorbeiführt, auf Tempo 30 abzusenken.“

Kommunen sollen selbst und unbürokratisch entscheiden

Die Systeme seien verrückt, so Jung. Weiter sagte er: „Wir sind gut beraten, vor Ort regionale Lösungen auch modellhaft auszuprobieren, wo wir dann selbst entscheiden.“ Und zwar auch ohne umfassende Gefährdungsanalysen, wie sie normalerweise nötig sind, damit eine Tempo-Regelung vor Gericht Bestand hat. Er wolle sehr pragmatische Lösungen finden, sagte der Städtetags-Präsident: „Vor dem Altenpflegeheim, vor der Behindertenwerkstatt, vor dem Spielplatz, der zur Zeit nicht geschützt ist.“ Auch für Kreuzungen mit viel Radverkehr wünscht sich Jung die Möglichkeit Tempo 30 einzuführen, ohne erst viel Geld für gutachterliche Stellungnahmen ausgeben zu müssen. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) habe Verständnis gezeigt, „dass wir uns da weiter in die Tiefe begeben wollen, die Details noch diskutieren wollen und das modellhaft ausprobieren möchten“, so Jung. Scheuer selbst stimmte dieser Darstellung auf einer Pressekonferenz zu.

Burkhard Jung verwies auch auf Stuttgart, wo als Regelgeschwindigkeit Tempo 40 eingeführt wurde, „weil es anders nicht geht“. Jung betonte zugleich, dass er die Geschwindigkeit nicht flächendeckend herunterschrauben will. Man brauche auch Straßen mit Tempo 60, wo die Wirtschaftsverkehre flüssig abfließen können. „Hauptverkehrsadern wird man nicht auf Tempo 30 reduzieren können, das wird uns eher Emissionen ins Haus bringen und den ÖPNV zum Beispiel lahmlegen.“

Bei dem Treffen des Bündnisses moderne Mobilität blickten die Teilnehmer auch auf das bisher Erreichte zurück. Einige Beispiele: Der Bund hat die Mittel für den ÖPNV für die kommenden Jahre deutlich erhöht. Die Straßenverkehrsordnung wurde novelliert – wegen eines Formfehlers des Bundesverkehrsministeriums wurden einige Regelungen wie höhere Bußgelder für Falschparker*innen allerdings erst deutlich verspätet umgesetzt. Erst am Mittwochmorgen hatte das Bundeskabinett ein „Verkehrssicherheitsprogramm 2021-2030“ beschlossen.

 

Mehr Informationen und Ergebnisbericht zum Download:
bmvi.de (Bundesverkehrsministerium)